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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Maechiavelli als militärischer Techniker.

ihr benutzt diese Eintheilung lediglich für die Bequemlichkeit der Märsche und der
Lager, In der Schlacht stellt ihr die drei Haufen in einem Treffen neben¬
einander und setzt das ganze Schicksal des Kampfes auf einen Wurf, Vernünftiger
verfahren die Schweizer, sie ordnen wenigstens von ihren großen Häuser den
zweiten seitwürts-rückwärts vom ersten an, und das dritte Bataillon halten sie
einen Büchsenschuß hinterwärts von den beiden ersten. So vermag das zweite
den Moment zu ersehen, um dem ersten beizubringen, und das dritte hat Raum
zum Vorgehen, um die beiden ersten aufzunehmen, wenn sie geworfen werden.
Diese Art, die Bataillone zu ordnen, ist nothwendig, wenn man einmal durch¬
aus die großen ungeschlachten Haufen anwenden will; man kann sich aber mit
geringeren Zwischenräumen zwischen den Bataillonen begnügen und doch das
Treffensystem anwende", sobald man die taktischen Einheiten zweckmäßig verkleinert.
Andrerseits ist das schweizerische System immer noch ungenügend. In dem
einzelnen Bataillon desselben ist die Unterstützung, welche die Unterabteilungen
einander gewähren können, keine andre, als die in der griechischen Phalanx:
die hintern Glieder treten in Thätigkeit, wenn die vordem außer Gefecht gesetzt
sind; allenfalls treiben die hintern Glieder die vordem vorwärts. Das ist nicht
jene lebendige Unterstützung, welche die einzelnen Unterabteilungen der Legion
einander gewährten."

Um nun etwas dieser ähnliches zu erhalten, giebt Maechiavelli seinem Hansen
(biÜÄglions) 10 Fähnlein (d-ttÄAliö), deren jedes 400 Mann in 20 Rotten und
20 Gliedern zählt. Bon diesen stellt er 5 Fähnlein in das erste Treffen und
läßt zwischen je zweien derselben Intervalle von 10 Fuß. Im zweiten Treffen,
welches 60 Fuß hinter dem ersten angeordnet ist, werden 3 Fähnlein, und zwar
hinter dem mittelsten und den beiden Flügelfähnlcin des ersten Treffens auf¬
gestellt; im dritten Treffen endlich stehen nur 2 Fähnlein hinter dem Flügel¬
fähnlcin des zweiten Treffens, von welchem es abermals 60 Fuß Abstand hat.
Hierdurch werden die geworfenen Fähnlein des ersten Treffens befähigt, sich
ohne Verwirrung zurückzuziehen; das zweite Treffen soll sie aufnehmen und den
Kampf fortführen; endlich, falls beide vordem Treffen geworfen sind, sollen
sie sich auf das dritte zurückziehen und nun mit diesem gemeinsam den letzten
entscheidenden Versuch machen.

Maechiavelli nimmt also die Legionartaktik der Römer zum Vorbilde. Aber
trotzdem bleibt auch seine Schlachtordnung mehr auf die Defensive als auf den
Angriff eingerichtet; denn selbst dieser große Geist vermag sich nicht ganz frei
zu machen von dem Banne der mittelalterlichen Tradition, welche dein Fußvolke
unbedingt die inferiore Stellung gegenüber der Reiterei zuwies. Er vermag
das römische Vorbild nicht zu erreichen.


Maechiavelli als militärischer Techniker.

ihr benutzt diese Eintheilung lediglich für die Bequemlichkeit der Märsche und der
Lager, In der Schlacht stellt ihr die drei Haufen in einem Treffen neben¬
einander und setzt das ganze Schicksal des Kampfes auf einen Wurf, Vernünftiger
verfahren die Schweizer, sie ordnen wenigstens von ihren großen Häuser den
zweiten seitwürts-rückwärts vom ersten an, und das dritte Bataillon halten sie
einen Büchsenschuß hinterwärts von den beiden ersten. So vermag das zweite
den Moment zu ersehen, um dem ersten beizubringen, und das dritte hat Raum
zum Vorgehen, um die beiden ersten aufzunehmen, wenn sie geworfen werden.
Diese Art, die Bataillone zu ordnen, ist nothwendig, wenn man einmal durch¬
aus die großen ungeschlachten Haufen anwenden will; man kann sich aber mit
geringeren Zwischenräumen zwischen den Bataillonen begnügen und doch das
Treffensystem anwende», sobald man die taktischen Einheiten zweckmäßig verkleinert.
Andrerseits ist das schweizerische System immer noch ungenügend. In dem
einzelnen Bataillon desselben ist die Unterstützung, welche die Unterabteilungen
einander gewähren können, keine andre, als die in der griechischen Phalanx:
die hintern Glieder treten in Thätigkeit, wenn die vordem außer Gefecht gesetzt
sind; allenfalls treiben die hintern Glieder die vordem vorwärts. Das ist nicht
jene lebendige Unterstützung, welche die einzelnen Unterabteilungen der Legion
einander gewährten."

Um nun etwas dieser ähnliches zu erhalten, giebt Maechiavelli seinem Hansen
(biÜÄglions) 10 Fähnlein (d-ttÄAliö), deren jedes 400 Mann in 20 Rotten und
20 Gliedern zählt. Bon diesen stellt er 5 Fähnlein in das erste Treffen und
läßt zwischen je zweien derselben Intervalle von 10 Fuß. Im zweiten Treffen,
welches 60 Fuß hinter dem ersten angeordnet ist, werden 3 Fähnlein, und zwar
hinter dem mittelsten und den beiden Flügelfähnlcin des ersten Treffens auf¬
gestellt; im dritten Treffen endlich stehen nur 2 Fähnlein hinter dem Flügel¬
fähnlcin des zweiten Treffens, von welchem es abermals 60 Fuß Abstand hat.
Hierdurch werden die geworfenen Fähnlein des ersten Treffens befähigt, sich
ohne Verwirrung zurückzuziehen; das zweite Treffen soll sie aufnehmen und den
Kampf fortführen; endlich, falls beide vordem Treffen geworfen sind, sollen
sie sich auf das dritte zurückziehen und nun mit diesem gemeinsam den letzten
entscheidenden Versuch machen.

Maechiavelli nimmt also die Legionartaktik der Römer zum Vorbilde. Aber
trotzdem bleibt auch seine Schlachtordnung mehr auf die Defensive als auf den
Angriff eingerichtet; denn selbst dieser große Geist vermag sich nicht ganz frei
zu machen von dem Banne der mittelalterlichen Tradition, welche dein Fußvolke
unbedingt die inferiore Stellung gegenüber der Reiterei zuwies. Er vermag
das römische Vorbild nicht zu erreichen.


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[0562] Maechiavelli als militärischer Techniker. ihr benutzt diese Eintheilung lediglich für die Bequemlichkeit der Märsche und der Lager, In der Schlacht stellt ihr die drei Haufen in einem Treffen neben¬ einander und setzt das ganze Schicksal des Kampfes auf einen Wurf, Vernünftiger verfahren die Schweizer, sie ordnen wenigstens von ihren großen Häuser den zweiten seitwürts-rückwärts vom ersten an, und das dritte Bataillon halten sie einen Büchsenschuß hinterwärts von den beiden ersten. So vermag das zweite den Moment zu ersehen, um dem ersten beizubringen, und das dritte hat Raum zum Vorgehen, um die beiden ersten aufzunehmen, wenn sie geworfen werden. Diese Art, die Bataillone zu ordnen, ist nothwendig, wenn man einmal durch¬ aus die großen ungeschlachten Haufen anwenden will; man kann sich aber mit geringeren Zwischenräumen zwischen den Bataillonen begnügen und doch das Treffensystem anwende», sobald man die taktischen Einheiten zweckmäßig verkleinert. Andrerseits ist das schweizerische System immer noch ungenügend. In dem einzelnen Bataillon desselben ist die Unterstützung, welche die Unterabteilungen einander gewähren können, keine andre, als die in der griechischen Phalanx: die hintern Glieder treten in Thätigkeit, wenn die vordem außer Gefecht gesetzt sind; allenfalls treiben die hintern Glieder die vordem vorwärts. Das ist nicht jene lebendige Unterstützung, welche die einzelnen Unterabteilungen der Legion einander gewährten." Um nun etwas dieser ähnliches zu erhalten, giebt Maechiavelli seinem Hansen (biÜÄglions) 10 Fähnlein (d-ttÄAliö), deren jedes 400 Mann in 20 Rotten und 20 Gliedern zählt. Bon diesen stellt er 5 Fähnlein in das erste Treffen und läßt zwischen je zweien derselben Intervalle von 10 Fuß. Im zweiten Treffen, welches 60 Fuß hinter dem ersten angeordnet ist, werden 3 Fähnlein, und zwar hinter dem mittelsten und den beiden Flügelfähnlcin des ersten Treffens auf¬ gestellt; im dritten Treffen endlich stehen nur 2 Fähnlein hinter dem Flügel¬ fähnlcin des zweiten Treffens, von welchem es abermals 60 Fuß Abstand hat. Hierdurch werden die geworfenen Fähnlein des ersten Treffens befähigt, sich ohne Verwirrung zurückzuziehen; das zweite Treffen soll sie aufnehmen und den Kampf fortführen; endlich, falls beide vordem Treffen geworfen sind, sollen sie sich auf das dritte zurückziehen und nun mit diesem gemeinsam den letzten entscheidenden Versuch machen. Maechiavelli nimmt also die Legionartaktik der Römer zum Vorbilde. Aber trotzdem bleibt auch seine Schlachtordnung mehr auf die Defensive als auf den Angriff eingerichtet; denn selbst dieser große Geist vermag sich nicht ganz frei zu machen von dem Banne der mittelalterlichen Tradition, welche dein Fußvolke unbedingt die inferiore Stellung gegenüber der Reiterei zuwies. Er vermag das römische Vorbild nicht zu erreichen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/562>, abgerufen am 27.12.2024.