Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.Schliemcmns Ilios. fragen aber, deren Beantwortung rü Schliemannschem Sinne für dessen ganze Wir wollen dem großen Gelehrten nicht weiter in das Land seiner Phan¬ Schliemcmns Ilios. fragen aber, deren Beantwortung rü Schliemannschem Sinne für dessen ganze Wir wollen dem großen Gelehrten nicht weiter in das Land seiner Phan¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0527" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149511"/> <fw type="header" place="top"> Schliemcmns Ilios.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1465" prev="#ID_1464"> fragen aber, deren Beantwortung rü Schliemannschem Sinne für dessen ganze<lb/> Hypothese sehr wesentlich ist, weicht er von seinem leicht erregbaren Freunde ab.<lb/> So will sich z. V. der nüchterne Naturforscher und Anthroprolvge durchaus nicht<lb/> davon überzeugen lassen, daß die in der dritten Stadt, also im homerischen Troja<lb/> gefundnen Gesichtsurncn den Kopf einer Eule zeigen, „Soviel ich sehe (und<lb/> jeder nüchterne Forscher wird ihm darin beipflichten), giebt es keine einzige tro¬<lb/> janische Gcsichtsurne, welche einen wirklichen Eulenkopf besäße oder bei welcher<lb/> der betreffende Theil des Gefäßes ganz vogelartig gestaltet wäre. naturwissen¬<lb/> schaftlich gesprochen, ist der Typus der Bildung an diesem Obertheil menschlich,<lb/> nud nur innerhalb der unerheblichen Umrisse und Verhältnisse sind die Nase und<lb/> die Augengegend eulenartig. Das Ohr dagegen ist stets nach menschlicher, nie¬<lb/> mals nach Eulenart angesetzt." Schliemann hält dagegen mit der Zähigkeit<lb/> eines Dilettanten der Wissenschaft, der sich einmal in eine ^ priori angenommene<lb/> Theorie verbissen hat, an seineu „Enlenkvpfurnen" fest. Bilden sie doch ein<lb/> Hauptglied in der Kette seiner Schlüsse, durch welche er die Identität seiner<lb/> dritten Stadt mit der Beste des Königs Priamos beweisen will. Den Namen<lb/> hat er übrigens, wie wir hier in Parenthese bemerken wollen, in seinem neuen<lb/> Buche fallen lassen. Er spricht vorsichtigerweise immer nur vom „Stadthanpt."<lb/> Virchow bedauert, daß Schliemann sich durch die Angriffe seiner Gegner habe<lb/> einschüchtern lassen. Es sei doch so schön, für die Heldengestalten der Jliade,<lb/> welche unsre jugendliche Phantasie begeisterten, endlich eine Stelle gefunden zu<lb/> haben, welche man sich von ihnen bevölkert vorstellen könne!</p><lb/> <p xml:id="ID_1466" next="#ID_1467"> Wir wollen dem großen Gelehrten nicht weiter in das Land seiner Phan¬<lb/> tasie folgen, sondern uns enger an die Thatsachen halten. Wie es schon andre<lb/> vor ihm gethan haben, weist auch Virchow auf die höchst auffällige Verwandt¬<lb/> schaft der in Troja gefundnen Gesichtsurnen mit den gleichen Thongefäßen hin,<lb/> die schon seit lcingrer Zeit in „Pomerellen und Ostpommern bis nach Posen<lb/> und Schlesien, in einem auffallend abgegrenzten Gebiet" aufgefunden werden.<lb/> Dieses Gebiet ist, wie wir hier ergänzend hinzufügen wollen, nicht so auffallend<lb/> abgegrenzt, als Virchow zu glauben scheint. Gesichtsurnen sind auch bei Mainz,<lb/> in Cypern und Etrurien zum Vorschein gekommen. Man hat alle diese Gefäße<lb/> bisher auf keltischen Ursprung zurückgeführt und in ihnen Reste jener großen<lb/> Wanderungen und Ansiedlungen gesehen, welche der keltische Volksstamm seit<lb/> dem vierten Jahrhundert vor Christo unternommen hat. Daraus würde sich<lb/> zum zweiten Male ein fatales Präjudiz für die Zeitbestimmung der Schlie-<lb/> mcmnschen Funde ergeben. Dagegen haben wieder zahlreiche Erfahrungen ge¬<lb/> lehrt, daß sich gewisse Gefäßformen Jahrhunderte hindurch in naiver Ursprüng¬<lb/> lichkeit erhalten haben. Man wird also niemals mit Sicherheit bestimmen können,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0527]
Schliemcmns Ilios.
fragen aber, deren Beantwortung rü Schliemannschem Sinne für dessen ganze
Hypothese sehr wesentlich ist, weicht er von seinem leicht erregbaren Freunde ab.
So will sich z. V. der nüchterne Naturforscher und Anthroprolvge durchaus nicht
davon überzeugen lassen, daß die in der dritten Stadt, also im homerischen Troja
gefundnen Gesichtsurncn den Kopf einer Eule zeigen, „Soviel ich sehe (und
jeder nüchterne Forscher wird ihm darin beipflichten), giebt es keine einzige tro¬
janische Gcsichtsurne, welche einen wirklichen Eulenkopf besäße oder bei welcher
der betreffende Theil des Gefäßes ganz vogelartig gestaltet wäre. naturwissen¬
schaftlich gesprochen, ist der Typus der Bildung an diesem Obertheil menschlich,
nud nur innerhalb der unerheblichen Umrisse und Verhältnisse sind die Nase und
die Augengegend eulenartig. Das Ohr dagegen ist stets nach menschlicher, nie¬
mals nach Eulenart angesetzt." Schliemann hält dagegen mit der Zähigkeit
eines Dilettanten der Wissenschaft, der sich einmal in eine ^ priori angenommene
Theorie verbissen hat, an seineu „Enlenkvpfurnen" fest. Bilden sie doch ein
Hauptglied in der Kette seiner Schlüsse, durch welche er die Identität seiner
dritten Stadt mit der Beste des Königs Priamos beweisen will. Den Namen
hat er übrigens, wie wir hier in Parenthese bemerken wollen, in seinem neuen
Buche fallen lassen. Er spricht vorsichtigerweise immer nur vom „Stadthanpt."
Virchow bedauert, daß Schliemann sich durch die Angriffe seiner Gegner habe
einschüchtern lassen. Es sei doch so schön, für die Heldengestalten der Jliade,
welche unsre jugendliche Phantasie begeisterten, endlich eine Stelle gefunden zu
haben, welche man sich von ihnen bevölkert vorstellen könne!
Wir wollen dem großen Gelehrten nicht weiter in das Land seiner Phan¬
tasie folgen, sondern uns enger an die Thatsachen halten. Wie es schon andre
vor ihm gethan haben, weist auch Virchow auf die höchst auffällige Verwandt¬
schaft der in Troja gefundnen Gesichtsurnen mit den gleichen Thongefäßen hin,
die schon seit lcingrer Zeit in „Pomerellen und Ostpommern bis nach Posen
und Schlesien, in einem auffallend abgegrenzten Gebiet" aufgefunden werden.
Dieses Gebiet ist, wie wir hier ergänzend hinzufügen wollen, nicht so auffallend
abgegrenzt, als Virchow zu glauben scheint. Gesichtsurnen sind auch bei Mainz,
in Cypern und Etrurien zum Vorschein gekommen. Man hat alle diese Gefäße
bisher auf keltischen Ursprung zurückgeführt und in ihnen Reste jener großen
Wanderungen und Ansiedlungen gesehen, welche der keltische Volksstamm seit
dem vierten Jahrhundert vor Christo unternommen hat. Daraus würde sich
zum zweiten Male ein fatales Präjudiz für die Zeitbestimmung der Schlie-
mcmnschen Funde ergeben. Dagegen haben wieder zahlreiche Erfahrungen ge¬
lehrt, daß sich gewisse Gefäßformen Jahrhunderte hindurch in naiver Ursprüng¬
lichkeit erhalten haben. Man wird also niemals mit Sicherheit bestimmen können,
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