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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Aus den Erinnerungen eines dänischen Staatsmannes.

und des königlichen Hofes hervor. Die Zeichnung Wellingtons ist meisterhaft, eine
Bestätigung der Darstellung H. v. Treitschl'es, Ohne Genialität hat Wellington
nur durch Kaltblütigkeit, Klarheit des Blicks, härteste Disziplin die Erfolge er¬
rungen, denen er seinen Ruhm schuldet. Zuneigung oder Enthusiasmus hat er
in seinem Heere uicht hervorgebracht, hat ihn auch nicht gesucht, er bedürfte dieser
idealen Aspirationen nicht. Uebrigens hatte auch eine stets gefüllte Kriegskasse
keinen geringe" Antheil an seinen Erfolgen. Sein Auftreten in Paris war fürst¬
lich; aber maßloser Hochmuth und kleinliche Eitelkeit, Trivialität in der Conver-
sation, Gehaltlosigkeit in seinen Neigungen zeigten, daß er nicht zu den großen
Männern gehörte. Er ist lange höher geschätzt worden, als er verdiente; Treitschkes
und Rists Schriften werden seine Bedeutung auf das rechte Maß zurückführen.
Der Mittelpunkt der Opposition in Paris war damals der Salon der Frau von
Staöl. Nach dem Sturze Napoleons zurückgekehrt, nahm sie, von demokratischen
Neigungen erfüllt, eine feindselige Stellung gegenüber der französischen Regierung
ein; und die Schwächen derselben bildeten die Zielscheibe der Satire für den geist¬
reichen Kreis, der sich bei ihr einzufinden Pflegte. Der Held der Völkerfreiheit,
für den sie damals schwärmte, war Bernadotte; für die Erwerbung Norwegens
dnrch Schweden trat sie daher mit Begeisterung ein. Dieser Umstand mußte
Rist, den Vertreter Dänemarks, hindern, in ihrem Salon sich vorstellen zu lassen.
Sie vertrat Dänemark feindliche Interessen. Peinlich war es auch für Rist,
in ihrem Hause A. W. Schlegel zu begegnen, der in schwedischen Solde gegen
Dänemark geschrieben hatte. Der Eindruck, den Schlegel damals machte, bezeichnet
Rist mit dem herben, aber schwerlich unrichtigen Wort: er war aus einem der
bedeutendsten deutschen Gelehrten ein ungelenker und pedantischer Franendiener,
ein süßlicher Hofmann geworden. Von Frau von Staöl entwirft Rist in einem
Briefe folgendes Bild: "Sie ist nachgerade sehr welk und matronenhaft geworden,
während ihr pechschwarzes Haar, ihre krallen Augen, der freche Blick und Ton,
die unruhige Haltung anzeigen, daß ihre Leidenschaften den Jahren Trotz bieten
und das vollkommene Bild eines koketten alten Weibes geben." Obwohl Rist
ihr in mehrern Salons begegnet war, hatte er sich von ihr doch immer entfernt
gehalten. Aber vergeblich. Bei einem Diner, zu welchem sowohl Rist wie Frau
von StaÄ geladen waren, pries sie, wie gewöhnlich, ihren schwedischen Helden
und berührte die norwegische Angelegenheit; schließlich wandte sie sich in taet-
loser Weise an Rist, seine Meinung zu hören. Rist erwiederte kurz und trocken:
Nais l'kvöueinöiit räh al8pM8L as l", xsins as xe-rhor. Nach Tische trat sie
wieder an Rist und überschüttete ihn mit einem Phrnsenschwall, in welchem sie
sich als intellectuelle Urheberin der Befreiung Norwegens vom dänischen Joch
darstellte und Dänemark das Glück einer freien Verfassung wünschte. Rist ant-


Aus den Erinnerungen eines dänischen Staatsmannes.

und des königlichen Hofes hervor. Die Zeichnung Wellingtons ist meisterhaft, eine
Bestätigung der Darstellung H. v. Treitschl'es, Ohne Genialität hat Wellington
nur durch Kaltblütigkeit, Klarheit des Blicks, härteste Disziplin die Erfolge er¬
rungen, denen er seinen Ruhm schuldet. Zuneigung oder Enthusiasmus hat er
in seinem Heere uicht hervorgebracht, hat ihn auch nicht gesucht, er bedürfte dieser
idealen Aspirationen nicht. Uebrigens hatte auch eine stets gefüllte Kriegskasse
keinen geringe» Antheil an seinen Erfolgen. Sein Auftreten in Paris war fürst¬
lich; aber maßloser Hochmuth und kleinliche Eitelkeit, Trivialität in der Conver-
sation, Gehaltlosigkeit in seinen Neigungen zeigten, daß er nicht zu den großen
Männern gehörte. Er ist lange höher geschätzt worden, als er verdiente; Treitschkes
und Rists Schriften werden seine Bedeutung auf das rechte Maß zurückführen.
Der Mittelpunkt der Opposition in Paris war damals der Salon der Frau von
Staöl. Nach dem Sturze Napoleons zurückgekehrt, nahm sie, von demokratischen
Neigungen erfüllt, eine feindselige Stellung gegenüber der französischen Regierung
ein; und die Schwächen derselben bildeten die Zielscheibe der Satire für den geist¬
reichen Kreis, der sich bei ihr einzufinden Pflegte. Der Held der Völkerfreiheit,
für den sie damals schwärmte, war Bernadotte; für die Erwerbung Norwegens
dnrch Schweden trat sie daher mit Begeisterung ein. Dieser Umstand mußte
Rist, den Vertreter Dänemarks, hindern, in ihrem Salon sich vorstellen zu lassen.
Sie vertrat Dänemark feindliche Interessen. Peinlich war es auch für Rist,
in ihrem Hause A. W. Schlegel zu begegnen, der in schwedischen Solde gegen
Dänemark geschrieben hatte. Der Eindruck, den Schlegel damals machte, bezeichnet
Rist mit dem herben, aber schwerlich unrichtigen Wort: er war aus einem der
bedeutendsten deutschen Gelehrten ein ungelenker und pedantischer Franendiener,
ein süßlicher Hofmann geworden. Von Frau von Staöl entwirft Rist in einem
Briefe folgendes Bild: „Sie ist nachgerade sehr welk und matronenhaft geworden,
während ihr pechschwarzes Haar, ihre krallen Augen, der freche Blick und Ton,
die unruhige Haltung anzeigen, daß ihre Leidenschaften den Jahren Trotz bieten
und das vollkommene Bild eines koketten alten Weibes geben." Obwohl Rist
ihr in mehrern Salons begegnet war, hatte er sich von ihr doch immer entfernt
gehalten. Aber vergeblich. Bei einem Diner, zu welchem sowohl Rist wie Frau
von StaÄ geladen waren, pries sie, wie gewöhnlich, ihren schwedischen Helden
und berührte die norwegische Angelegenheit; schließlich wandte sie sich in taet-
loser Weise an Rist, seine Meinung zu hören. Rist erwiederte kurz und trocken:
Nais l'kvöueinöiit räh al8pM8L as l», xsins as xe-rhor. Nach Tische trat sie
wieder an Rist und überschüttete ihn mit einem Phrnsenschwall, in welchem sie
sich als intellectuelle Urheberin der Befreiung Norwegens vom dänischen Joch
darstellte und Dänemark das Glück einer freien Verfassung wünschte. Rist ant-


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[0478] Aus den Erinnerungen eines dänischen Staatsmannes. und des königlichen Hofes hervor. Die Zeichnung Wellingtons ist meisterhaft, eine Bestätigung der Darstellung H. v. Treitschl'es, Ohne Genialität hat Wellington nur durch Kaltblütigkeit, Klarheit des Blicks, härteste Disziplin die Erfolge er¬ rungen, denen er seinen Ruhm schuldet. Zuneigung oder Enthusiasmus hat er in seinem Heere uicht hervorgebracht, hat ihn auch nicht gesucht, er bedürfte dieser idealen Aspirationen nicht. Uebrigens hatte auch eine stets gefüllte Kriegskasse keinen geringe» Antheil an seinen Erfolgen. Sein Auftreten in Paris war fürst¬ lich; aber maßloser Hochmuth und kleinliche Eitelkeit, Trivialität in der Conver- sation, Gehaltlosigkeit in seinen Neigungen zeigten, daß er nicht zu den großen Männern gehörte. Er ist lange höher geschätzt worden, als er verdiente; Treitschkes und Rists Schriften werden seine Bedeutung auf das rechte Maß zurückführen. Der Mittelpunkt der Opposition in Paris war damals der Salon der Frau von Staöl. Nach dem Sturze Napoleons zurückgekehrt, nahm sie, von demokratischen Neigungen erfüllt, eine feindselige Stellung gegenüber der französischen Regierung ein; und die Schwächen derselben bildeten die Zielscheibe der Satire für den geist¬ reichen Kreis, der sich bei ihr einzufinden Pflegte. Der Held der Völkerfreiheit, für den sie damals schwärmte, war Bernadotte; für die Erwerbung Norwegens dnrch Schweden trat sie daher mit Begeisterung ein. Dieser Umstand mußte Rist, den Vertreter Dänemarks, hindern, in ihrem Salon sich vorstellen zu lassen. Sie vertrat Dänemark feindliche Interessen. Peinlich war es auch für Rist, in ihrem Hause A. W. Schlegel zu begegnen, der in schwedischen Solde gegen Dänemark geschrieben hatte. Der Eindruck, den Schlegel damals machte, bezeichnet Rist mit dem herben, aber schwerlich unrichtigen Wort: er war aus einem der bedeutendsten deutschen Gelehrten ein ungelenker und pedantischer Franendiener, ein süßlicher Hofmann geworden. Von Frau von Staöl entwirft Rist in einem Briefe folgendes Bild: „Sie ist nachgerade sehr welk und matronenhaft geworden, während ihr pechschwarzes Haar, ihre krallen Augen, der freche Blick und Ton, die unruhige Haltung anzeigen, daß ihre Leidenschaften den Jahren Trotz bieten und das vollkommene Bild eines koketten alten Weibes geben." Obwohl Rist ihr in mehrern Salons begegnet war, hatte er sich von ihr doch immer entfernt gehalten. Aber vergeblich. Bei einem Diner, zu welchem sowohl Rist wie Frau von StaÄ geladen waren, pries sie, wie gewöhnlich, ihren schwedischen Helden und berührte die norwegische Angelegenheit; schließlich wandte sie sich in taet- loser Weise an Rist, seine Meinung zu hören. Rist erwiederte kurz und trocken: Nais l'kvöueinöiit räh al8pM8L as l», xsins as xe-rhor. Nach Tische trat sie wieder an Rist und überschüttete ihn mit einem Phrnsenschwall, in welchem sie sich als intellectuelle Urheberin der Befreiung Norwegens vom dänischen Joch darstellte und Dänemark das Glück einer freien Verfassung wünschte. Rist ant-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/478>, abgerufen am 27.12.2024.