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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Lin Jugendfreund Goethes.

Kolina entsprechen größtentheils der Goethischen Fassttiig in Werthes Leiden. Von
"Fingal in Lochlin" und "Jnamornla" sind bis jetzt nur die eingelegten Gesänge
zu finden gewesen. Besonders gerühmt wird die Musik zu dem in tiefen Schmerz
getauchten Monolog der gefesselten Kombaua: "Torkul, mit Locken des Alters,"
die or. W, Ruft ein Meisterstück declamatorischen Gesanges nennt, das in seiner
ernsten, fast rauhen und finstern Weise die Poesie des Nordens in unübertrefflicher
Weise wiedergiebt. Man wird kaum irren, wenn man die damalige Vorliebe der
dichterischen und musikalischen Production in Dessau für Ossian mit Goethes Be¬
suchen (177ö, 1778, 1781) zusammenbringt; hatte schon die Lectüre von Werthers
Leiden überall für Ossian begeistert, wie mußte es die persönliche Erscheinung des
Dichters selbst. Erwägt mau die Beziehungen Goethes zu Behrisch und durch diesen
zu Ruft, der u, a, auch znerst Goethes "Der dn vom Himmel bist" in Musik setzte,
so ist der Gedanke, daß Goethe selbst den genannten theatralischen Werken nicht
fern gestanden, durchaus nicht schlechthin abzuweisen.

Um diese Zeit der erwachenden Poesie in Dessau mag es auch gewesen sein,
daß Behrisch der Fürstin eine Auswahl seiner Lieder überreichte. Das Geschenk
selbst ist bis setzt nicht aufzufinden gewesen, doch besitzen wir noch in Bchrischs
Handschrift das Widmnngsgedicht.


An
meine Lieder
als sie
Jhro der Fürstin Hoheit
überreicht werden sollten.
Was fürchtet ihr, ihr kleinen Lieder?
Geht nur getrost auf euren Ruf
Und glaubt, mit Lächeln blickt auf euch die Fürstin nieder,
Aus deren Worten ich einst euer bestes schuf*)
Ja, Ihre Huld und Ihres Gatten Güte
Entwölkte das voll Gram heuchelte Gemüthe,
Goß Leben und Gefühl in mein crstorbncs Herz;
Der es verschlossen hielt, entfloh, -- der flumina Schmerze)
Ich lernte wiederum empfinden,
Und zu Empfindungen bald wieder Töne finden.
So treibt mit sanfter Macht die milde Friihlingssouuc
Den Winter von der Flur,
Und welket zu Gefühl und Wonne
Die schlummernde Natur.
Daun duftet wiederum die Rose,
Dann rauschet uns der Wasserfall,
Dann horchen wir auf zartem Moose
Dem Liede einer Nachtigall.



*) Das Hirtenlied, welches bei einem reizzendcn ländlichen Feste gesungen ward, das
Ihre Hoheit für Ihren Gemahl in Wörlitz anstellten.
**) Deu Schmerz über die Vernichtung einiger gegründeter Hofnungen, und manchen
einem empfindlichen Herzen wichtigen Verlust.
Lin Jugendfreund Goethes.

Kolina entsprechen größtentheils der Goethischen Fassttiig in Werthes Leiden. Von
„Fingal in Lochlin" und „Jnamornla" sind bis jetzt nur die eingelegten Gesänge
zu finden gewesen. Besonders gerühmt wird die Musik zu dem in tiefen Schmerz
getauchten Monolog der gefesselten Kombaua: „Torkul, mit Locken des Alters,"
die or. W, Ruft ein Meisterstück declamatorischen Gesanges nennt, das in seiner
ernsten, fast rauhen und finstern Weise die Poesie des Nordens in unübertrefflicher
Weise wiedergiebt. Man wird kaum irren, wenn man die damalige Vorliebe der
dichterischen und musikalischen Production in Dessau für Ossian mit Goethes Be¬
suchen (177ö, 1778, 1781) zusammenbringt; hatte schon die Lectüre von Werthers
Leiden überall für Ossian begeistert, wie mußte es die persönliche Erscheinung des
Dichters selbst. Erwägt mau die Beziehungen Goethes zu Behrisch und durch diesen
zu Ruft, der u, a, auch znerst Goethes „Der dn vom Himmel bist" in Musik setzte,
so ist der Gedanke, daß Goethe selbst den genannten theatralischen Werken nicht
fern gestanden, durchaus nicht schlechthin abzuweisen.

Um diese Zeit der erwachenden Poesie in Dessau mag es auch gewesen sein,
daß Behrisch der Fürstin eine Auswahl seiner Lieder überreichte. Das Geschenk
selbst ist bis setzt nicht aufzufinden gewesen, doch besitzen wir noch in Bchrischs
Handschrift das Widmnngsgedicht.


An
meine Lieder
als sie
Jhro der Fürstin Hoheit
überreicht werden sollten.
Was fürchtet ihr, ihr kleinen Lieder?
Geht nur getrost auf euren Ruf
Und glaubt, mit Lächeln blickt auf euch die Fürstin nieder,
Aus deren Worten ich einst euer bestes schuf*)
Ja, Ihre Huld und Ihres Gatten Güte
Entwölkte das voll Gram heuchelte Gemüthe,
Goß Leben und Gefühl in mein crstorbncs Herz;
Der es verschlossen hielt, entfloh, -- der flumina Schmerze)
Ich lernte wiederum empfinden,
Und zu Empfindungen bald wieder Töne finden.
So treibt mit sanfter Macht die milde Friihlingssouuc
Den Winter von der Flur,
Und welket zu Gefühl und Wonne
Die schlummernde Natur.
Daun duftet wiederum die Rose,
Dann rauschet uns der Wasserfall,
Dann horchen wir auf zartem Moose
Dem Liede einer Nachtigall.



*) Das Hirtenlied, welches bei einem reizzendcn ländlichen Feste gesungen ward, das
Ihre Hoheit für Ihren Gemahl in Wörlitz anstellten.
**) Deu Schmerz über die Vernichtung einiger gegründeter Hofnungen, und manchen
einem empfindlichen Herzen wichtigen Verlust.
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[0159] Lin Jugendfreund Goethes. Kolina entsprechen größtentheils der Goethischen Fassttiig in Werthes Leiden. Von „Fingal in Lochlin" und „Jnamornla" sind bis jetzt nur die eingelegten Gesänge zu finden gewesen. Besonders gerühmt wird die Musik zu dem in tiefen Schmerz getauchten Monolog der gefesselten Kombaua: „Torkul, mit Locken des Alters," die or. W, Ruft ein Meisterstück declamatorischen Gesanges nennt, das in seiner ernsten, fast rauhen und finstern Weise die Poesie des Nordens in unübertrefflicher Weise wiedergiebt. Man wird kaum irren, wenn man die damalige Vorliebe der dichterischen und musikalischen Production in Dessau für Ossian mit Goethes Be¬ suchen (177ö, 1778, 1781) zusammenbringt; hatte schon die Lectüre von Werthers Leiden überall für Ossian begeistert, wie mußte es die persönliche Erscheinung des Dichters selbst. Erwägt mau die Beziehungen Goethes zu Behrisch und durch diesen zu Ruft, der u, a, auch znerst Goethes „Der dn vom Himmel bist" in Musik setzte, so ist der Gedanke, daß Goethe selbst den genannten theatralischen Werken nicht fern gestanden, durchaus nicht schlechthin abzuweisen. Um diese Zeit der erwachenden Poesie in Dessau mag es auch gewesen sein, daß Behrisch der Fürstin eine Auswahl seiner Lieder überreichte. Das Geschenk selbst ist bis setzt nicht aufzufinden gewesen, doch besitzen wir noch in Bchrischs Handschrift das Widmnngsgedicht. An meine Lieder als sie Jhro der Fürstin Hoheit überreicht werden sollten. Was fürchtet ihr, ihr kleinen Lieder? Geht nur getrost auf euren Ruf Und glaubt, mit Lächeln blickt auf euch die Fürstin nieder, Aus deren Worten ich einst euer bestes schuf*) Ja, Ihre Huld und Ihres Gatten Güte Entwölkte das voll Gram heuchelte Gemüthe, Goß Leben und Gefühl in mein crstorbncs Herz; Der es verschlossen hielt, entfloh, -- der flumina Schmerze) Ich lernte wiederum empfinden, Und zu Empfindungen bald wieder Töne finden. So treibt mit sanfter Macht die milde Friihlingssouuc Den Winter von der Flur, Und welket zu Gefühl und Wonne Die schlummernde Natur. Daun duftet wiederum die Rose, Dann rauschet uns der Wasserfall, Dann horchen wir auf zartem Moose Dem Liede einer Nachtigall. *) Das Hirtenlied, welches bei einem reizzendcn ländlichen Feste gesungen ward, das Ihre Hoheit für Ihren Gemahl in Wörlitz anstellten. **) Deu Schmerz über die Vernichtung einiger gegründeter Hofnungen, und manchen einem empfindlichen Herzen wichtigen Verlust.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/159>, abgerufen am 01.07.2024.