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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Max Naria von Weber.

schriebncn Bilder und Skizzen Webers (oft kurzerhand "Eiseubahmivvellen" ge¬
tauft, obschon sie keineswegs alle der Eisenbahn angehören) dürfen unbedenklich
als das Beste seines Schaffens und als werthvolle Schöpfungen der Literatur
der Gegenwart bezeichnet werden. Denn wie vortrefflich die früher genannten
und später zu erwähnenden Facharbeiteu immerhin sein, welche ernsten Auf¬
gaben sie sich gestellt und wie viel sie zur sachlichen Bildung beigetragen
haben mögen: gleich tüchtige, ernst sachliche, auf ein reiches Material und eigne
Erfahrung gestützte, gleich formell abgerundete, klar übersichtliche Arbeiten hätten
nicht viele, aber doch manche tüchtige Ingenieure von ausgebreiteter technischer
Bildung und literarischem Talent geben können. Zu den oben erwähnten Dar¬
stellungen, unter denen sich eine Anzahl von wirklichen Meisterstücken finden,
gehört aber eben die in ihrer Art einzige Verbindung so grundverschiedner Be¬
gabungen, reichster Lebenserfahrungen und manuichfaltigster Eindrücke in einer
Seele und die besten dieser Skizzen tragen ohne Frage die Bürgschaft langnach¬
wirkender Dauer in sich.

Während zwischen den ernstgenommenen Verpflichtungen seiner Stellung,
zwischen zahlreichen Reisen, deren viele im amtlichen Austrag wie zu Studicn-
zwecke erfolgten und die sich wiederholt nach Frankreich, England, Belgien, später
nach Schweden und Norwegen, nach der Schweiz und Italien erstreckten, und
der Arbeit an wissenschaftlich-technischen Schriften die in Rede stehenden Skizzen
in längern Zwischenräumen entstanden, fühlte sich Weber auch zu einem größern
außerhalb seines Fachkreises liegenden Buche, das zugleich ein Act der Pietät
war, zu einer Biographie seines Vaters gedrungen. In langjähriger ernster Arbeit
entstand das Lebensbild "Carl Maria von Weber," das im Jahre 1864 endlich
erschien. Nicht frei von einer zu großen Breite und einzelnen pretiösen Stil¬
wendungen, zeugte dies Buch andrerseits von gründlichen historischen und kunst¬
historischen Studien, enthielt Partien von einer wunderbaren Lebendigkeit, in denen
vergangne Situationen und Tage so farbig-anschaulich geschildert wurden, als
habe sie Weber selbst mit erlebt. Es war die erste wirklich zuverlässige Biographie
des großen Tondichters. Uebrigens konnte es nicht fehlen, daß die Herausgabe
dieser Arbeit dem Sohne neben Ehren.und Anerkennungen anch unfreundliche
Urtheile eintrug: seine Anschauungen über Menschen und Zustände der zwanziger
und dreißiger Jahre unsres Jahrhunderts erschienen in vielen Kreisen zu herb
und zu rücksichtslos.

Im Jahre 1870 verließ Weber, wie Eingangs erzählt ist, seinen lang¬
jährigen Wirkungskreis und das anmuthige, von manuichfachster Geselligkeit be¬
lebte Heim, das er sich in Dresden gegründet. Bei der Vereinigung der seither
bestandnen beiden Direktionen der sächsischen StaatSbahncn in eine General-


Max Naria von Weber.

schriebncn Bilder und Skizzen Webers (oft kurzerhand „Eiseubahmivvellen" ge¬
tauft, obschon sie keineswegs alle der Eisenbahn angehören) dürfen unbedenklich
als das Beste seines Schaffens und als werthvolle Schöpfungen der Literatur
der Gegenwart bezeichnet werden. Denn wie vortrefflich die früher genannten
und später zu erwähnenden Facharbeiteu immerhin sein, welche ernsten Auf¬
gaben sie sich gestellt und wie viel sie zur sachlichen Bildung beigetragen
haben mögen: gleich tüchtige, ernst sachliche, auf ein reiches Material und eigne
Erfahrung gestützte, gleich formell abgerundete, klar übersichtliche Arbeiten hätten
nicht viele, aber doch manche tüchtige Ingenieure von ausgebreiteter technischer
Bildung und literarischem Talent geben können. Zu den oben erwähnten Dar¬
stellungen, unter denen sich eine Anzahl von wirklichen Meisterstücken finden,
gehört aber eben die in ihrer Art einzige Verbindung so grundverschiedner Be¬
gabungen, reichster Lebenserfahrungen und manuichfaltigster Eindrücke in einer
Seele und die besten dieser Skizzen tragen ohne Frage die Bürgschaft langnach¬
wirkender Dauer in sich.

Während zwischen den ernstgenommenen Verpflichtungen seiner Stellung,
zwischen zahlreichen Reisen, deren viele im amtlichen Austrag wie zu Studicn-
zwecke erfolgten und die sich wiederholt nach Frankreich, England, Belgien, später
nach Schweden und Norwegen, nach der Schweiz und Italien erstreckten, und
der Arbeit an wissenschaftlich-technischen Schriften die in Rede stehenden Skizzen
in längern Zwischenräumen entstanden, fühlte sich Weber auch zu einem größern
außerhalb seines Fachkreises liegenden Buche, das zugleich ein Act der Pietät
war, zu einer Biographie seines Vaters gedrungen. In langjähriger ernster Arbeit
entstand das Lebensbild „Carl Maria von Weber," das im Jahre 1864 endlich
erschien. Nicht frei von einer zu großen Breite und einzelnen pretiösen Stil¬
wendungen, zeugte dies Buch andrerseits von gründlichen historischen und kunst¬
historischen Studien, enthielt Partien von einer wunderbaren Lebendigkeit, in denen
vergangne Situationen und Tage so farbig-anschaulich geschildert wurden, als
habe sie Weber selbst mit erlebt. Es war die erste wirklich zuverlässige Biographie
des großen Tondichters. Uebrigens konnte es nicht fehlen, daß die Herausgabe
dieser Arbeit dem Sohne neben Ehren.und Anerkennungen anch unfreundliche
Urtheile eintrug: seine Anschauungen über Menschen und Zustände der zwanziger
und dreißiger Jahre unsres Jahrhunderts erschienen in vielen Kreisen zu herb
und zu rücksichtslos.

Im Jahre 1870 verließ Weber, wie Eingangs erzählt ist, seinen lang¬
jährigen Wirkungskreis und das anmuthige, von manuichfachster Geselligkeit be¬
lebte Heim, das er sich in Dresden gegründet. Bei der Vereinigung der seither
bestandnen beiden Direktionen der sächsischen StaatSbahncn in eine General-


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[0179] Max Naria von Weber. schriebncn Bilder und Skizzen Webers (oft kurzerhand „Eiseubahmivvellen" ge¬ tauft, obschon sie keineswegs alle der Eisenbahn angehören) dürfen unbedenklich als das Beste seines Schaffens und als werthvolle Schöpfungen der Literatur der Gegenwart bezeichnet werden. Denn wie vortrefflich die früher genannten und später zu erwähnenden Facharbeiteu immerhin sein, welche ernsten Auf¬ gaben sie sich gestellt und wie viel sie zur sachlichen Bildung beigetragen haben mögen: gleich tüchtige, ernst sachliche, auf ein reiches Material und eigne Erfahrung gestützte, gleich formell abgerundete, klar übersichtliche Arbeiten hätten nicht viele, aber doch manche tüchtige Ingenieure von ausgebreiteter technischer Bildung und literarischem Talent geben können. Zu den oben erwähnten Dar¬ stellungen, unter denen sich eine Anzahl von wirklichen Meisterstücken finden, gehört aber eben die in ihrer Art einzige Verbindung so grundverschiedner Be¬ gabungen, reichster Lebenserfahrungen und manuichfaltigster Eindrücke in einer Seele und die besten dieser Skizzen tragen ohne Frage die Bürgschaft langnach¬ wirkender Dauer in sich. Während zwischen den ernstgenommenen Verpflichtungen seiner Stellung, zwischen zahlreichen Reisen, deren viele im amtlichen Austrag wie zu Studicn- zwecke erfolgten und die sich wiederholt nach Frankreich, England, Belgien, später nach Schweden und Norwegen, nach der Schweiz und Italien erstreckten, und der Arbeit an wissenschaftlich-technischen Schriften die in Rede stehenden Skizzen in längern Zwischenräumen entstanden, fühlte sich Weber auch zu einem größern außerhalb seines Fachkreises liegenden Buche, das zugleich ein Act der Pietät war, zu einer Biographie seines Vaters gedrungen. In langjähriger ernster Arbeit entstand das Lebensbild „Carl Maria von Weber," das im Jahre 1864 endlich erschien. Nicht frei von einer zu großen Breite und einzelnen pretiösen Stil¬ wendungen, zeugte dies Buch andrerseits von gründlichen historischen und kunst¬ historischen Studien, enthielt Partien von einer wunderbaren Lebendigkeit, in denen vergangne Situationen und Tage so farbig-anschaulich geschildert wurden, als habe sie Weber selbst mit erlebt. Es war die erste wirklich zuverlässige Biographie des großen Tondichters. Uebrigens konnte es nicht fehlen, daß die Herausgabe dieser Arbeit dem Sohne neben Ehren.und Anerkennungen anch unfreundliche Urtheile eintrug: seine Anschauungen über Menschen und Zustände der zwanziger und dreißiger Jahre unsres Jahrhunderts erschienen in vielen Kreisen zu herb und zu rücksichtslos. Im Jahre 1870 verließ Weber, wie Eingangs erzählt ist, seinen lang¬ jährigen Wirkungskreis und das anmuthige, von manuichfachster Geselligkeit be¬ lebte Heim, das er sich in Dresden gegründet. Bei der Vereinigung der seither bestandnen beiden Direktionen der sächsischen StaatSbahncn in eine General-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/179>, abgerufen am 24.07.2024.