Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.Lin Wendepunkt in der Gesellschaftslehre. mählich höher steigende Entwicklung Voraussetzung seiner ganzen Anschauung. Hier tauchen doch wesentliche Bedenken auf, denen auch Schäffle mit seiner Völlig unerklärlich bliebe freilich auch so noch die wenn auch bisher noch Lin Wendepunkt in der Gesellschaftslehre. mählich höher steigende Entwicklung Voraussetzung seiner ganzen Anschauung. Hier tauchen doch wesentliche Bedenken auf, denen auch Schäffle mit seiner Völlig unerklärlich bliebe freilich auch so noch die wenn auch bisher noch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0073" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149057"/> <fw type="header" place="top"> Lin Wendepunkt in der Gesellschaftslehre.</fw><lb/> <p xml:id="ID_172" prev="#ID_171"> mählich höher steigende Entwicklung Voraussetzung seiner ganzen Anschauung.<lb/> „Dieser relative Unterschied, sagte er, kann nicht durch einen plötzlichen Ueber¬<lb/> gang aus physischen Beziehungen in geistige bedingt werden; er kann nur<lb/> das Resultat einer Verschiedenheit in der relativen Verknüpfung des physi¬<lb/> schen und des geistigen Elementes sein. Aus niedern Stufen des organischen<lb/> Lebens wird die Association der Zellen durch das Ueberwiegen des physischen<lb/> Elementes über das geistige bedingt. Je mehr wir in der organischen Natur<lb/> emporsteigen, desto mehr neigt sich dies Verhältniß zum Vortheile des geistigen<lb/> Elementes, das auf den höchsten Entwicklungsstufen des socialen Lebens immer<lb/> mehr das Uebergewicht gewinnt." Oder wie er es auch wohl in einer Formel<lb/> darstellt: Die unorganische Natur ist ein unendlich großer materieller Zähler mit<lb/> einem unendlich kleinen idealen Nenner, während die sociale Welt dem Bruch<lb/> von einem unendlich kleinen materiellen Zähler mit unendlich großem idealen<lb/> Nenner gleich wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_173"> Hier tauchen doch wesentliche Bedenken auf, denen auch Schäffle mit seiner<lb/> viel energischeren Betonung des Unterschiedes sich nicht verschlossen hat. Warum,<lb/> fragen wir, soll denn gerade die Menschheit einen einheitlichen Organismus aus¬<lb/> machen, warum nicht alle Hirsche, Wölfe, Dachse, Luchse ebenso? Und warum<lb/> verhalten sich die Thierstaaten, welche wir als Uebergänge finden, gegen ihres<lb/> Gleichen so exclusiv? — Wir meinen, ein nicht relativer, sondern specifischer<lb/> Unterschied zwischen Mensch und Thier sei doch wohl nachweisbar. Der Mensch<lb/> allein ist fähig, seinen Geist auf sich selbst zurückzuwenden, d. h. sich von an¬<lb/> dern zu unterscheiden, während das Thier sich wohl unterschieden fühlt, aber<lb/> den Unterschied sich nicht zum Bewußtsein zu bringen vermag. Daher die<lb/> Thiere nur Empfindungen in ihrer Sprache Ausdruck zu geben vermögen, ohne<lb/> im Stande zu sein, diese Empfindungslaute an verschiedene Gegenstände als<lb/> unterschiedene gewissermaßen anzuheften. Wenn aber der Mensch nicht nur<lb/> fähig, sondern gezwungen ist, seine Gedanken auf sich zurückzukehren, so ist<lb/> er ebenso gezwungen, sich in den Verhältnissen, insbesondere zu seinesgleichen,<lb/> zu erfassen, in denen er sich vorfindet. Da aber das nächste abgeschlossene<lb/> Verhältniß, in dem jeder steht, die Familie ist, so wird dadurch aus der mensch¬<lb/> lichen Familie ein Organismus. Denn seine Eigenart ist eben das, „sich in<lb/> sich selbst concentriren, die Wirkungen aller Kräfte in eins vereinigen." So<lb/> entstehen in der menschlichen Gesellschaft ganz von selbst die organischen Bild¬<lb/> ungen, zunächst auf Grund der natürlichen Abstammung. Allein auch willkür¬<lb/> lichere Vereinigungen müssen aus diesem Grunde immer ein organisches Element<lb/> mit Nothwendigkeit in sich aufnehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_174" next="#ID_175"> Völlig unerklärlich bliebe freilich auch so noch die wenn auch bisher noch<lb/> latente Existenz, ja selbst die Möglichkeit der Entstehung des großen Mensch-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0073]
Lin Wendepunkt in der Gesellschaftslehre.
mählich höher steigende Entwicklung Voraussetzung seiner ganzen Anschauung.
„Dieser relative Unterschied, sagte er, kann nicht durch einen plötzlichen Ueber¬
gang aus physischen Beziehungen in geistige bedingt werden; er kann nur
das Resultat einer Verschiedenheit in der relativen Verknüpfung des physi¬
schen und des geistigen Elementes sein. Aus niedern Stufen des organischen
Lebens wird die Association der Zellen durch das Ueberwiegen des physischen
Elementes über das geistige bedingt. Je mehr wir in der organischen Natur
emporsteigen, desto mehr neigt sich dies Verhältniß zum Vortheile des geistigen
Elementes, das auf den höchsten Entwicklungsstufen des socialen Lebens immer
mehr das Uebergewicht gewinnt." Oder wie er es auch wohl in einer Formel
darstellt: Die unorganische Natur ist ein unendlich großer materieller Zähler mit
einem unendlich kleinen idealen Nenner, während die sociale Welt dem Bruch
von einem unendlich kleinen materiellen Zähler mit unendlich großem idealen
Nenner gleich wäre.
Hier tauchen doch wesentliche Bedenken auf, denen auch Schäffle mit seiner
viel energischeren Betonung des Unterschiedes sich nicht verschlossen hat. Warum,
fragen wir, soll denn gerade die Menschheit einen einheitlichen Organismus aus¬
machen, warum nicht alle Hirsche, Wölfe, Dachse, Luchse ebenso? Und warum
verhalten sich die Thierstaaten, welche wir als Uebergänge finden, gegen ihres
Gleichen so exclusiv? — Wir meinen, ein nicht relativer, sondern specifischer
Unterschied zwischen Mensch und Thier sei doch wohl nachweisbar. Der Mensch
allein ist fähig, seinen Geist auf sich selbst zurückzuwenden, d. h. sich von an¬
dern zu unterscheiden, während das Thier sich wohl unterschieden fühlt, aber
den Unterschied sich nicht zum Bewußtsein zu bringen vermag. Daher die
Thiere nur Empfindungen in ihrer Sprache Ausdruck zu geben vermögen, ohne
im Stande zu sein, diese Empfindungslaute an verschiedene Gegenstände als
unterschiedene gewissermaßen anzuheften. Wenn aber der Mensch nicht nur
fähig, sondern gezwungen ist, seine Gedanken auf sich zurückzukehren, so ist
er ebenso gezwungen, sich in den Verhältnissen, insbesondere zu seinesgleichen,
zu erfassen, in denen er sich vorfindet. Da aber das nächste abgeschlossene
Verhältniß, in dem jeder steht, die Familie ist, so wird dadurch aus der mensch¬
lichen Familie ein Organismus. Denn seine Eigenart ist eben das, „sich in
sich selbst concentriren, die Wirkungen aller Kräfte in eins vereinigen." So
entstehen in der menschlichen Gesellschaft ganz von selbst die organischen Bild¬
ungen, zunächst auf Grund der natürlichen Abstammung. Allein auch willkür¬
lichere Vereinigungen müssen aus diesem Grunde immer ein organisches Element
mit Nothwendigkeit in sich aufnehmen.
Völlig unerklärlich bliebe freilich auch so noch die wenn auch bisher noch
latente Existenz, ja selbst die Möglichkeit der Entstehung des großen Mensch-
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