Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.Briefe des Grafen Friedrich Leopold Stolberg an Johann Heinrich voß. Die vorstehend abgedruckten Briefe sind mir, nebst den andern von Stolberg Leider liegen uns die von Voß an Stolberg gerichteten Briefe nicht mehr Briefe des Grafen Friedrich Leopold Stolberg an Johann Heinrich voß. Die vorstehend abgedruckten Briefe sind mir, nebst den andern von Stolberg Leider liegen uns die von Voß an Stolberg gerichteten Briefe nicht mehr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0206" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149778"/> <fw type="header" place="top"> Briefe des Grafen Friedrich Leopold Stolberg an Johann Heinrich voß.</fw><lb/> <p xml:id="ID_732"> Die vorstehend abgedruckten Briefe sind mir, nebst den andern von Stolberg<lb/> an Voß gerichteten, durch die Güte des Herrn Director der Hof- und Staats¬<lb/> bibliothek zu München, Halm, der dieselben für die seiner Leitung unterstellte<lb/> Bibliothek erworben hat, zugänglich gemacht worden. Manche Stellen aus den¬<lb/> selben waren seit langen Jahren durch Voß selbst veröffentlicht worden, in neuerer<lb/> Zeit hatte Herbst für seine Biographie von Johann Heinrich Voß diese Originale<lb/> benutzen können. So manches hat er auch aus ihnen mitgetheilt, von den<lb/> oben veröffentlichten Briefen den einen (13.) fast ganz, von einem andern (5.)<lb/> mehr als die Hälfte drucken lassen. Der vollständige Abdruck aber, den wir<lb/> hier bieten, nimmt in mehr als einem Grad ein gewisses Interesse in Anspruch:<lb/> er zeigt wie das erste Zerwürfniß zwischen Voß und Stolberg entstanden, wie<lb/> weit die Kluft gewesen, die die beiden, nach ihrem ganzen Fühlen und Denken<lb/> so verschieden gearteten Männer trennte, wie diese Klust noch glücklich überbrückt<lb/> wurde, aber immerhin in beide Seelen der Gedanke an Trennung geworfen war.<lb/> In Wahrheit tritt uns die alte, treu-innige Gemeinschaft zwischen Voß und<lb/> Stolberg seit dem Jahre 1787 nur noch vorübergehend entgegen, seit dem Jahre<lb/> 1788 fehlt zumal die Vermittlerin zwischen beiden Männern, Stolbergs holde<lb/> Gattin Agnes, die schon Goethe als die Versöhnern, der Gegensätze geschildert hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_733" next="#ID_734"> Leider liegen uns die von Voß an Stolberg gerichteten Briefe nicht mehr<lb/> vor. Voß selbst scheint von ihnen keine Copien zurückbehalten zu haben, ob die<lb/> Originale noch in dem Stolbergschen Familienarchiv auf Schloß Brenna bei Camenz<lb/> vorhanden sind, war mir nicht möglich festzustellen; auch aus Jcmsscns zwei¬<lb/> bändigen, an Material so reichem Werk über Stolberg, ergiebt sich sür diese<lb/> Conflicte nicht die geringste Aufklärung. Es ist das Abgehen dieser Korrespondenz<lb/> gewiß nur zu beklagen; es ist dadurch unmöglich gemacht, dem Grundsatz: Mäiickur<lb/> vt Ätörg. Mis gerecht zu werden. Denn — man muß es eingestehen — aus<lb/> den vorliegenden Briefen scheint sich doch zu ergeben, daß Stolberg im Recht,<lb/> Voß aber im Unrecht gewesen. Aber es scheint doch nur so. Denn wenn<lb/> Nur die damalige Zeit auf Grund alles uns zu Gebote stehenden Materials<lb/> studiren, so müssen wir bekennen, daß Voß ein entschiedner Freund der Aufklärung<lb/> gewesen, seiner selbstbewußten Männlichkeit jede Halbheit und jedes Vertuschen<lb/> der Wahrheit ein Greuel war, daß er in der strengsten gewissenhaftesten Arbeit<lb/> Tag für Tag stand, und die höchsten Anforderungen an sich stellte. Das hat<lb/> Niebuhr gefühlt, wenn er am Schlüsse eines solchen Lebens die Worte aussprach:<lb/> Voß sei der „letzte Held der deutschen gelehrten Gesinnung, der Vertheidiger der<lb/> Wahrheit" gewesen. Ganz anders stellt sich Stolberg dar. Freilich hat anch<lb/> er nach dem Ideal gerungen, aber niemals in strenger, entsagender Arbeit, Er<lb/> ist stets Phantast, stets Dilettant geblieben. Die Gedanken strömten ihm zu,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0206]
Briefe des Grafen Friedrich Leopold Stolberg an Johann Heinrich voß.
Die vorstehend abgedruckten Briefe sind mir, nebst den andern von Stolberg
an Voß gerichteten, durch die Güte des Herrn Director der Hof- und Staats¬
bibliothek zu München, Halm, der dieselben für die seiner Leitung unterstellte
Bibliothek erworben hat, zugänglich gemacht worden. Manche Stellen aus den¬
selben waren seit langen Jahren durch Voß selbst veröffentlicht worden, in neuerer
Zeit hatte Herbst für seine Biographie von Johann Heinrich Voß diese Originale
benutzen können. So manches hat er auch aus ihnen mitgetheilt, von den
oben veröffentlichten Briefen den einen (13.) fast ganz, von einem andern (5.)
mehr als die Hälfte drucken lassen. Der vollständige Abdruck aber, den wir
hier bieten, nimmt in mehr als einem Grad ein gewisses Interesse in Anspruch:
er zeigt wie das erste Zerwürfniß zwischen Voß und Stolberg entstanden, wie
weit die Kluft gewesen, die die beiden, nach ihrem ganzen Fühlen und Denken
so verschieden gearteten Männer trennte, wie diese Klust noch glücklich überbrückt
wurde, aber immerhin in beide Seelen der Gedanke an Trennung geworfen war.
In Wahrheit tritt uns die alte, treu-innige Gemeinschaft zwischen Voß und
Stolberg seit dem Jahre 1787 nur noch vorübergehend entgegen, seit dem Jahre
1788 fehlt zumal die Vermittlerin zwischen beiden Männern, Stolbergs holde
Gattin Agnes, die schon Goethe als die Versöhnern, der Gegensätze geschildert hat.
Leider liegen uns die von Voß an Stolberg gerichteten Briefe nicht mehr
vor. Voß selbst scheint von ihnen keine Copien zurückbehalten zu haben, ob die
Originale noch in dem Stolbergschen Familienarchiv auf Schloß Brenna bei Camenz
vorhanden sind, war mir nicht möglich festzustellen; auch aus Jcmsscns zwei¬
bändigen, an Material so reichem Werk über Stolberg, ergiebt sich sür diese
Conflicte nicht die geringste Aufklärung. Es ist das Abgehen dieser Korrespondenz
gewiß nur zu beklagen; es ist dadurch unmöglich gemacht, dem Grundsatz: Mäiickur
vt Ätörg. Mis gerecht zu werden. Denn — man muß es eingestehen — aus
den vorliegenden Briefen scheint sich doch zu ergeben, daß Stolberg im Recht,
Voß aber im Unrecht gewesen. Aber es scheint doch nur so. Denn wenn
Nur die damalige Zeit auf Grund alles uns zu Gebote stehenden Materials
studiren, so müssen wir bekennen, daß Voß ein entschiedner Freund der Aufklärung
gewesen, seiner selbstbewußten Männlichkeit jede Halbheit und jedes Vertuschen
der Wahrheit ein Greuel war, daß er in der strengsten gewissenhaftesten Arbeit
Tag für Tag stand, und die höchsten Anforderungen an sich stellte. Das hat
Niebuhr gefühlt, wenn er am Schlüsse eines solchen Lebens die Worte aussprach:
Voß sei der „letzte Held der deutschen gelehrten Gesinnung, der Vertheidiger der
Wahrheit" gewesen. Ganz anders stellt sich Stolberg dar. Freilich hat anch
er nach dem Ideal gerungen, aber niemals in strenger, entsagender Arbeit, Er
ist stets Phantast, stets Dilettant geblieben. Die Gedanken strömten ihm zu,
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