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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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lNacchiavelli als militärischer Techniker.

nicht allein. Seit Petrarcas Tagen, der sich so heftig gegen die Feuerwaffen aus¬
gesprochen hatte, war der Haß gegen diese neuen Streitmittcl nirgends lebendiger
als in dem Italien der Condottieri, deren virtuose, auf der Willkür persönlichen
Talents beruhende Kriegsweise allerdings durch die Einführung der Feuerwaffen
empfindlichst bedroht war; denn "die Kugel ist eigensinnig." Guicciardini ging
in seiner Abneigung gegen die Artillerie so weit, daß er sie als eine "Pest"
bezeichnet und sie sogar bei Belagerungen nicht gelten lassen will, da die Schwierig¬
keiten ihres Transports und ihrer Bedienung nicht in richtigem Verhältnisse zu
dem geleisteten Nutzen stünden. In dieser Hinsicht urtheilt Macchiavelli aller¬
dings viel unbefangner. Die poliorketischen Erfolge Charles' VIII. hatten ihn
über die Bedeutung der Artillerie im Festungskriege vollkommen belehrt; in der
Schlacht aber will er das Feucrgeschütz mir zu Anfang für eine einzige Lage
benutzen, nach der er es wieder hinter das Fußvolk zurückzieht. In seiner Schlacht-
bcschreibnng nimmt er an, daß das feindliche Geschütz eine Salve giebt; "aber
die Kugeln fliegen unschädlich über die Köpfe" unsres Fußvolks. Er will auch
des störenden Pulverdampfes wegen von dem Geschütze keinen weitern Gebrauch
machen; er erklärt es für "eine unnütze Sache, sobald das Handgemenge be¬
gonnen." Diese Nichtachtung war nach dem Erfolge von Ravenna ein Anachronis¬
mus. Darin aber hat Macchiavelli vollkommen recht, daß er es für das beste
lind einzige Mittel, "das feindliche Geschütz unnütz zu machen, erklärt, daß man
sofort darauf losgeht." Dies traf zu seiner Zeit vollkommen zu (3. Buch).

Seine Gedanken über das Lagerwesen schließen sich so viel als irgend möglich
an die antike Ueberlieferung an. Alles ist mit Einsicht durchdacht und mit großer
Klarheit vorgetragen (5. Buch).

Kühn und scharfsinnig sind seine fortifieatorischen Ideen. Seit der Mitte
des 15. Jahrhunderts schon hatte der Gedanke an die Artillerie begonnen, be¬
stimmend auf die Thätigkeit der Kriegsbaumeister einzuwirken, und bald erkennen
sie als das zu lösende Problem: Möglichkeit rasanter Geschützwirkung beiAufrecht-
erhaltuug voller Sicherheit gegen Leiterersteigung. Wenn man rasante Ge¬
schützwirkung wollte, so konnte von vvrzugsweiser Aufstellung des Geschützes
auf den Thürmen, wie das bisher Sitte gewesen, nicht mehr die Rede sein.
Der Wehrgang der Mauer aber war zu schmal, um größer" Kalibern Raum
zu bieten. Man vermochte die Mauerkrone nun nicht einfacher zu verbreitern,
als indem man Erde anschüttete und so einen Wallgang hinter der Mauer schuf,
von dem aus das Geschütz feuern konnte. Eine solche "Schütte" ließ zugleich
einen Theil der Sicherheit wiedergewinnen, welche die Mauer allem gegenüber
der Gewalt des neuen Geschützes nicht mehr darbot, und darum nannten die
Franzosen das Anschütten eines solchen Walles iWr>pi>,zur, d. i. >>!"'<->- ^ ncmvsM,


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nicht allein. Seit Petrarcas Tagen, der sich so heftig gegen die Feuerwaffen aus¬
gesprochen hatte, war der Haß gegen diese neuen Streitmittcl nirgends lebendiger
als in dem Italien der Condottieri, deren virtuose, auf der Willkür persönlichen
Talents beruhende Kriegsweise allerdings durch die Einführung der Feuerwaffen
empfindlichst bedroht war; denn „die Kugel ist eigensinnig." Guicciardini ging
in seiner Abneigung gegen die Artillerie so weit, daß er sie als eine „Pest"
bezeichnet und sie sogar bei Belagerungen nicht gelten lassen will, da die Schwierig¬
keiten ihres Transports und ihrer Bedienung nicht in richtigem Verhältnisse zu
dem geleisteten Nutzen stünden. In dieser Hinsicht urtheilt Macchiavelli aller¬
dings viel unbefangner. Die poliorketischen Erfolge Charles' VIII. hatten ihn
über die Bedeutung der Artillerie im Festungskriege vollkommen belehrt; in der
Schlacht aber will er das Feucrgeschütz mir zu Anfang für eine einzige Lage
benutzen, nach der er es wieder hinter das Fußvolk zurückzieht. In seiner Schlacht-
bcschreibnng nimmt er an, daß das feindliche Geschütz eine Salve giebt; „aber
die Kugeln fliegen unschädlich über die Köpfe" unsres Fußvolks. Er will auch
des störenden Pulverdampfes wegen von dem Geschütze keinen weitern Gebrauch
machen; er erklärt es für „eine unnütze Sache, sobald das Handgemenge be¬
gonnen." Diese Nichtachtung war nach dem Erfolge von Ravenna ein Anachronis¬
mus. Darin aber hat Macchiavelli vollkommen recht, daß er es für das beste
lind einzige Mittel, „das feindliche Geschütz unnütz zu machen, erklärt, daß man
sofort darauf losgeht." Dies traf zu seiner Zeit vollkommen zu (3. Buch).

Seine Gedanken über das Lagerwesen schließen sich so viel als irgend möglich
an die antike Ueberlieferung an. Alles ist mit Einsicht durchdacht und mit großer
Klarheit vorgetragen (5. Buch).

Kühn und scharfsinnig sind seine fortifieatorischen Ideen. Seit der Mitte
des 15. Jahrhunderts schon hatte der Gedanke an die Artillerie begonnen, be¬
stimmend auf die Thätigkeit der Kriegsbaumeister einzuwirken, und bald erkennen
sie als das zu lösende Problem: Möglichkeit rasanter Geschützwirkung beiAufrecht-
erhaltuug voller Sicherheit gegen Leiterersteigung. Wenn man rasante Ge¬
schützwirkung wollte, so konnte von vvrzugsweiser Aufstellung des Geschützes
auf den Thürmen, wie das bisher Sitte gewesen, nicht mehr die Rede sein.
Der Wehrgang der Mauer aber war zu schmal, um größer» Kalibern Raum
zu bieten. Man vermochte die Mauerkrone nun nicht einfacher zu verbreitern,
als indem man Erde anschüttete und so einen Wallgang hinter der Mauer schuf,
von dem aus das Geschütz feuern konnte. Eine solche „Schütte" ließ zugleich
einen Theil der Sicherheit wiedergewinnen, welche die Mauer allem gegenüber
der Gewalt des neuen Geschützes nicht mehr darbot, und darum nannten die
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[0564] lNacchiavelli als militärischer Techniker. nicht allein. Seit Petrarcas Tagen, der sich so heftig gegen die Feuerwaffen aus¬ gesprochen hatte, war der Haß gegen diese neuen Streitmittcl nirgends lebendiger als in dem Italien der Condottieri, deren virtuose, auf der Willkür persönlichen Talents beruhende Kriegsweise allerdings durch die Einführung der Feuerwaffen empfindlichst bedroht war; denn „die Kugel ist eigensinnig." Guicciardini ging in seiner Abneigung gegen die Artillerie so weit, daß er sie als eine „Pest" bezeichnet und sie sogar bei Belagerungen nicht gelten lassen will, da die Schwierig¬ keiten ihres Transports und ihrer Bedienung nicht in richtigem Verhältnisse zu dem geleisteten Nutzen stünden. In dieser Hinsicht urtheilt Macchiavelli aller¬ dings viel unbefangner. Die poliorketischen Erfolge Charles' VIII. hatten ihn über die Bedeutung der Artillerie im Festungskriege vollkommen belehrt; in der Schlacht aber will er das Feucrgeschütz mir zu Anfang für eine einzige Lage benutzen, nach der er es wieder hinter das Fußvolk zurückzieht. In seiner Schlacht- bcschreibnng nimmt er an, daß das feindliche Geschütz eine Salve giebt; „aber die Kugeln fliegen unschädlich über die Köpfe" unsres Fußvolks. Er will auch des störenden Pulverdampfes wegen von dem Geschütze keinen weitern Gebrauch machen; er erklärt es für „eine unnütze Sache, sobald das Handgemenge be¬ gonnen." Diese Nichtachtung war nach dem Erfolge von Ravenna ein Anachronis¬ mus. Darin aber hat Macchiavelli vollkommen recht, daß er es für das beste lind einzige Mittel, „das feindliche Geschütz unnütz zu machen, erklärt, daß man sofort darauf losgeht." Dies traf zu seiner Zeit vollkommen zu (3. Buch). Seine Gedanken über das Lagerwesen schließen sich so viel als irgend möglich an die antike Ueberlieferung an. Alles ist mit Einsicht durchdacht und mit großer Klarheit vorgetragen (5. Buch). Kühn und scharfsinnig sind seine fortifieatorischen Ideen. Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts schon hatte der Gedanke an die Artillerie begonnen, be¬ stimmend auf die Thätigkeit der Kriegsbaumeister einzuwirken, und bald erkennen sie als das zu lösende Problem: Möglichkeit rasanter Geschützwirkung beiAufrecht- erhaltuug voller Sicherheit gegen Leiterersteigung. Wenn man rasante Ge¬ schützwirkung wollte, so konnte von vvrzugsweiser Aufstellung des Geschützes auf den Thürmen, wie das bisher Sitte gewesen, nicht mehr die Rede sein. Der Wehrgang der Mauer aber war zu schmal, um größer» Kalibern Raum zu bieten. Man vermochte die Mauerkrone nun nicht einfacher zu verbreitern, als indem man Erde anschüttete und so einen Wallgang hinter der Mauer schuf, von dem aus das Geschütz feuern konnte. Eine solche „Schütte" ließ zugleich einen Theil der Sicherheit wiedergewinnen, welche die Mauer allem gegenüber der Gewalt des neuen Geschützes nicht mehr darbot, und darum nannten die Franzosen das Anschütten eines solchen Walles iWr>pi>,zur, d. i. >>!»'<->- ^ ncmvsM,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/564>, abgerufen am 28.12.2024.