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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Gstienncs.

Dieser Verlust our groß für uns. Aber auch unsre Feinde erlitten einen
unersetzlichen Verlust in der Person ihres Chefs, welcher, nachdem er am Ende
des Gefechts von einer Flintenkugel im Bein verwundet worden, so unglücklich
fiel, daß er sich den Kopf gefährlich verwundete und zwei Tage nachher in Shra-
kns, wohin sich seine Flotte nach dem Gefechte zurückzog, starb. Die beiden
Corps de Vataille näherten sich beinahe gar nicht wegen der Feigheit der Spanier,
welche sich immer zu sehr entfernt hielten. Die Arriere-Garde aber näherte sich
tapfer der unsrigen, da wo sich unser Schiff befand. Wir empfingen sie nicht
weniger muthig mit Flinten und Kanonendonner und fochten tapfer, bis die Nacht
uns trennte. Am andern Morgen näherten wir uns Syrakus, um unsern Feinden
die Stirn zu bieten und sie aufzufordern, das Gefecht des vorigen Abends durch
ein neues zu entscheiden. Aber die Verwundung ihres Chefs ließ sie in Unthätig-
keit beharren. So starb Ruyter, dieser Held des Meeres, welcher sich durch
tausend ruhmreiche Thaten von der untersten Stufe in der Flotte zur Würde
eines Admirallieutenants von Holland aufgeschwungen hatte. Der sein Leben
so oft den blutigsten Schlachten preisgegeben hatte, endete sein Leben bei einem
Gefechte von 4--5 Stunden. Es wäre ihm angemessener gewesen, wenn er direct
mit dem großen du Quesne zu thun gehabt hätte, welcher selbst ein großer See¬
held und allein würdig war, es mit ihm aufzunehmen.

Da wir alles, was wir thun wollten, gethan hatten, so segelten wir nach
Messina. Allein ein fürchterlicher Sturm zerstreute alle unsre Schiffe. Das
unsrige befand sich allein. Es hatte im letzten Gefechte mehrere Kanonenschüsse
in den unter dem Wasserspiegel befindlichen Theil erhalten und lief Gefahr unter¬
zugehen. Um dieses zu verhindern, mußte beständig an zwei Pumpen gearbeitet
werden. Das noch immer ungestüme Meer gewährte uns weder die Zeit noch
die Möglichkeit die Lecks zu verstopfen und hatte unsre Matrosen gänzlich ab¬
gemattet. Ein fürchterlicher Windstoß zerbrach zwei unsrer Masten auf einmal,
so daß unser Schiff sich bedenklich neigte und wir in große Gefahr versetzt wurden.

Gott erlöste uns daraus durch die Schnelligkeit unsrer Matrosen beim Zer¬
hauen des Takelwerks. Während der ganzen Nacht mußte mit pumpen fortge¬
fahren und an der Errichtung neuer Masten gearbeitet werden, welches den andern
Morgen vollbracht wurde.

Endlich langten wir zu Messina an, wo unsre Flotte sich schon versammelt
hatte. Man arbeitete sogleich an Wiederherstellung der Schiffe. Auch unsre
Galeeren, 24 an der Zahl, langten von Frankreich an. Da unsre Generäle er¬
fahren hatten, daß die Feinde sich nach Palermo zurückgezogen hätten, so be¬
schlossen sie nach einer großen Berathung, sie daselbst aufzusuchen, um sie in
Furcht zu setzen. Herr de Vivonne bestieg selbst die Flotte, welche 29 Linie"-


Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Gstienncs.

Dieser Verlust our groß für uns. Aber auch unsre Feinde erlitten einen
unersetzlichen Verlust in der Person ihres Chefs, welcher, nachdem er am Ende
des Gefechts von einer Flintenkugel im Bein verwundet worden, so unglücklich
fiel, daß er sich den Kopf gefährlich verwundete und zwei Tage nachher in Shra-
kns, wohin sich seine Flotte nach dem Gefechte zurückzog, starb. Die beiden
Corps de Vataille näherten sich beinahe gar nicht wegen der Feigheit der Spanier,
welche sich immer zu sehr entfernt hielten. Die Arriere-Garde aber näherte sich
tapfer der unsrigen, da wo sich unser Schiff befand. Wir empfingen sie nicht
weniger muthig mit Flinten und Kanonendonner und fochten tapfer, bis die Nacht
uns trennte. Am andern Morgen näherten wir uns Syrakus, um unsern Feinden
die Stirn zu bieten und sie aufzufordern, das Gefecht des vorigen Abends durch
ein neues zu entscheiden. Aber die Verwundung ihres Chefs ließ sie in Unthätig-
keit beharren. So starb Ruyter, dieser Held des Meeres, welcher sich durch
tausend ruhmreiche Thaten von der untersten Stufe in der Flotte zur Würde
eines Admirallieutenants von Holland aufgeschwungen hatte. Der sein Leben
so oft den blutigsten Schlachten preisgegeben hatte, endete sein Leben bei einem
Gefechte von 4—5 Stunden. Es wäre ihm angemessener gewesen, wenn er direct
mit dem großen du Quesne zu thun gehabt hätte, welcher selbst ein großer See¬
held und allein würdig war, es mit ihm aufzunehmen.

Da wir alles, was wir thun wollten, gethan hatten, so segelten wir nach
Messina. Allein ein fürchterlicher Sturm zerstreute alle unsre Schiffe. Das
unsrige befand sich allein. Es hatte im letzten Gefechte mehrere Kanonenschüsse
in den unter dem Wasserspiegel befindlichen Theil erhalten und lief Gefahr unter¬
zugehen. Um dieses zu verhindern, mußte beständig an zwei Pumpen gearbeitet
werden. Das noch immer ungestüme Meer gewährte uns weder die Zeit noch
die Möglichkeit die Lecks zu verstopfen und hatte unsre Matrosen gänzlich ab¬
gemattet. Ein fürchterlicher Windstoß zerbrach zwei unsrer Masten auf einmal,
so daß unser Schiff sich bedenklich neigte und wir in große Gefahr versetzt wurden.

Gott erlöste uns daraus durch die Schnelligkeit unsrer Matrosen beim Zer¬
hauen des Takelwerks. Während der ganzen Nacht mußte mit pumpen fortge¬
fahren und an der Errichtung neuer Masten gearbeitet werden, welches den andern
Morgen vollbracht wurde.

Endlich langten wir zu Messina an, wo unsre Flotte sich schon versammelt
hatte. Man arbeitete sogleich an Wiederherstellung der Schiffe. Auch unsre
Galeeren, 24 an der Zahl, langten von Frankreich an. Da unsre Generäle er¬
fahren hatten, daß die Feinde sich nach Palermo zurückgezogen hätten, so be¬
schlossen sie nach einer großen Berathung, sie daselbst aufzusuchen, um sie in
Furcht zu setzen. Herr de Vivonne bestieg selbst die Flotte, welche 29 Linie»-


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[0126] Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Gstienncs. Dieser Verlust our groß für uns. Aber auch unsre Feinde erlitten einen unersetzlichen Verlust in der Person ihres Chefs, welcher, nachdem er am Ende des Gefechts von einer Flintenkugel im Bein verwundet worden, so unglücklich fiel, daß er sich den Kopf gefährlich verwundete und zwei Tage nachher in Shra- kns, wohin sich seine Flotte nach dem Gefechte zurückzog, starb. Die beiden Corps de Vataille näherten sich beinahe gar nicht wegen der Feigheit der Spanier, welche sich immer zu sehr entfernt hielten. Die Arriere-Garde aber näherte sich tapfer der unsrigen, da wo sich unser Schiff befand. Wir empfingen sie nicht weniger muthig mit Flinten und Kanonendonner und fochten tapfer, bis die Nacht uns trennte. Am andern Morgen näherten wir uns Syrakus, um unsern Feinden die Stirn zu bieten und sie aufzufordern, das Gefecht des vorigen Abends durch ein neues zu entscheiden. Aber die Verwundung ihres Chefs ließ sie in Unthätig- keit beharren. So starb Ruyter, dieser Held des Meeres, welcher sich durch tausend ruhmreiche Thaten von der untersten Stufe in der Flotte zur Würde eines Admirallieutenants von Holland aufgeschwungen hatte. Der sein Leben so oft den blutigsten Schlachten preisgegeben hatte, endete sein Leben bei einem Gefechte von 4—5 Stunden. Es wäre ihm angemessener gewesen, wenn er direct mit dem großen du Quesne zu thun gehabt hätte, welcher selbst ein großer See¬ held und allein würdig war, es mit ihm aufzunehmen. Da wir alles, was wir thun wollten, gethan hatten, so segelten wir nach Messina. Allein ein fürchterlicher Sturm zerstreute alle unsre Schiffe. Das unsrige befand sich allein. Es hatte im letzten Gefechte mehrere Kanonenschüsse in den unter dem Wasserspiegel befindlichen Theil erhalten und lief Gefahr unter¬ zugehen. Um dieses zu verhindern, mußte beständig an zwei Pumpen gearbeitet werden. Das noch immer ungestüme Meer gewährte uns weder die Zeit noch die Möglichkeit die Lecks zu verstopfen und hatte unsre Matrosen gänzlich ab¬ gemattet. Ein fürchterlicher Windstoß zerbrach zwei unsrer Masten auf einmal, so daß unser Schiff sich bedenklich neigte und wir in große Gefahr versetzt wurden. Gott erlöste uns daraus durch die Schnelligkeit unsrer Matrosen beim Zer¬ hauen des Takelwerks. Während der ganzen Nacht mußte mit pumpen fortge¬ fahren und an der Errichtung neuer Masten gearbeitet werden, welches den andern Morgen vollbracht wurde. Endlich langten wir zu Messina an, wo unsre Flotte sich schon versammelt hatte. Man arbeitete sogleich an Wiederherstellung der Schiffe. Auch unsre Galeeren, 24 an der Zahl, langten von Frankreich an. Da unsre Generäle er¬ fahren hatten, daß die Feinde sich nach Palermo zurückgezogen hätten, so be¬ schlossen sie nach einer großen Berathung, sie daselbst aufzusuchen, um sie in Furcht zu setzen. Herr de Vivonne bestieg selbst die Flotte, welche 29 Linie»-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/126>, abgerufen am 23.07.2024.