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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Gin Wendepunkt in der Gesellschaftslehre.

Föderationen, Allianzen mit den Weltkirchen, mit der Weltwirthschaft des Frei¬
handels, mit kosmopolitischen Kunst- und Wissenschaftszusammenhängen. Diese
socialen Einheiten höherer Ordnung nennen wir auch kürzer internationale Ein¬
heiten. Die Reihe der socialen Form- und Lebenseinheiten erscheint jedoch mit
den internationalen Gruppen noch nicht erschöpft. Vielmehr lebt schou die
heutige Generation der civilisirten Welt des zuversichtlichen Glaubens an eine
endliche human-kosmopolitische Einheit, an sociale Individualisirung von
noch komplexerer Art und größerem Umfang, an einen Grad universeller Einheit
... wir meinen, die Zusammenziehung aller Völkerfamilien zur menschheit¬
licher Völkerfamilie, aller Volksvermögen zur großen zusammenhängenden Güter¬
ausstellung der Menschheit... Es ist der höchste und ein gerechter Stolz
unserer Geschichtsepoche, daß sie in der Technik und im Verkehrswesen die mate¬
riellen Hilfsmittel für die stufenweise internationale und schließlich menschheitliche
Einigung der Völker und der Völkerfamilien mächtig angebahnt hat . . . Wir
lassen dahingestellt, welche und wieviele Stufen von unserer heutigen Entwick¬
lungsepoche aus noch zurückzulegen sein werden, bevor die letzte menschheitliche
Zusammenziehung aller Völker und Rassen, sowie der ganzen organischen und
anorganischen Gütersubstanz in ein menschheitliches Völkervermögen eintreten
kann, bevor ein vollendeter Weltzusammenhang menschlicher Niederlassung,
menschlichen Schutzwesens, menschlichen Stoffwechsels, menschlicher Technik und
Verkehrsorganisation, menschlichen Erkenntniß-, Gefühls- und Willenslebens er¬
reicht fein wird. Aber ein unvertilgbarer Idealismus erhält in uns die Zu¬
versicht wach, daß diese Individualisirung höchster universeller Art, eine Indi¬
vidualisirung, an die keine organische Analyse mehr hinanreicht, endlich doch
eintreten, daß sie so sicher kommen werde, als heutige Großstaaten und Reiche
von den wilden Anfängen menschlichen Daseins aus emporgewachsen sind."

Auf welcher Grundlage aber, fragt der Leser, erbaut der kühne Denker
seinen luftigen Bau? -- Auf der realsten Grundlage von der Welt, der natur¬
wissenschaftlichen, nach dem Vorgange Paul von Lilienfelds, auf dessen (nur
unter der Chiffre P. L. erschienenen) ersten Band er selber gleich 1873 mit selbst¬
loser Anerkennung in der Tübinger "Zeitschrift für die gesammte Staatswissen¬
schaft" die Aufmerksamkeit nachdrücklichst lenkte. "Die Ausführung," schrieb er
damals, "daß die sittlich geistigen Kräfte auf durchaus reale Weise durch Ver¬
mittlung der Materie und materieller Organe sich äußern, in andere Formen
realer Existenz sich umsetzen, enthält zwar nicht einen durchaus neuen Gedanken,
aber in so cousequenter Durchführung wurde, soweit unser Wissen reicht, bis
jetzt dieser Nachweis nicht versucht."

Das Neue nun in der Auffassung Lilienfelds, dem dann Schaeffle, natürlich
in durchaus eigenartiger Weise und mit der ganzen Wucht einer geschulten Kraft,


Gin Wendepunkt in der Gesellschaftslehre.

Föderationen, Allianzen mit den Weltkirchen, mit der Weltwirthschaft des Frei¬
handels, mit kosmopolitischen Kunst- und Wissenschaftszusammenhängen. Diese
socialen Einheiten höherer Ordnung nennen wir auch kürzer internationale Ein¬
heiten. Die Reihe der socialen Form- und Lebenseinheiten erscheint jedoch mit
den internationalen Gruppen noch nicht erschöpft. Vielmehr lebt schou die
heutige Generation der civilisirten Welt des zuversichtlichen Glaubens an eine
endliche human-kosmopolitische Einheit, an sociale Individualisirung von
noch komplexerer Art und größerem Umfang, an einen Grad universeller Einheit
... wir meinen, die Zusammenziehung aller Völkerfamilien zur menschheit¬
licher Völkerfamilie, aller Volksvermögen zur großen zusammenhängenden Güter¬
ausstellung der Menschheit... Es ist der höchste und ein gerechter Stolz
unserer Geschichtsepoche, daß sie in der Technik und im Verkehrswesen die mate¬
riellen Hilfsmittel für die stufenweise internationale und schließlich menschheitliche
Einigung der Völker und der Völkerfamilien mächtig angebahnt hat . . . Wir
lassen dahingestellt, welche und wieviele Stufen von unserer heutigen Entwick¬
lungsepoche aus noch zurückzulegen sein werden, bevor die letzte menschheitliche
Zusammenziehung aller Völker und Rassen, sowie der ganzen organischen und
anorganischen Gütersubstanz in ein menschheitliches Völkervermögen eintreten
kann, bevor ein vollendeter Weltzusammenhang menschlicher Niederlassung,
menschlichen Schutzwesens, menschlichen Stoffwechsels, menschlicher Technik und
Verkehrsorganisation, menschlichen Erkenntniß-, Gefühls- und Willenslebens er¬
reicht fein wird. Aber ein unvertilgbarer Idealismus erhält in uns die Zu¬
versicht wach, daß diese Individualisirung höchster universeller Art, eine Indi¬
vidualisirung, an die keine organische Analyse mehr hinanreicht, endlich doch
eintreten, daß sie so sicher kommen werde, als heutige Großstaaten und Reiche
von den wilden Anfängen menschlichen Daseins aus emporgewachsen sind."

Auf welcher Grundlage aber, fragt der Leser, erbaut der kühne Denker
seinen luftigen Bau? — Auf der realsten Grundlage von der Welt, der natur¬
wissenschaftlichen, nach dem Vorgange Paul von Lilienfelds, auf dessen (nur
unter der Chiffre P. L. erschienenen) ersten Band er selber gleich 1873 mit selbst¬
loser Anerkennung in der Tübinger „Zeitschrift für die gesammte Staatswissen¬
schaft" die Aufmerksamkeit nachdrücklichst lenkte. „Die Ausführung," schrieb er
damals, „daß die sittlich geistigen Kräfte auf durchaus reale Weise durch Ver¬
mittlung der Materie und materieller Organe sich äußern, in andere Formen
realer Existenz sich umsetzen, enthält zwar nicht einen durchaus neuen Gedanken,
aber in so cousequenter Durchführung wurde, soweit unser Wissen reicht, bis
jetzt dieser Nachweis nicht versucht."

Das Neue nun in der Auffassung Lilienfelds, dem dann Schaeffle, natürlich
in durchaus eigenartiger Weise und mit der ganzen Wucht einer geschulten Kraft,


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[0070] Gin Wendepunkt in der Gesellschaftslehre. Föderationen, Allianzen mit den Weltkirchen, mit der Weltwirthschaft des Frei¬ handels, mit kosmopolitischen Kunst- und Wissenschaftszusammenhängen. Diese socialen Einheiten höherer Ordnung nennen wir auch kürzer internationale Ein¬ heiten. Die Reihe der socialen Form- und Lebenseinheiten erscheint jedoch mit den internationalen Gruppen noch nicht erschöpft. Vielmehr lebt schou die heutige Generation der civilisirten Welt des zuversichtlichen Glaubens an eine endliche human-kosmopolitische Einheit, an sociale Individualisirung von noch komplexerer Art und größerem Umfang, an einen Grad universeller Einheit ... wir meinen, die Zusammenziehung aller Völkerfamilien zur menschheit¬ licher Völkerfamilie, aller Volksvermögen zur großen zusammenhängenden Güter¬ ausstellung der Menschheit... Es ist der höchste und ein gerechter Stolz unserer Geschichtsepoche, daß sie in der Technik und im Verkehrswesen die mate¬ riellen Hilfsmittel für die stufenweise internationale und schließlich menschheitliche Einigung der Völker und der Völkerfamilien mächtig angebahnt hat . . . Wir lassen dahingestellt, welche und wieviele Stufen von unserer heutigen Entwick¬ lungsepoche aus noch zurückzulegen sein werden, bevor die letzte menschheitliche Zusammenziehung aller Völker und Rassen, sowie der ganzen organischen und anorganischen Gütersubstanz in ein menschheitliches Völkervermögen eintreten kann, bevor ein vollendeter Weltzusammenhang menschlicher Niederlassung, menschlichen Schutzwesens, menschlichen Stoffwechsels, menschlicher Technik und Verkehrsorganisation, menschlichen Erkenntniß-, Gefühls- und Willenslebens er¬ reicht fein wird. Aber ein unvertilgbarer Idealismus erhält in uns die Zu¬ versicht wach, daß diese Individualisirung höchster universeller Art, eine Indi¬ vidualisirung, an die keine organische Analyse mehr hinanreicht, endlich doch eintreten, daß sie so sicher kommen werde, als heutige Großstaaten und Reiche von den wilden Anfängen menschlichen Daseins aus emporgewachsen sind." Auf welcher Grundlage aber, fragt der Leser, erbaut der kühne Denker seinen luftigen Bau? — Auf der realsten Grundlage von der Welt, der natur¬ wissenschaftlichen, nach dem Vorgange Paul von Lilienfelds, auf dessen (nur unter der Chiffre P. L. erschienenen) ersten Band er selber gleich 1873 mit selbst¬ loser Anerkennung in der Tübinger „Zeitschrift für die gesammte Staatswissen¬ schaft" die Aufmerksamkeit nachdrücklichst lenkte. „Die Ausführung," schrieb er damals, „daß die sittlich geistigen Kräfte auf durchaus reale Weise durch Ver¬ mittlung der Materie und materieller Organe sich äußern, in andere Formen realer Existenz sich umsetzen, enthält zwar nicht einen durchaus neuen Gedanken, aber in so cousequenter Durchführung wurde, soweit unser Wissen reicht, bis jetzt dieser Nachweis nicht versucht." Das Neue nun in der Auffassung Lilienfelds, dem dann Schaeffle, natürlich in durchaus eigenartiger Weise und mit der ganzen Wucht einer geschulten Kraft,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/70>, abgerufen am 27.12.2024.