Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.Neues Mönchthum. Statue daraufstellt, Geringschätzung des Weibes ist der verderblichste Bestand¬ Befinden wir uns nicht sofort mitten in der alten Litanei vom Lebenselend, Wir würden uns einer Lächerlichkeit schuldig machen, wenn wir noch fragen Daß bei jener Zurückziehung der einzelnen auf sich selbst, bei jener ängst¬ Neues Mönchthum. Statue daraufstellt, Geringschätzung des Weibes ist der verderblichste Bestand¬ Befinden wir uns nicht sofort mitten in der alten Litanei vom Lebenselend, Wir würden uns einer Lächerlichkeit schuldig machen, wenn wir noch fragen Daß bei jener Zurückziehung der einzelnen auf sich selbst, bei jener ängst¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0538" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149522"/> <fw type="header" place="top"> Neues Mönchthum.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1499" prev="#ID_1498"> Statue daraufstellt, Geringschätzung des Weibes ist der verderblichste Bestand¬<lb/> theil des allgemeinen Pessimismus, Für einen Pessimisten aber haben wir den<lb/> Verfasser zu erkennen, wenn er selbst auch das Gegentheil versichert und noch<lb/> so „fröhlich und wohlgemuth" seine Straße zieht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1500"> Befinden wir uns nicht sofort mitten in der alten Litanei vom Lebenselend,<lb/> wenn er sagt, daß, wo nicht dem von ihm gepriesnen Ziel das Hauptstreben zu¬<lb/> gewendet wird, „Angst und Noth, Leid und Trübsal, Furcht und Sorge nimmer<lb/> ein Ende nehmen?" Haben wir hier nicht eine Leistung jener pessimistischen Ein¬<lb/> seitigkeit und Thorheit vor uns, welche nur das Schlimme hervorhebt und das<lb/> Positive und Beglückende verschweigt oder verächtlich macht, welche fürchtet, daß<lb/> der Anerkennung des freilich nicht ungetrübten Glückes zuviel Genügsamkeit oder<lb/> gar etwas von den? Lumpenthum der Bescheidenheit anhafte, welche sich in An¬<lb/> klagen gegen Welt und Leben ergeht, weil sie in den Irrthum verfallen ist, daß<lb/> eine Weisheit um so tiefer sei, je elegischer sie klinge? In seiner Verwerfung dessen,<lb/> was den Menschen insgesammt das Leben werthvoll macht, hätte unser Pessimist<lb/> keine deutlichere Sprache reden können als in folgendem: „Der Ausdruck .Re¬<lb/> signation' (die er nämlich unmittelbar vorher empfiehlt) hat einen widerwärtigen<lb/> Klang für die Kinder dieser Welt, aber die Cyniker haben wohl Recht, wenn sie<lb/> behaupten, daß der Weg der Entsagung der kürzeste und sicherste sei zur Glück¬<lb/> seligkeit, Nichts wollen, nichts wünschen, nichts suchen, begehre»? und verlangen,<lb/> als allein Tugend, (Willensfreiheit) und Erkenntniß, ist und bleibt die zuver¬<lb/> lässigste Anweisung zu einem glückseligen Leben," So predigt der Mann Ent¬<lb/> sagung und giebt sich dennoch aus für einen Freund der Welt; so empfiehlt er<lb/> als einzig werthvollen Lebensinhalt das speculative Wissen, welches fast allen un¬<lb/> zugänglich ist, und sührt sich dennoch ein als einen Freund der Menschen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1501"> Wir würden uns einer Lächerlichkeit schuldig machen, wenn wir noch fragen<lb/> wollten, welchen Werth eine Philosophie habe, die den Menschen das Leben zu<lb/> verleiden trachtet und dafür — in seltsamer Dreistigkeit — etwas anpreist, das<lb/> den meisten unerreichbar, übrigens aber so beschaffen ist, daß die, welche es<lb/> kennen gelernt haben, es wahrlich nicht gegen den Mitgenuß des vollkrüftigen<lb/> und bcthätiguugsreicheu Lebens eintauschen möchten. Denn das speculative Wisse»<lb/> ist im Vergleich zu der nach allen Seiten regen Betheiligung am wirklichen<lb/> Leben mit seinen Freuden und Hemmungen, mit seinen Triumphen und Rückschlägen,<lb/> mit seinem Leid und seiner tiefen Beseligung, etwas unsäglich werthloses.</p><lb/> <p xml:id="ID_1502" next="#ID_1503"> Daß bei jener Zurückziehung der einzelnen auf sich selbst, bei jener ängst¬<lb/> lichen Sorge um die „Erweiterung und Bereicherung" der eignen lieben Persön¬<lb/> lichkeit die Beziehungen zu Gemeinde und Staat, die Thätigkeit für andre, für<lb/> das Gemeinwohl, das manches trefflichen Mannes aufopferungsvolles Leben in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0538]
Neues Mönchthum.
Statue daraufstellt, Geringschätzung des Weibes ist der verderblichste Bestand¬
theil des allgemeinen Pessimismus, Für einen Pessimisten aber haben wir den
Verfasser zu erkennen, wenn er selbst auch das Gegentheil versichert und noch
so „fröhlich und wohlgemuth" seine Straße zieht.
Befinden wir uns nicht sofort mitten in der alten Litanei vom Lebenselend,
wenn er sagt, daß, wo nicht dem von ihm gepriesnen Ziel das Hauptstreben zu¬
gewendet wird, „Angst und Noth, Leid und Trübsal, Furcht und Sorge nimmer
ein Ende nehmen?" Haben wir hier nicht eine Leistung jener pessimistischen Ein¬
seitigkeit und Thorheit vor uns, welche nur das Schlimme hervorhebt und das
Positive und Beglückende verschweigt oder verächtlich macht, welche fürchtet, daß
der Anerkennung des freilich nicht ungetrübten Glückes zuviel Genügsamkeit oder
gar etwas von den? Lumpenthum der Bescheidenheit anhafte, welche sich in An¬
klagen gegen Welt und Leben ergeht, weil sie in den Irrthum verfallen ist, daß
eine Weisheit um so tiefer sei, je elegischer sie klinge? In seiner Verwerfung dessen,
was den Menschen insgesammt das Leben werthvoll macht, hätte unser Pessimist
keine deutlichere Sprache reden können als in folgendem: „Der Ausdruck .Re¬
signation' (die er nämlich unmittelbar vorher empfiehlt) hat einen widerwärtigen
Klang für die Kinder dieser Welt, aber die Cyniker haben wohl Recht, wenn sie
behaupten, daß der Weg der Entsagung der kürzeste und sicherste sei zur Glück¬
seligkeit, Nichts wollen, nichts wünschen, nichts suchen, begehre»? und verlangen,
als allein Tugend, (Willensfreiheit) und Erkenntniß, ist und bleibt die zuver¬
lässigste Anweisung zu einem glückseligen Leben," So predigt der Mann Ent¬
sagung und giebt sich dennoch aus für einen Freund der Welt; so empfiehlt er
als einzig werthvollen Lebensinhalt das speculative Wissen, welches fast allen un¬
zugänglich ist, und sührt sich dennoch ein als einen Freund der Menschen.
Wir würden uns einer Lächerlichkeit schuldig machen, wenn wir noch fragen
wollten, welchen Werth eine Philosophie habe, die den Menschen das Leben zu
verleiden trachtet und dafür — in seltsamer Dreistigkeit — etwas anpreist, das
den meisten unerreichbar, übrigens aber so beschaffen ist, daß die, welche es
kennen gelernt haben, es wahrlich nicht gegen den Mitgenuß des vollkrüftigen
und bcthätiguugsreicheu Lebens eintauschen möchten. Denn das speculative Wisse»
ist im Vergleich zu der nach allen Seiten regen Betheiligung am wirklichen
Leben mit seinen Freuden und Hemmungen, mit seinen Triumphen und Rückschlägen,
mit seinem Leid und seiner tiefen Beseligung, etwas unsäglich werthloses.
Daß bei jener Zurückziehung der einzelnen auf sich selbst, bei jener ängst¬
lichen Sorge um die „Erweiterung und Bereicherung" der eignen lieben Persön¬
lichkeit die Beziehungen zu Gemeinde und Staat, die Thätigkeit für andre, für
das Gemeinwohl, das manches trefflichen Mannes aufopferungsvolles Leben in
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