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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Lstiennes.

mich in Homburg zu etabliren, mitzutheilen und um einen Paß für mich und
meine Sachen zu bitten. Aber ich hatte mich sehr verrechnet, denn sie antworteten
mir einstimmig, daß sie es mir verböten, und befahlen mir meine Familie zurück¬
kommen zu lassen.

Jetzt erkannte ich den Fehler, den ich gemacht, mich in den Käfig zu be¬
geben. Ich fand unsre Kirche zerstört und sah unsre lieben Prediger Ancillon,
de Comblcs, Baneelin und Jolly genöthigt, ihre Gemeinde, Kinder und Güter
zu verlassen. Sie schifften sich alle vier mit ihren Frauen ein, um sich nach
Frankfurt zurttckzuzieheu, mit einer Standhaftigkeit, welche uns viel Thränen
vergießen ließ. Die Thorwache hatte Befehl, ihre Strenge zu verdoppeln, um
die Auswanderung der Reformirten zu verhindern, welche keinen Paß hatten.
Dies brachte unsre arme Gemeinde zur Verzweiflung, und es waren wenige, welche
den Muth zum Auswandern hatten. Ich hatte insbesondre viele Angriffe aus¬
zuhalten, denn mein Schwager Gremecieux, ein schwacher und leicht bestimmbarer
Mensch von abscheulichem Charakter, zog sich mit seiner Mutter in das Haus
der Neubekehrten zurück und erklärte sich sür die Papisten. Dieser Schritt ver¬
ursachte der Mutter großen Verdruß, welche mich bat, mit ihrem Sohne zu
sprechen, um ihm seinen Fehler vorzuhalten und zu suchen, ihn mit Sanftmuth
zurückzuführen. Ich ging also nach diesem Hause und verlangte ihn zu sprechen,
was mir bewilligt wurde. Ich redete bestmöglichst mit ihm, da er aber sehr
unwissend war, so blieb er bei seiner Halsstarrigkeit. Er rächte sich an mir, indem
er den Jesuiten, seinen Directoren, anzeigte, daß ich meine schwangere Frau weg¬
geschickt habe, damit sie außer dem Königreiche niederkomme. Da dies gegen
die neuen Edicte war, so brachten diese Brauseväter ihre Klagen darüber beim
Procureur des Königs an. Er gab sogleich den Befehl gegen mich, daß ich persönlich
erscheine und so lange mit Arrest belegt werde, bis meine Frau wieder zurück sei.

Da dies aber durch den Criminal-Lieutenant sollte ausgeführt werden,
welcher sanftem Geistes und überdies zu meinen Gunsten gewonnen war, durch
Herrn Tibergeau, Provinzial-Commissair der Artillerie, einen meiner guten Freunde,
so wurde der Befehl milder gehandhabt.

, Er sprach sogar mit Herrn Le Roh, dem Platzcommandanten, und benach¬
richtigte mich mit vieler Güte von allem was er gethan, was mich ein wenig
beruhigte. Nachdem ich ihm dafür gedankt hatte, stellte ich ihm den traurigen
Zustand vor, in dem sich meine Familie zu Homburg befand, wo sie, wenn man
mir nicht die Erlaubniß gäbe, ihr einiges Bettzeug zu schicken, genöthigt sein
würde, auf Stroh zu schlafen. "Wenn Sie mich früher davon benachrichtigt
hätten, so würde ich schon dafür gesorgt haben, und ich gehe sogleich hin, dafür
zu sorgen," antwortete er mir.


Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Lstiennes.

mich in Homburg zu etabliren, mitzutheilen und um einen Paß für mich und
meine Sachen zu bitten. Aber ich hatte mich sehr verrechnet, denn sie antworteten
mir einstimmig, daß sie es mir verböten, und befahlen mir meine Familie zurück¬
kommen zu lassen.

Jetzt erkannte ich den Fehler, den ich gemacht, mich in den Käfig zu be¬
geben. Ich fand unsre Kirche zerstört und sah unsre lieben Prediger Ancillon,
de Comblcs, Baneelin und Jolly genöthigt, ihre Gemeinde, Kinder und Güter
zu verlassen. Sie schifften sich alle vier mit ihren Frauen ein, um sich nach
Frankfurt zurttckzuzieheu, mit einer Standhaftigkeit, welche uns viel Thränen
vergießen ließ. Die Thorwache hatte Befehl, ihre Strenge zu verdoppeln, um
die Auswanderung der Reformirten zu verhindern, welche keinen Paß hatten.
Dies brachte unsre arme Gemeinde zur Verzweiflung, und es waren wenige, welche
den Muth zum Auswandern hatten. Ich hatte insbesondre viele Angriffe aus¬
zuhalten, denn mein Schwager Gremecieux, ein schwacher und leicht bestimmbarer
Mensch von abscheulichem Charakter, zog sich mit seiner Mutter in das Haus
der Neubekehrten zurück und erklärte sich sür die Papisten. Dieser Schritt ver¬
ursachte der Mutter großen Verdruß, welche mich bat, mit ihrem Sohne zu
sprechen, um ihm seinen Fehler vorzuhalten und zu suchen, ihn mit Sanftmuth
zurückzuführen. Ich ging also nach diesem Hause und verlangte ihn zu sprechen,
was mir bewilligt wurde. Ich redete bestmöglichst mit ihm, da er aber sehr
unwissend war, so blieb er bei seiner Halsstarrigkeit. Er rächte sich an mir, indem
er den Jesuiten, seinen Directoren, anzeigte, daß ich meine schwangere Frau weg¬
geschickt habe, damit sie außer dem Königreiche niederkomme. Da dies gegen
die neuen Edicte war, so brachten diese Brauseväter ihre Klagen darüber beim
Procureur des Königs an. Er gab sogleich den Befehl gegen mich, daß ich persönlich
erscheine und so lange mit Arrest belegt werde, bis meine Frau wieder zurück sei.

Da dies aber durch den Criminal-Lieutenant sollte ausgeführt werden,
welcher sanftem Geistes und überdies zu meinen Gunsten gewonnen war, durch
Herrn Tibergeau, Provinzial-Commissair der Artillerie, einen meiner guten Freunde,
so wurde der Befehl milder gehandhabt.

, Er sprach sogar mit Herrn Le Roh, dem Platzcommandanten, und benach¬
richtigte mich mit vieler Güte von allem was er gethan, was mich ein wenig
beruhigte. Nachdem ich ihm dafür gedankt hatte, stellte ich ihm den traurigen
Zustand vor, in dem sich meine Familie zu Homburg befand, wo sie, wenn man
mir nicht die Erlaubniß gäbe, ihr einiges Bettzeug zu schicken, genöthigt sein
würde, auf Stroh zu schlafen. „Wenn Sie mich früher davon benachrichtigt
hätten, so würde ich schon dafür gesorgt haben, und ich gehe sogleich hin, dafür
zu sorgen," antwortete er mir.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/145>, abgerufen am 23.07.2024.