Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.Altonglische Dramatiker. sich für ihre Künste und Darbietungen, die leidenschaftliche Theilnahme an den Altonglische Dramatiker. sich für ihre Künste und Darbietungen, die leidenschaftliche Theilnahme an den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0518" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149502"/> <fw type="header" place="top"> Altonglische Dramatiker.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1449" prev="#ID_1448" next="#ID_1450"> sich für ihre Künste und Darbietungen, die leidenschaftliche Theilnahme an den<lb/> theatralischen Vorstellungen und den neuen Stücken wurde ein Sport für viele<lb/> Kreise, vor allem für die jüngere Aristokratie. Man lobte, bewunderte, belohnte<lb/> wohl auch einzelne Leistungen, man unterschied fein, scharf und sicher den Werth<lb/> derselbe»? (wie es noch heute im Circus geschieht), aber man dachte nicht daran<lb/> der dramatischen Dichtung zu dem ihr gebührenden Range in der Literatur oder<lb/> der schonen Literatur überhaupt zu eiuer sichern Wertschätzung innerhalb der<lb/> Gesellschaft zu verhelfen. In der Hauptsache bildeten die pia^-vrignk mit ihren<lb/> Eumpanen, den Darstellern, eine abgeschlossene kleine Kaste, und zwar eine von<lb/> Parias, die sich freilich vor den Bevorrechteten und im Leben hochgestellten nicht<lb/> scheu und ängstlich verbargen, sondern erhabnen Hauptes, trotzig und wildlustig<lb/> (schamnlvs und frech sagten die Puritaner!) dahinschritteu. Wenn man den<lb/> einzelnen Berichten über die gottlose Wildheit und wüste Ruchlosigkeit dieser<lb/> Dichter, deu Erzählungen von Greenes jammervoller Reue, von Marlowes Macchia-<lb/> vellismus, von der rasenden Verschwendung und der Bettelarmuth andrer eine<lb/> gewisse Skepsis entgegensetzt, so thut man gewiß Recht daran. Aber am Ende<lb/> muß man sich doch fragen: Was hätte diese talentvollen Jünglinge anziehen,<lb/> in ihrem mißachteten Berufe festhalten sollen als eine gewisse wilde Freiheit,<lb/> sammt den Erregungen, welche mit den Erfolgen ihrer Kunst verknüpft waren?<lb/> Nur einzelne von ihnen — Lodge bespielsweise, der für seine poetischen Sünden<lb/> Buße that und die „schlechte Brut seiner vormaligen Gedanken" sammt der Nacht<lb/> seines Irrthums verwünschte und ein geachteter Arzt ward — rissen sich von<lb/> dem Leben, das sie so unwiderstehlich anzogen, wieder los. Wir werden also<lb/> immerhin glauben dürfen, daß die Dramendichter genossen, was ihnen unter<lb/> diesen Umstünden blieb: die Freuden guter Kameradschaft und ungebundner Lust.<lb/> Tapfere Zechgelage, toller übermüthiger Scherz bei überfließenden Bechern, wilde<lb/> Nächte mit willigen Dirnen werden ebenso wenig Verleumdungen der Puritaner<lb/> sein als die Erzählungen von Noth und Elend aller Art, die sich an dies wilde,<lb/> brausende Leben knüpften. Es waren Ansnahmezustünde, unter denen diese Dichter<lb/> schufen. Die Resultate ihres Fleißes zerrannen so rasch, als sie gewonnen wurden.<lb/> Im Vergleich mit der Weise, in der damals alle bürgerliche Arbeit bezahlt wurde,<lb/> war das Honorar für neue und neubearbeitete Stücke nicht allzu geringfügig; aber<lb/> die Voraussetzung, daß der Phantasievolle schaffen und immer wieder schaffen<lb/> könne, nur um dem Bedürfniß der Theater und seinem eignen Hunger zu genügen,<lb/> erwies sich vielfach als hinfällig. So ist es glaublich, daß Greene und Kyd in<lb/> Dürftigkeit starben und Marlowc nur durch den Dolchstoß, der seinen Lebensfaden<lb/> vorzeitig abschnitt, vor einem ähnlichen Geschick bewahrt blieb. Unbedingte Folge<lb/> des Dramatiker- und Schauspiclerberufs war es nicht, und wenn die Quelle von</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0518]
Altonglische Dramatiker.
sich für ihre Künste und Darbietungen, die leidenschaftliche Theilnahme an den
theatralischen Vorstellungen und den neuen Stücken wurde ein Sport für viele
Kreise, vor allem für die jüngere Aristokratie. Man lobte, bewunderte, belohnte
wohl auch einzelne Leistungen, man unterschied fein, scharf und sicher den Werth
derselbe»? (wie es noch heute im Circus geschieht), aber man dachte nicht daran
der dramatischen Dichtung zu dem ihr gebührenden Range in der Literatur oder
der schonen Literatur überhaupt zu eiuer sichern Wertschätzung innerhalb der
Gesellschaft zu verhelfen. In der Hauptsache bildeten die pia^-vrignk mit ihren
Eumpanen, den Darstellern, eine abgeschlossene kleine Kaste, und zwar eine von
Parias, die sich freilich vor den Bevorrechteten und im Leben hochgestellten nicht
scheu und ängstlich verbargen, sondern erhabnen Hauptes, trotzig und wildlustig
(schamnlvs und frech sagten die Puritaner!) dahinschritteu. Wenn man den
einzelnen Berichten über die gottlose Wildheit und wüste Ruchlosigkeit dieser
Dichter, deu Erzählungen von Greenes jammervoller Reue, von Marlowes Macchia-
vellismus, von der rasenden Verschwendung und der Bettelarmuth andrer eine
gewisse Skepsis entgegensetzt, so thut man gewiß Recht daran. Aber am Ende
muß man sich doch fragen: Was hätte diese talentvollen Jünglinge anziehen,
in ihrem mißachteten Berufe festhalten sollen als eine gewisse wilde Freiheit,
sammt den Erregungen, welche mit den Erfolgen ihrer Kunst verknüpft waren?
Nur einzelne von ihnen — Lodge bespielsweise, der für seine poetischen Sünden
Buße that und die „schlechte Brut seiner vormaligen Gedanken" sammt der Nacht
seines Irrthums verwünschte und ein geachteter Arzt ward — rissen sich von
dem Leben, das sie so unwiderstehlich anzogen, wieder los. Wir werden also
immerhin glauben dürfen, daß die Dramendichter genossen, was ihnen unter
diesen Umstünden blieb: die Freuden guter Kameradschaft und ungebundner Lust.
Tapfere Zechgelage, toller übermüthiger Scherz bei überfließenden Bechern, wilde
Nächte mit willigen Dirnen werden ebenso wenig Verleumdungen der Puritaner
sein als die Erzählungen von Noth und Elend aller Art, die sich an dies wilde,
brausende Leben knüpften. Es waren Ansnahmezustünde, unter denen diese Dichter
schufen. Die Resultate ihres Fleißes zerrannen so rasch, als sie gewonnen wurden.
Im Vergleich mit der Weise, in der damals alle bürgerliche Arbeit bezahlt wurde,
war das Honorar für neue und neubearbeitete Stücke nicht allzu geringfügig; aber
die Voraussetzung, daß der Phantasievolle schaffen und immer wieder schaffen
könne, nur um dem Bedürfniß der Theater und seinem eignen Hunger zu genügen,
erwies sich vielfach als hinfällig. So ist es glaublich, daß Greene und Kyd in
Dürftigkeit starben und Marlowc nur durch den Dolchstoß, der seinen Lebensfaden
vorzeitig abschnitt, vor einem ähnlichen Geschick bewahrt blieb. Unbedingte Folge
des Dramatiker- und Schauspiclerberufs war es nicht, und wenn die Quelle von
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