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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Max Maria von Weber.

direction hatte sich eine andre Vertheilung der Arbeiten nothwendig gemacht,
nach welcher Weber mehr literarische als administrativ-technische Geschäfte zu¬
gefallen wären, Schon längst unzufrieden mit manchem in seiner Stellung,
nahm er jetzt seine Entlassung und trat mir dem Charakter eines k. k, Hosraths
und technischen Referenten für die Angelegenheiten der Eisenbahnen in das öster¬
reichische Handelsministerium zu Wien ein. Welcher Wirkungskreis sich ihm
hier auch eröffnen mochte -- er blieb im eigentlichen Sinne des Wortes "fremd"
in Wien, Schon wenige Monate nach seinem Eintritt wäre er beinahe in die
Lage gekommen, die kaum gewonnene Stellung wieder aufgeben zu müssen. Der
Krieg von 1870 brach aus. In Oesterreich wurden Vorbereitungen getroffen
zu mobilisiren. Für Weber konnte es weder zweifelhaft sein, wem diese Vor¬
bereitungen galten, noch zweifelhaft, daß er im Falle eines Auftretens Oester¬
reichs gegen Deutschland nicht bleiben könne. Sein einziger Sohn (jetzt Hauptmann
im k, sächsischen Armeecorps, zum großen Generalstabe in Berlin commentirt)
stand als junger Offizier in den Reihen des deutschen Heeres, der Vater hätte
als Techniker nicht dabei helfen wollen und dürfen, österreichische Colonnen
nord- und westwärts gegen Deutschland zu entsenden! Glücklicherweise beseitigten
die deutschen Siege bei Wörth und Se. Privat jede Gefahr dieser Art, Aber
die Empfindung Webers haftete an der Heimat; am 15. December 1870 schrieb
er dem Verfasser dieser Zeilen: "Ihre Sendung hat mir die Seele schwer von
Heimweh nach Jugendzeit und Jugendland gemacht," und das blieb der Grundton
vieler Briefe, wenn er auch natürlich als tüchtiger, unablässig arbeitsfrifcher
und rastlos thätiger Mann sich Verkümmerung und müßiger Träumerei fern
hielt. Aus dem österreichischen Staatsdienst schied Weber 1875 aus, lebte dann
mit wissenschaftlichen Arbeiten und als selbständiger Ingenieur bei verschiednen
großen Bcihnbautcn beschäftigt, noch einige Jahre in Wien, Seine Feder ruhte
nicht, das Buch über "Die Praxis des Baues und Betriebes der Seeundär-
bcchnen mit normaler und schmaler Spur" griff tief in eine technische Zeitfrage
ein, noch cntschiedner trugen die "Populären Erörterungen von Eisenbahnzeit¬
fragen" (eine Reihe von Heften) und mehrere Abhandlungen in der Augsburger
"Allgemeinen Zeitung" das publicistische Gepräge,

Im Jahre 1878 kehrte M, M, von Weber, einem Ruse nach Berlin folgend,
nach Norddeutschland zurück. Er trat in das preußische Handelsministerium ein,
in welchem er den Charakter als Oberregicrungsrath erhielt und während der
wenigen Jahre, die ihm hier vergönnt waren, sich im Auftrag des Ministeriums
hauptsächlich mit dem eingehenden Studium der großen Ccmalshsteme Englands
und der Vereinigten Staaten beschäftigte. Im vorigen Frühjahr war er leben¬
diger, frischer als je von seiner längern Reise nach Amerika zurückgekehrt. Seine


Max Maria von Weber.

direction hatte sich eine andre Vertheilung der Arbeiten nothwendig gemacht,
nach welcher Weber mehr literarische als administrativ-technische Geschäfte zu¬
gefallen wären, Schon längst unzufrieden mit manchem in seiner Stellung,
nahm er jetzt seine Entlassung und trat mir dem Charakter eines k. k, Hosraths
und technischen Referenten für die Angelegenheiten der Eisenbahnen in das öster¬
reichische Handelsministerium zu Wien ein. Welcher Wirkungskreis sich ihm
hier auch eröffnen mochte — er blieb im eigentlichen Sinne des Wortes „fremd"
in Wien, Schon wenige Monate nach seinem Eintritt wäre er beinahe in die
Lage gekommen, die kaum gewonnene Stellung wieder aufgeben zu müssen. Der
Krieg von 1870 brach aus. In Oesterreich wurden Vorbereitungen getroffen
zu mobilisiren. Für Weber konnte es weder zweifelhaft sein, wem diese Vor¬
bereitungen galten, noch zweifelhaft, daß er im Falle eines Auftretens Oester¬
reichs gegen Deutschland nicht bleiben könne. Sein einziger Sohn (jetzt Hauptmann
im k, sächsischen Armeecorps, zum großen Generalstabe in Berlin commentirt)
stand als junger Offizier in den Reihen des deutschen Heeres, der Vater hätte
als Techniker nicht dabei helfen wollen und dürfen, österreichische Colonnen
nord- und westwärts gegen Deutschland zu entsenden! Glücklicherweise beseitigten
die deutschen Siege bei Wörth und Se. Privat jede Gefahr dieser Art, Aber
die Empfindung Webers haftete an der Heimat; am 15. December 1870 schrieb
er dem Verfasser dieser Zeilen: „Ihre Sendung hat mir die Seele schwer von
Heimweh nach Jugendzeit und Jugendland gemacht," und das blieb der Grundton
vieler Briefe, wenn er auch natürlich als tüchtiger, unablässig arbeitsfrifcher
und rastlos thätiger Mann sich Verkümmerung und müßiger Träumerei fern
hielt. Aus dem österreichischen Staatsdienst schied Weber 1875 aus, lebte dann
mit wissenschaftlichen Arbeiten und als selbständiger Ingenieur bei verschiednen
großen Bcihnbautcn beschäftigt, noch einige Jahre in Wien, Seine Feder ruhte
nicht, das Buch über „Die Praxis des Baues und Betriebes der Seeundär-
bcchnen mit normaler und schmaler Spur" griff tief in eine technische Zeitfrage
ein, noch cntschiedner trugen die „Populären Erörterungen von Eisenbahnzeit¬
fragen" (eine Reihe von Heften) und mehrere Abhandlungen in der Augsburger
„Allgemeinen Zeitung" das publicistische Gepräge,

Im Jahre 1878 kehrte M, M, von Weber, einem Ruse nach Berlin folgend,
nach Norddeutschland zurück. Er trat in das preußische Handelsministerium ein,
in welchem er den Charakter als Oberregicrungsrath erhielt und während der
wenigen Jahre, die ihm hier vergönnt waren, sich im Auftrag des Ministeriums
hauptsächlich mit dem eingehenden Studium der großen Ccmalshsteme Englands
und der Vereinigten Staaten beschäftigte. Im vorigen Frühjahr war er leben¬
diger, frischer als je von seiner längern Reise nach Amerika zurückgekehrt. Seine


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[0180] Max Maria von Weber. direction hatte sich eine andre Vertheilung der Arbeiten nothwendig gemacht, nach welcher Weber mehr literarische als administrativ-technische Geschäfte zu¬ gefallen wären, Schon längst unzufrieden mit manchem in seiner Stellung, nahm er jetzt seine Entlassung und trat mir dem Charakter eines k. k, Hosraths und technischen Referenten für die Angelegenheiten der Eisenbahnen in das öster¬ reichische Handelsministerium zu Wien ein. Welcher Wirkungskreis sich ihm hier auch eröffnen mochte — er blieb im eigentlichen Sinne des Wortes „fremd" in Wien, Schon wenige Monate nach seinem Eintritt wäre er beinahe in die Lage gekommen, die kaum gewonnene Stellung wieder aufgeben zu müssen. Der Krieg von 1870 brach aus. In Oesterreich wurden Vorbereitungen getroffen zu mobilisiren. Für Weber konnte es weder zweifelhaft sein, wem diese Vor¬ bereitungen galten, noch zweifelhaft, daß er im Falle eines Auftretens Oester¬ reichs gegen Deutschland nicht bleiben könne. Sein einziger Sohn (jetzt Hauptmann im k, sächsischen Armeecorps, zum großen Generalstabe in Berlin commentirt) stand als junger Offizier in den Reihen des deutschen Heeres, der Vater hätte als Techniker nicht dabei helfen wollen und dürfen, österreichische Colonnen nord- und westwärts gegen Deutschland zu entsenden! Glücklicherweise beseitigten die deutschen Siege bei Wörth und Se. Privat jede Gefahr dieser Art, Aber die Empfindung Webers haftete an der Heimat; am 15. December 1870 schrieb er dem Verfasser dieser Zeilen: „Ihre Sendung hat mir die Seele schwer von Heimweh nach Jugendzeit und Jugendland gemacht," und das blieb der Grundton vieler Briefe, wenn er auch natürlich als tüchtiger, unablässig arbeitsfrifcher und rastlos thätiger Mann sich Verkümmerung und müßiger Träumerei fern hielt. Aus dem österreichischen Staatsdienst schied Weber 1875 aus, lebte dann mit wissenschaftlichen Arbeiten und als selbständiger Ingenieur bei verschiednen großen Bcihnbautcn beschäftigt, noch einige Jahre in Wien, Seine Feder ruhte nicht, das Buch über „Die Praxis des Baues und Betriebes der Seeundär- bcchnen mit normaler und schmaler Spur" griff tief in eine technische Zeitfrage ein, noch cntschiedner trugen die „Populären Erörterungen von Eisenbahnzeit¬ fragen" (eine Reihe von Heften) und mehrere Abhandlungen in der Augsburger „Allgemeinen Zeitung" das publicistische Gepräge, Im Jahre 1878 kehrte M, M, von Weber, einem Ruse nach Berlin folgend, nach Norddeutschland zurück. Er trat in das preußische Handelsministerium ein, in welchem er den Charakter als Oberregicrungsrath erhielt und während der wenigen Jahre, die ihm hier vergönnt waren, sich im Auftrag des Ministeriums hauptsächlich mit dem eingehenden Studium der großen Ccmalshsteme Englands und der Vereinigten Staaten beschäftigte. Im vorigen Frühjahr war er leben¬ diger, frischer als je von seiner längern Reise nach Amerika zurückgekehrt. Seine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/180>, abgerufen am 23.07.2024.