Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
vom Torpedomesen,

des vermeintlichen Branders zu verhüten, Doch es war Alles ohne Brand und
todt. Da erfolgte die fürchterliche Explosion, Ein Uhrwerk mit eingestellter Lauf¬
dauer hatte ein Schlagwerk in Gang gesetzt, welches die Zündung ganz verborgen
bewirkte, und siebzig Centner Pulver waren in Flammen gesetzt. Die Scheide
trat aus den Ufern und setzte die Werke und Pulvermagazine der Spanier unter
Wasser, Hüuscr stürzten auf weitem Umkreise ein; die Brücke war ans hundert
Schritte ihrer Länge weggerissen, und 800 Todte nebst einer noch größern Zahl
von Verwundeten waren das schwere Opfer, welches Gianibellis Höllenmaschine
gefordert hatte. Der brave Bürgermeister Se. Adelgonde aber war nicht im
Stande gewesen oder hatte nicht gewußt, die verursachte Verwüstung und den
Schrecken richtig auszubeuten, und so gelang es der Energie des unerschrockenen
feindlichen Feldherrn, welcher selbst durch die Explosion schwer zu Boden geworfen
war, daß die Brücke noch an dem dieser Nacht folgenden Tage wieder im Bau
fertig stand.

Auch das siebzehnte Jahrhundert bekundet den Gebrauch von Brandern und
Höllenmaschinen. In einer der Seeschlachten der Franzosen unter Admiral Du-
quesne gegen die spanisch-holländische Flotte, und zwar bei Sicilien im Jahre
1676, wurden Brander mit großem Erfolge angewandt; 20 Schiffe gingen ver¬
loren, ferner beinahe S000 Mann, darunter Admiral Ruyter, der siebzigjährige
Seeheld, welcher hier seine ruhmreiche Laufbahn beschloß. Im Jahre 1693 ließen
die Engländer ein dem Antwerpener ähnliches Schiff mit 100 Ctr. Pulver Füllung
gegen Se. Malo, einen festen Platz an der französischen Nordküste, westlich von
Brest gelegen, treibe". Dasselbe strandete zwar auf einer Entfernung von einigen
100 Schritten, aber durch die Explosion wurde ein ganzer Stadttheil zerstört.
Dagegen trieb 1744 vor Toulon ein holländisches Schiff einen englischen Brander
durch Kanonenschüsse von sich zurück, und derselbe explodirte in der Ferne.

Eines der bekanntern Ereignisse ist das Verbrennen der durch die Russen
im Jahre 1770 in der Bai von Tschesme, an der kleinasiatischen Küste in der
Nähe von Smyrna eingeschlossenen türkischen Flotte. Hier ging in der That die
ganze Flotte verloren, so daß die Osmanen es erst nach mehr denn einem De-
cennium zur Aufstellung einer neuen Seemacht bringen konnten, und es sollen
Theile der Festungswerke durch die Explosionskrast der auffliegenden Kriegsschiffe
niedergelegt worden sein. Jene Zeiten der Kriege zwischen den Russen und Türken
hat Nelson zwar noch, wenig schmeichelhaft, mit Kämpfen des Einäugigen und
des Blinden verglichen, aber schon nach der exacten Kampfesweise von Sinope
würde der erfahrene Seemann gewiß der russischen Flotte den vollen Rang ein¬
geräumt haben; übrigens bleibt die That von Tschesme doch immer ein Act
kühner Unternehmungslust und großen Muthes,


vom Torpedomesen,

des vermeintlichen Branders zu verhüten, Doch es war Alles ohne Brand und
todt. Da erfolgte die fürchterliche Explosion, Ein Uhrwerk mit eingestellter Lauf¬
dauer hatte ein Schlagwerk in Gang gesetzt, welches die Zündung ganz verborgen
bewirkte, und siebzig Centner Pulver waren in Flammen gesetzt. Die Scheide
trat aus den Ufern und setzte die Werke und Pulvermagazine der Spanier unter
Wasser, Hüuscr stürzten auf weitem Umkreise ein; die Brücke war ans hundert
Schritte ihrer Länge weggerissen, und 800 Todte nebst einer noch größern Zahl
von Verwundeten waren das schwere Opfer, welches Gianibellis Höllenmaschine
gefordert hatte. Der brave Bürgermeister Se. Adelgonde aber war nicht im
Stande gewesen oder hatte nicht gewußt, die verursachte Verwüstung und den
Schrecken richtig auszubeuten, und so gelang es der Energie des unerschrockenen
feindlichen Feldherrn, welcher selbst durch die Explosion schwer zu Boden geworfen
war, daß die Brücke noch an dem dieser Nacht folgenden Tage wieder im Bau
fertig stand.

Auch das siebzehnte Jahrhundert bekundet den Gebrauch von Brandern und
Höllenmaschinen. In einer der Seeschlachten der Franzosen unter Admiral Du-
quesne gegen die spanisch-holländische Flotte, und zwar bei Sicilien im Jahre
1676, wurden Brander mit großem Erfolge angewandt; 20 Schiffe gingen ver¬
loren, ferner beinahe S000 Mann, darunter Admiral Ruyter, der siebzigjährige
Seeheld, welcher hier seine ruhmreiche Laufbahn beschloß. Im Jahre 1693 ließen
die Engländer ein dem Antwerpener ähnliches Schiff mit 100 Ctr. Pulver Füllung
gegen Se. Malo, einen festen Platz an der französischen Nordküste, westlich von
Brest gelegen, treibe». Dasselbe strandete zwar auf einer Entfernung von einigen
100 Schritten, aber durch die Explosion wurde ein ganzer Stadttheil zerstört.
Dagegen trieb 1744 vor Toulon ein holländisches Schiff einen englischen Brander
durch Kanonenschüsse von sich zurück, und derselbe explodirte in der Ferne.

Eines der bekanntern Ereignisse ist das Verbrennen der durch die Russen
im Jahre 1770 in der Bai von Tschesme, an der kleinasiatischen Küste in der
Nähe von Smyrna eingeschlossenen türkischen Flotte. Hier ging in der That die
ganze Flotte verloren, so daß die Osmanen es erst nach mehr denn einem De-
cennium zur Aufstellung einer neuen Seemacht bringen konnten, und es sollen
Theile der Festungswerke durch die Explosionskrast der auffliegenden Kriegsschiffe
niedergelegt worden sein. Jene Zeiten der Kriege zwischen den Russen und Türken
hat Nelson zwar noch, wenig schmeichelhaft, mit Kämpfen des Einäugigen und
des Blinden verglichen, aber schon nach der exacten Kampfesweise von Sinope
würde der erfahrene Seemann gewiß der russischen Flotte den vollen Rang ein¬
geräumt haben; übrigens bleibt die That von Tschesme doch immer ein Act
kühner Unternehmungslust und großen Muthes,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0011" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149583"/>
            <fw type="header" place="top"> vom Torpedomesen,</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_18" prev="#ID_17"> des vermeintlichen Branders zu verhüten, Doch es war Alles ohne Brand und<lb/>
todt. Da erfolgte die fürchterliche Explosion, Ein Uhrwerk mit eingestellter Lauf¬<lb/>
dauer hatte ein Schlagwerk in Gang gesetzt, welches die Zündung ganz verborgen<lb/>
bewirkte, und siebzig Centner Pulver waren in Flammen gesetzt. Die Scheide<lb/>
trat aus den Ufern und setzte die Werke und Pulvermagazine der Spanier unter<lb/>
Wasser, Hüuscr stürzten auf weitem Umkreise ein; die Brücke war ans hundert<lb/>
Schritte ihrer Länge weggerissen, und 800 Todte nebst einer noch größern Zahl<lb/>
von Verwundeten waren das schwere Opfer, welches Gianibellis Höllenmaschine<lb/>
gefordert hatte. Der brave Bürgermeister Se. Adelgonde aber war nicht im<lb/>
Stande gewesen oder hatte nicht gewußt, die verursachte Verwüstung und den<lb/>
Schrecken richtig auszubeuten, und so gelang es der Energie des unerschrockenen<lb/>
feindlichen Feldherrn, welcher selbst durch die Explosion schwer zu Boden geworfen<lb/>
war, daß die Brücke noch an dem dieser Nacht folgenden Tage wieder im Bau<lb/>
fertig stand.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_19"> Auch das siebzehnte Jahrhundert bekundet den Gebrauch von Brandern und<lb/>
Höllenmaschinen. In einer der Seeschlachten der Franzosen unter Admiral Du-<lb/>
quesne gegen die spanisch-holländische Flotte, und zwar bei Sicilien im Jahre<lb/>
1676, wurden Brander mit großem Erfolge angewandt; 20 Schiffe gingen ver¬<lb/>
loren, ferner beinahe S000 Mann, darunter Admiral Ruyter, der siebzigjährige<lb/>
Seeheld, welcher hier seine ruhmreiche Laufbahn beschloß. Im Jahre 1693 ließen<lb/>
die Engländer ein dem Antwerpener ähnliches Schiff mit 100 Ctr. Pulver Füllung<lb/>
gegen Se. Malo, einen festen Platz an der französischen Nordküste, westlich von<lb/>
Brest gelegen, treibe». Dasselbe strandete zwar auf einer Entfernung von einigen<lb/>
100 Schritten, aber durch die Explosion wurde ein ganzer Stadttheil zerstört.<lb/>
Dagegen trieb 1744 vor Toulon ein holländisches Schiff einen englischen Brander<lb/>
durch Kanonenschüsse von sich zurück, und derselbe explodirte in der Ferne.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_20"> Eines der bekanntern Ereignisse ist das Verbrennen der durch die Russen<lb/>
im Jahre 1770 in der Bai von Tschesme, an der kleinasiatischen Küste in der<lb/>
Nähe von Smyrna eingeschlossenen türkischen Flotte. Hier ging in der That die<lb/>
ganze Flotte verloren, so daß die Osmanen es erst nach mehr denn einem De-<lb/>
cennium zur Aufstellung einer neuen Seemacht bringen konnten, und es sollen<lb/>
Theile der Festungswerke durch die Explosionskrast der auffliegenden Kriegsschiffe<lb/>
niedergelegt worden sein. Jene Zeiten der Kriege zwischen den Russen und Türken<lb/>
hat Nelson zwar noch, wenig schmeichelhaft, mit Kämpfen des Einäugigen und<lb/>
des Blinden verglichen, aber schon nach der exacten Kampfesweise von Sinope<lb/>
würde der erfahrene Seemann gewiß der russischen Flotte den vollen Rang ein¬<lb/>
geräumt haben; übrigens bleibt die That von Tschesme doch immer ein Act<lb/>
kühner Unternehmungslust und großen Muthes,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0011] vom Torpedomesen, des vermeintlichen Branders zu verhüten, Doch es war Alles ohne Brand und todt. Da erfolgte die fürchterliche Explosion, Ein Uhrwerk mit eingestellter Lauf¬ dauer hatte ein Schlagwerk in Gang gesetzt, welches die Zündung ganz verborgen bewirkte, und siebzig Centner Pulver waren in Flammen gesetzt. Die Scheide trat aus den Ufern und setzte die Werke und Pulvermagazine der Spanier unter Wasser, Hüuscr stürzten auf weitem Umkreise ein; die Brücke war ans hundert Schritte ihrer Länge weggerissen, und 800 Todte nebst einer noch größern Zahl von Verwundeten waren das schwere Opfer, welches Gianibellis Höllenmaschine gefordert hatte. Der brave Bürgermeister Se. Adelgonde aber war nicht im Stande gewesen oder hatte nicht gewußt, die verursachte Verwüstung und den Schrecken richtig auszubeuten, und so gelang es der Energie des unerschrockenen feindlichen Feldherrn, welcher selbst durch die Explosion schwer zu Boden geworfen war, daß die Brücke noch an dem dieser Nacht folgenden Tage wieder im Bau fertig stand. Auch das siebzehnte Jahrhundert bekundet den Gebrauch von Brandern und Höllenmaschinen. In einer der Seeschlachten der Franzosen unter Admiral Du- quesne gegen die spanisch-holländische Flotte, und zwar bei Sicilien im Jahre 1676, wurden Brander mit großem Erfolge angewandt; 20 Schiffe gingen ver¬ loren, ferner beinahe S000 Mann, darunter Admiral Ruyter, der siebzigjährige Seeheld, welcher hier seine ruhmreiche Laufbahn beschloß. Im Jahre 1693 ließen die Engländer ein dem Antwerpener ähnliches Schiff mit 100 Ctr. Pulver Füllung gegen Se. Malo, einen festen Platz an der französischen Nordküste, westlich von Brest gelegen, treibe». Dasselbe strandete zwar auf einer Entfernung von einigen 100 Schritten, aber durch die Explosion wurde ein ganzer Stadttheil zerstört. Dagegen trieb 1744 vor Toulon ein holländisches Schiff einen englischen Brander durch Kanonenschüsse von sich zurück, und derselbe explodirte in der Ferne. Eines der bekanntern Ereignisse ist das Verbrennen der durch die Russen im Jahre 1770 in der Bai von Tschesme, an der kleinasiatischen Küste in der Nähe von Smyrna eingeschlossenen türkischen Flotte. Hier ging in der That die ganze Flotte verloren, so daß die Osmanen es erst nach mehr denn einem De- cennium zur Aufstellung einer neuen Seemacht bringen konnten, und es sollen Theile der Festungswerke durch die Explosionskrast der auffliegenden Kriegsschiffe niedergelegt worden sein. Jene Zeiten der Kriege zwischen den Russen und Türken hat Nelson zwar noch, wenig schmeichelhaft, mit Kämpfen des Einäugigen und des Blinden verglichen, aber schon nach der exacten Kampfesweise von Sinope würde der erfahrene Seemann gewiß der russischen Flotte den vollen Rang ein¬ geräumt haben; übrigens bleibt die That von Tschesme doch immer ein Act kühner Unternehmungslust und großen Muthes,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/11
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/11>, abgerufen am 01.07.2024.