Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.ein einzelner Mensch ist kein Mensch. Wo bleibt die sociale Gemeinschaft für Anders v. Lilienfeld. Seine Anoalogie ist eine viel enger gefaßte. Nach Da aber offenbar auch der Verkehr in der Thierwelt bereits mittelst der ein einzelner Mensch ist kein Mensch. Wo bleibt die sociale Gemeinschaft für Anders v. Lilienfeld. Seine Anoalogie ist eine viel enger gefaßte. Nach Da aber offenbar auch der Verkehr in der Thierwelt bereits mittelst der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0072" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149056"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_169" prev="#ID_168"> ein einzelner Mensch ist kein Mensch. Wo bleibt die sociale Gemeinschaft für<lb/> das eine große Jndividium „Menschheit"?</p><lb/> <p xml:id="ID_170"> Anders v. Lilienfeld. Seine Anoalogie ist eine viel enger gefaßte. Nach<lb/> ihm sind die einzelnen Personen die Zellen, aber nur Nervenzellen, sodaß die<lb/> Menschheit das höhere Nervensystem der Welt bezüglich der Erdenwelt aus¬<lb/> machen würde. Was aber die Nervenzellen „Mensch" von denen des Einzel¬<lb/> organismus unterscheidet, das ist der Umstand, daß sie den Strom geistiger<lb/> Bewegung nicht einfach unter Vermittlung der Zwischenzellsubstanz weiter<lb/> leiten, sondern daß er durch die Zwischenzellsubstanz der Natur- und<lb/> Güterwelt gebrochen wird, mittelst realer Umsetzung der sittlich geistigen<lb/> Kräfte in materielle Wirkungen und wieder umgekehrt, und daß demnach statt<lb/> der directen Reflexe die indirecten eintreten. Zur Veranschaulichung diene fol¬<lb/> gender Satz aus P. v. Lilienfeld geistvollen Ausführungen über Sprache und<lb/> Schrift. „Schon im Laut und Wort, das zwei Individuen mit einander aus¬<lb/> tauschen, liegt eine besondere Zwischensubstanz, die Lust, dazwischen, und obgleich<lb/> die aus diesem Wege übertragene Anregung gewissermaßen nur die intermediäre<lb/> Substanz momentan, sozusagen im Fluge berührt, so muß nichtsdestoweniger<lb/> doch die zwischen zwei Personen durch die Sprache vermittelte Wechselwirkung<lb/> als Folge nicht eines directen, sondern eines indirecten Reflexes angesehen werden.<lb/> Die Schriftsprache stellt einen derartigen indirecten Reflex in noch greifbarerer<lb/> materiellen Form dar. Die von einem Menschen ausgehende Kraft durchläuft<lb/> dabei die Jntercellularsubstanz nicht nur momentan, wie die mündliche Rede<lb/> die Luft, sondern wird auf lange Zeit in beharrlicher materieller Form, in der<lb/> Form der Schrift oder des Druckes, fixirt. Die von einem Menschen ausge¬<lb/> gangene geistige Kraft kann in solcher Weise eine unbestimmbar lange Zeit auf¬<lb/> bewahrt werden, gleich dem Licht und der Wärme, die ein fester Körper absor-<lb/> birt. Und sowie die Wirkung eines galvanischen Stromes nur dann erfolgt,<lb/> wenn die galvanische Batterie geschlossen wird, so erfolgt auch der Reflex voll¬<lb/> ständig erst dann, wenn durch irgend eine zweite Person die Aufnahme der in<lb/> Schrift, in Druck oder einer andern Form verkörperten geistigen Kraft erfolgt<lb/> ist. Ein neuer Reflex, eine neue Wirkung oder Anregung durch die in irgend<lb/> welcher äußern Form verborgene geistige Kraft erfolgt alsdann wieder nur bei<lb/> der Uebertragung dieser Kraft auf irgend eine neue Persönlichkeit, die sich für<lb/> die Aufnahme der entsprechenden durch diese Form, dieses Bild oder Zeichen<lb/> dargestellten Vibrationen und rhythmischen Schwingungen eignet." (I, 220.)</p><lb/> <p xml:id="ID_171" next="#ID_172"> Da aber offenbar auch der Verkehr in der Thierwelt bereits mittelst der<lb/> indirecten Reflexe vor sich geht, so entsteht die Frage, wie sich denn nun scharf<lb/> der Mensch vom Thier unterscheide. Darauf kann Lilienfeld seiner ganzen Auf¬<lb/> fassung nach keine Antwort geben; denn ihm ist ja eben die stufenförmige all-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
ein einzelner Mensch ist kein Mensch. Wo bleibt die sociale Gemeinschaft für
das eine große Jndividium „Menschheit"?
Anders v. Lilienfeld. Seine Anoalogie ist eine viel enger gefaßte. Nach
ihm sind die einzelnen Personen die Zellen, aber nur Nervenzellen, sodaß die
Menschheit das höhere Nervensystem der Welt bezüglich der Erdenwelt aus¬
machen würde. Was aber die Nervenzellen „Mensch" von denen des Einzel¬
organismus unterscheidet, das ist der Umstand, daß sie den Strom geistiger
Bewegung nicht einfach unter Vermittlung der Zwischenzellsubstanz weiter
leiten, sondern daß er durch die Zwischenzellsubstanz der Natur- und
Güterwelt gebrochen wird, mittelst realer Umsetzung der sittlich geistigen
Kräfte in materielle Wirkungen und wieder umgekehrt, und daß demnach statt
der directen Reflexe die indirecten eintreten. Zur Veranschaulichung diene fol¬
gender Satz aus P. v. Lilienfeld geistvollen Ausführungen über Sprache und
Schrift. „Schon im Laut und Wort, das zwei Individuen mit einander aus¬
tauschen, liegt eine besondere Zwischensubstanz, die Lust, dazwischen, und obgleich
die aus diesem Wege übertragene Anregung gewissermaßen nur die intermediäre
Substanz momentan, sozusagen im Fluge berührt, so muß nichtsdestoweniger
doch die zwischen zwei Personen durch die Sprache vermittelte Wechselwirkung
als Folge nicht eines directen, sondern eines indirecten Reflexes angesehen werden.
Die Schriftsprache stellt einen derartigen indirecten Reflex in noch greifbarerer
materiellen Form dar. Die von einem Menschen ausgehende Kraft durchläuft
dabei die Jntercellularsubstanz nicht nur momentan, wie die mündliche Rede
die Luft, sondern wird auf lange Zeit in beharrlicher materieller Form, in der
Form der Schrift oder des Druckes, fixirt. Die von einem Menschen ausge¬
gangene geistige Kraft kann in solcher Weise eine unbestimmbar lange Zeit auf¬
bewahrt werden, gleich dem Licht und der Wärme, die ein fester Körper absor-
birt. Und sowie die Wirkung eines galvanischen Stromes nur dann erfolgt,
wenn die galvanische Batterie geschlossen wird, so erfolgt auch der Reflex voll¬
ständig erst dann, wenn durch irgend eine zweite Person die Aufnahme der in
Schrift, in Druck oder einer andern Form verkörperten geistigen Kraft erfolgt
ist. Ein neuer Reflex, eine neue Wirkung oder Anregung durch die in irgend
welcher äußern Form verborgene geistige Kraft erfolgt alsdann wieder nur bei
der Uebertragung dieser Kraft auf irgend eine neue Persönlichkeit, die sich für
die Aufnahme der entsprechenden durch diese Form, dieses Bild oder Zeichen
dargestellten Vibrationen und rhythmischen Schwingungen eignet." (I, 220.)
Da aber offenbar auch der Verkehr in der Thierwelt bereits mittelst der
indirecten Reflexe vor sich geht, so entsteht die Frage, wie sich denn nun scharf
der Mensch vom Thier unterscheide. Darauf kann Lilienfeld seiner ganzen Auf¬
fassung nach keine Antwort geben; denn ihm ist ja eben die stufenförmige all-
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