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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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im eigentlichsten Sinne des Worts. Dann ging er nach Belgien und England,
wo man die Techniker in der Weise der alten Künstler dadurch zu bilden suchte,
daß sich die jüngern Befähigungen und Kräfte an die Meister der neuen geistigen
Weltmacht anschlössen, in den Bureaus und bei den Unternehmungen der großen
und namhaften Ingenieure mit arbeiteten. Mnx Maria von Weber fand Auf¬
nahme bei Jsmnbert Brunek, der den Themsetuunel, die Great-Western-Eisenbahn
(von London nach Bristol), die Kettenbrücke von Hungerford und die riesigen
Docks von Cardiff und Sundcrland geschaffen und zu Anfang der vierziger
Jahre die zahlreichsten und größten Aufträge nächst Stephenson hatte. Die
Vortheile, welche ihm sein Aufenthalt in England gebracht, schlug unser Ingenieur
auch in spätern Jahren so hoch an, daß er eine entschiedne Vorliebe für die Art
der englischen Jngenieurbildung bewahrte und bis zur Ungerechtigkeit, ja bis zum
Vergessen trieb, daß sich die eigenthümlichen Verhältnisse Englands nicht Wohl
nach dem Continent und am allerwenigsten nach Deutschland übertragen lassen.
Während der Zeit seiner englischen Studien hatte er auch eine Pflicht zugleich
herzerhcbender und Herzbedrückelider Pietät zu erfüllen, er besorgte die Verhand¬
lungen, nach denen die Leiche seines gefeierten Vaters der Gruft in Se. Mary
in Mvvrfieldö, in der sie 1826 bestattet worden, entnommen und nach Dresden
überführt wurde. Nach seiner Heimkehr ans England begann für ihn die Zeit
der praktischen Wirksamkeit. In verschiednen Stellungen war er an verschiednen
der damals neu entstehenden Eisenbahnen thätig, Ausgang der vierziger Jahre,
um die Zeit seiner Verheirathung, bekleidete er das Amt eines "Maschinenmeisters"
der Chemnitz-Riesaer Eisenbahn. Damals veröffentlichte er auch seine ersten
literarischen Arbeite", von denen die kleinen Schriften "Das Cen tratst) Stein"
und "Das Tantiömesystem" Zeugniß für seine wirthschaftliche Bildung, andre
Veröffentlichungen für eine gewisse poetische Begabung, ein höchst eigenartiges
poetisches Naturell ablegten. Einen so modernen praktischen Beruf sich der Sohn
deS romantischen Componisten erwählt und so glücklich dies im ganzen für ihn
gewesen: ein Anhauch von der Romantik des Vaters war doch auf ihn über¬
gegangen und trat nicht nur in formell schönen Sonetten, in dem (1852 heraus-
gegebnen aber viel früher entstandnen) Romanzeueyelus "Rolands Gralfahrt",
sondern in manchem. Zug seines Lebens und Genießens, namentlich auch in der
immer gleich frischen unermüdlichen Wärter- und Reiselust zu Tage.

18S0 trat Max von Weber in deu sächsischen Staatsdienst und zwar als
Director der eben damals neuerrichteten Staatstelegraphen. Schon zwei Jahre
später wurde er technisches Mitglied der Staatseiscnbahnverivaltung (zuerst als
Director der sächsisch-böhmischen Staatseiseubahnlinie Dresden-Bvdeubach, dann
mit dem Titel eines Finanzrathes als Glied der Generaldireetion der östlichen


Max Maria von !vol>er.

im eigentlichsten Sinne des Worts. Dann ging er nach Belgien und England,
wo man die Techniker in der Weise der alten Künstler dadurch zu bilden suchte,
daß sich die jüngern Befähigungen und Kräfte an die Meister der neuen geistigen
Weltmacht anschlössen, in den Bureaus und bei den Unternehmungen der großen
und namhaften Ingenieure mit arbeiteten. Mnx Maria von Weber fand Auf¬
nahme bei Jsmnbert Brunek, der den Themsetuunel, die Great-Western-Eisenbahn
(von London nach Bristol), die Kettenbrücke von Hungerford und die riesigen
Docks von Cardiff und Sundcrland geschaffen und zu Anfang der vierziger
Jahre die zahlreichsten und größten Aufträge nächst Stephenson hatte. Die
Vortheile, welche ihm sein Aufenthalt in England gebracht, schlug unser Ingenieur
auch in spätern Jahren so hoch an, daß er eine entschiedne Vorliebe für die Art
der englischen Jngenieurbildung bewahrte und bis zur Ungerechtigkeit, ja bis zum
Vergessen trieb, daß sich die eigenthümlichen Verhältnisse Englands nicht Wohl
nach dem Continent und am allerwenigsten nach Deutschland übertragen lassen.
Während der Zeit seiner englischen Studien hatte er auch eine Pflicht zugleich
herzerhcbender und Herzbedrückelider Pietät zu erfüllen, er besorgte die Verhand¬
lungen, nach denen die Leiche seines gefeierten Vaters der Gruft in Se. Mary
in Mvvrfieldö, in der sie 1826 bestattet worden, entnommen und nach Dresden
überführt wurde. Nach seiner Heimkehr ans England begann für ihn die Zeit
der praktischen Wirksamkeit. In verschiednen Stellungen war er an verschiednen
der damals neu entstehenden Eisenbahnen thätig, Ausgang der vierziger Jahre,
um die Zeit seiner Verheirathung, bekleidete er das Amt eines „Maschinenmeisters"
der Chemnitz-Riesaer Eisenbahn. Damals veröffentlichte er auch seine ersten
literarischen Arbeite», von denen die kleinen Schriften „Das Cen tratst) Stein"
und „Das Tantiömesystem" Zeugniß für seine wirthschaftliche Bildung, andre
Veröffentlichungen für eine gewisse poetische Begabung, ein höchst eigenartiges
poetisches Naturell ablegten. Einen so modernen praktischen Beruf sich der Sohn
deS romantischen Componisten erwählt und so glücklich dies im ganzen für ihn
gewesen: ein Anhauch von der Romantik des Vaters war doch auf ihn über¬
gegangen und trat nicht nur in formell schönen Sonetten, in dem (1852 heraus-
gegebnen aber viel früher entstandnen) Romanzeueyelus „Rolands Gralfahrt",
sondern in manchem. Zug seines Lebens und Genießens, namentlich auch in der
immer gleich frischen unermüdlichen Wärter- und Reiselust zu Tage.

18S0 trat Max von Weber in deu sächsischen Staatsdienst und zwar als
Director der eben damals neuerrichteten Staatstelegraphen. Schon zwei Jahre
später wurde er technisches Mitglied der Staatseiscnbahnverivaltung (zuerst als
Director der sächsisch-böhmischen Staatseiseubahnlinie Dresden-Bvdeubach, dann
mit dem Titel eines Finanzrathes als Glied der Generaldireetion der östlichen


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[0177] Max Maria von !vol>er. im eigentlichsten Sinne des Worts. Dann ging er nach Belgien und England, wo man die Techniker in der Weise der alten Künstler dadurch zu bilden suchte, daß sich die jüngern Befähigungen und Kräfte an die Meister der neuen geistigen Weltmacht anschlössen, in den Bureaus und bei den Unternehmungen der großen und namhaften Ingenieure mit arbeiteten. Mnx Maria von Weber fand Auf¬ nahme bei Jsmnbert Brunek, der den Themsetuunel, die Great-Western-Eisenbahn (von London nach Bristol), die Kettenbrücke von Hungerford und die riesigen Docks von Cardiff und Sundcrland geschaffen und zu Anfang der vierziger Jahre die zahlreichsten und größten Aufträge nächst Stephenson hatte. Die Vortheile, welche ihm sein Aufenthalt in England gebracht, schlug unser Ingenieur auch in spätern Jahren so hoch an, daß er eine entschiedne Vorliebe für die Art der englischen Jngenieurbildung bewahrte und bis zur Ungerechtigkeit, ja bis zum Vergessen trieb, daß sich die eigenthümlichen Verhältnisse Englands nicht Wohl nach dem Continent und am allerwenigsten nach Deutschland übertragen lassen. Während der Zeit seiner englischen Studien hatte er auch eine Pflicht zugleich herzerhcbender und Herzbedrückelider Pietät zu erfüllen, er besorgte die Verhand¬ lungen, nach denen die Leiche seines gefeierten Vaters der Gruft in Se. Mary in Mvvrfieldö, in der sie 1826 bestattet worden, entnommen und nach Dresden überführt wurde. Nach seiner Heimkehr ans England begann für ihn die Zeit der praktischen Wirksamkeit. In verschiednen Stellungen war er an verschiednen der damals neu entstehenden Eisenbahnen thätig, Ausgang der vierziger Jahre, um die Zeit seiner Verheirathung, bekleidete er das Amt eines „Maschinenmeisters" der Chemnitz-Riesaer Eisenbahn. Damals veröffentlichte er auch seine ersten literarischen Arbeite», von denen die kleinen Schriften „Das Cen tratst) Stein" und „Das Tantiömesystem" Zeugniß für seine wirthschaftliche Bildung, andre Veröffentlichungen für eine gewisse poetische Begabung, ein höchst eigenartiges poetisches Naturell ablegten. Einen so modernen praktischen Beruf sich der Sohn deS romantischen Componisten erwählt und so glücklich dies im ganzen für ihn gewesen: ein Anhauch von der Romantik des Vaters war doch auf ihn über¬ gegangen und trat nicht nur in formell schönen Sonetten, in dem (1852 heraus- gegebnen aber viel früher entstandnen) Romanzeueyelus „Rolands Gralfahrt", sondern in manchem. Zug seines Lebens und Genießens, namentlich auch in der immer gleich frischen unermüdlichen Wärter- und Reiselust zu Tage. 18S0 trat Max von Weber in deu sächsischen Staatsdienst und zwar als Director der eben damals neuerrichteten Staatstelegraphen. Schon zwei Jahre später wurde er technisches Mitglied der Staatseiscnbahnverivaltung (zuerst als Director der sächsisch-böhmischen Staatseiseubahnlinie Dresden-Bvdeubach, dann mit dem Titel eines Finanzrathes als Glied der Generaldireetion der östlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/177>, abgerufen am 24.07.2024.