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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Neues Mönchthum.

zumuthet, diese Wortcombination für einen ernsthaften Begriff zu halten, wolle
uns verspotten. Aber Herr Koch will uns vielmehr belehren. "Wille des Nichts."
Das Nichts, dessen einzige Qualität es ist, nichts zu sein, d. h. alles, was ist,
nicht zu fein, soll gleichwohl Wille sein. "Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif."
Der Verfasser hat sich dabei nichts gedacht, weil es unmöglich ist, dabei etwas
zu denken; und fo giebt er uns, der allen Grund hatte, eine Probe von specu-
lativem Wissen abzulegen, eine.Probe von speculativem Gerede. Er kennt einen
Antagonismus zwischen dem Willen des Etwas und dem Willen des Nichts;
an andern Stellen spricht er auch von dem Antagonismus zwischen Etwas und
Nichts. Was aber nicht ist, was also nicht einmal etwas ist, wie kann das
einen Antagonismus eingehen? Es giebt wohl einen Unterschied und Gegensatz
zwischen Etwas und Nichts, aber einen Widerstreit, einen Kampf, einen Anta¬
gonismus? Diese Nichts-Idee hätte der Verfasser aus seinen metaphysischen
Ueberlegungen fernhalten follen, sie ist allzu nichtig. Freilich wollte er mit ihrer
Hilfe die Schwierigkeiten einer praktischen Philosophie beseitigen; aber dazu ist
sie nicht geeignet, wir sind sogar überzeugt, daß sich damit nicht ein Hund vom
Ofen locken läßt.

Da aber einmal Herr Koch Etwas und Nichts in Spannung setzt, so dürfen
wir, die Zuschauer, erst recht gespannt sein, was dabei herauskommt. Nicht viel
mehr, als bei der Multiplication mit 0 herauszukommen pflegt: "Durch ihren
Widerstreit bilden sie eine Spannung, und diese ist die eigentliche Urkraft, die
fundamentale Weltenergie, vermittelst welcher das Seiende oder die Substanz
sich trägt... Man hat sich die letztere als eine Wesenheit zu denken, welche
sich in vollkommen gleicher Weise aus den beiden LontrMiis des reinen Etwas
und des reinen Nichts zusammensetzt."

Nachdem wir gesehen haben, daß der Verfasser sein Gebäude auf Nichts
gegründet hat, wollen wir von diesem metaphysischen Product, von dieser Nichts-
Philosophie und philosophischen Nihilologie Abschied nehmen, jedoch nicht ohne
uns noch einmal daran zu erinnern, daß es Erzeugnisse eines Mannes sind, der
mit dem speculativen Wissen und, da er doch sein eignes am höchsten stellt, mit
diesem lächerlichen Plunder die Genüsse des Lebens aufzuwiegen meint!

Von der in der Schrift enthaltnen Religionskritik, zu welcher der Verfasser
besser gerüstet scheint, und in der sich jedenfalls eine charaktervolle Persönlichkeit
<v. Th. wirksam erweist, vielleicht ein andermal.




Neues Mönchthum.

zumuthet, diese Wortcombination für einen ernsthaften Begriff zu halten, wolle
uns verspotten. Aber Herr Koch will uns vielmehr belehren. „Wille des Nichts."
Das Nichts, dessen einzige Qualität es ist, nichts zu sein, d. h. alles, was ist,
nicht zu fein, soll gleichwohl Wille sein. „Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif."
Der Verfasser hat sich dabei nichts gedacht, weil es unmöglich ist, dabei etwas
zu denken; und fo giebt er uns, der allen Grund hatte, eine Probe von specu-
lativem Wissen abzulegen, eine.Probe von speculativem Gerede. Er kennt einen
Antagonismus zwischen dem Willen des Etwas und dem Willen des Nichts;
an andern Stellen spricht er auch von dem Antagonismus zwischen Etwas und
Nichts. Was aber nicht ist, was also nicht einmal etwas ist, wie kann das
einen Antagonismus eingehen? Es giebt wohl einen Unterschied und Gegensatz
zwischen Etwas und Nichts, aber einen Widerstreit, einen Kampf, einen Anta¬
gonismus? Diese Nichts-Idee hätte der Verfasser aus seinen metaphysischen
Ueberlegungen fernhalten follen, sie ist allzu nichtig. Freilich wollte er mit ihrer
Hilfe die Schwierigkeiten einer praktischen Philosophie beseitigen; aber dazu ist
sie nicht geeignet, wir sind sogar überzeugt, daß sich damit nicht ein Hund vom
Ofen locken läßt.

Da aber einmal Herr Koch Etwas und Nichts in Spannung setzt, so dürfen
wir, die Zuschauer, erst recht gespannt sein, was dabei herauskommt. Nicht viel
mehr, als bei der Multiplication mit 0 herauszukommen pflegt: „Durch ihren
Widerstreit bilden sie eine Spannung, und diese ist die eigentliche Urkraft, die
fundamentale Weltenergie, vermittelst welcher das Seiende oder die Substanz
sich trägt... Man hat sich die letztere als eine Wesenheit zu denken, welche
sich in vollkommen gleicher Weise aus den beiden LontrMiis des reinen Etwas
und des reinen Nichts zusammensetzt."

Nachdem wir gesehen haben, daß der Verfasser sein Gebäude auf Nichts
gegründet hat, wollen wir von diesem metaphysischen Product, von dieser Nichts-
Philosophie und philosophischen Nihilologie Abschied nehmen, jedoch nicht ohne
uns noch einmal daran zu erinnern, daß es Erzeugnisse eines Mannes sind, der
mit dem speculativen Wissen und, da er doch sein eignes am höchsten stellt, mit
diesem lächerlichen Plunder die Genüsse des Lebens aufzuwiegen meint!

Von der in der Schrift enthaltnen Religionskritik, zu welcher der Verfasser
besser gerüstet scheint, und in der sich jedenfalls eine charaktervolle Persönlichkeit
<v. Th. wirksam erweist, vielleicht ein andermal.




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[0541] Neues Mönchthum. zumuthet, diese Wortcombination für einen ernsthaften Begriff zu halten, wolle uns verspotten. Aber Herr Koch will uns vielmehr belehren. „Wille des Nichts." Das Nichts, dessen einzige Qualität es ist, nichts zu sein, d. h. alles, was ist, nicht zu fein, soll gleichwohl Wille sein. „Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif." Der Verfasser hat sich dabei nichts gedacht, weil es unmöglich ist, dabei etwas zu denken; und fo giebt er uns, der allen Grund hatte, eine Probe von specu- lativem Wissen abzulegen, eine.Probe von speculativem Gerede. Er kennt einen Antagonismus zwischen dem Willen des Etwas und dem Willen des Nichts; an andern Stellen spricht er auch von dem Antagonismus zwischen Etwas und Nichts. Was aber nicht ist, was also nicht einmal etwas ist, wie kann das einen Antagonismus eingehen? Es giebt wohl einen Unterschied und Gegensatz zwischen Etwas und Nichts, aber einen Widerstreit, einen Kampf, einen Anta¬ gonismus? Diese Nichts-Idee hätte der Verfasser aus seinen metaphysischen Ueberlegungen fernhalten follen, sie ist allzu nichtig. Freilich wollte er mit ihrer Hilfe die Schwierigkeiten einer praktischen Philosophie beseitigen; aber dazu ist sie nicht geeignet, wir sind sogar überzeugt, daß sich damit nicht ein Hund vom Ofen locken läßt. Da aber einmal Herr Koch Etwas und Nichts in Spannung setzt, so dürfen wir, die Zuschauer, erst recht gespannt sein, was dabei herauskommt. Nicht viel mehr, als bei der Multiplication mit 0 herauszukommen pflegt: „Durch ihren Widerstreit bilden sie eine Spannung, und diese ist die eigentliche Urkraft, die fundamentale Weltenergie, vermittelst welcher das Seiende oder die Substanz sich trägt... Man hat sich die letztere als eine Wesenheit zu denken, welche sich in vollkommen gleicher Weise aus den beiden LontrMiis des reinen Etwas und des reinen Nichts zusammensetzt." Nachdem wir gesehen haben, daß der Verfasser sein Gebäude auf Nichts gegründet hat, wollen wir von diesem metaphysischen Product, von dieser Nichts- Philosophie und philosophischen Nihilologie Abschied nehmen, jedoch nicht ohne uns noch einmal daran zu erinnern, daß es Erzeugnisse eines Mannes sind, der mit dem speculativen Wissen und, da er doch sein eignes am höchsten stellt, mit diesem lächerlichen Plunder die Genüsse des Lebens aufzuwiegen meint! Von der in der Schrift enthaltnen Religionskritik, zu welcher der Verfasser besser gerüstet scheint, und in der sich jedenfalls eine charaktervolle Persönlichkeit <v. Th. wirksam erweist, vielleicht ein andermal.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/541>, abgerufen am 27.12.2024.