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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Aus den Erinnerungen eines dänischen Staatsmannes.

versteckte Colonialwaare vermuthet wurde. Von dieser Geißel wurde Hamburg
durch das Einrücken der Russen Tettenborns auf kurze Zeit befreit. Kein Zweifel,
diese Occupation war ein Handstreich des Leichtsinns. Hamburg konnte nicht
behauptet werden und mußte den Enthusiasmus, mit dem es die Befreier auf¬
genommen hatte, schwer büßen. Auch war Tettenborn durchaus nicht der Mann,
um die Rolle, die ihm zugefallen war, mit Erfolg durchzuführen. Seinem mora¬
lischen Charakter zollt Rist wenig Anerkennung. Bewies auch Tettenborn Uner-
schrockenheit und zeigte, wenn die Gelegenheit es forderte, Gewandtheit, konnte
er auch, wenn er es wollte, Feinheit der Sitten und Liebenswürdigkeit des Um¬
gangs entwickeln, fehlte es ihm auch nicht an einem edlern Element, so wurde
dies doch durch leidenschaftliche Rohheit, einen wüsten Lebenswandel und Hunger
nach Gold und Ehre niedergehalten. Auch in seinem Stäbe waren manche zweifel¬
hafte Persönlichkeiten, die eine Vertrauensstellung einnahmen, deren sie nicht würdig
waren. Die Spenden des Patriotismus der Hamburger, von Reichen und Armen
in heiliger Begeisterung geopfert, sind zum großen Theile verpraßt oder gestohlen
worden. Die Befestigung Hamburgs wurde nachlässig betrieben, und Tettenborn
bekümmerte sich nicht um sie. Auch in der Vertheidigung Hamburgs gegen den
wieder heranrückenden Davoust machte Tettenborn Fehler. Hamburg fiel von
neuem in die Hunde Frankreichs.

Die erbärmliche Rolle, welche Dänemark hierbei gespielt hatte, veranlaßte
Rist, seinen Abschied zu erbitten. Er wurde denn auch seiner Stellung enthoben
und auf Wartegeld gesetzt. Offenbar infolge eines Drucks, den Davoust ausübte,
mußte Rist seinen Aufenthalt außerhalb Holsteins nehmen. Er wählte, eben ver¬
mählt, Hcidcrslebcn zum Wohnsitz. Inzwischen gestaltete sich die Lage für die
Alliirten günstiger. Bernadotte und Tettenborn besetzten Schleswig-Holstein.
Dänemark schloß mit Schweden Frieden. Für Rist eröffnete sich damit wieder
ein neues Arbeitsfeld, er wurde Mitglied einer mit der Wiederbesitznahme und
Reorganisation der Herzogthümer so wie der Besitznahme von Pommern beauf¬
tragten Commission, die ihren Sitz in Kiel nehmen sollte. Es spricht für die
Gesinnung, welche diese Commission beseelte, daß sie aus eigner Initiative eine
Denkschrift an den König richtete, Holstein eine Verfassung zu geben, um das
fast zerrissene Band des Vertrauens zwischen dem dänischen Hofe und dem deutschen
Lande neu zu knüpfen. Aber dies Unternehmen war ein Schlag ins Wasser;
es fand keine Billigung, weder bei den Ministern noch bei dem König.

Nach der Rückkehr der Bourbonen finden wir Rist in Paris, mit dem Auf¬
trage, die Interessen Dänemarks bei den dort anzuknüpfenden Liquidationsver¬
handlungen zu vertreten. Diesem Aufenthalt verdanken wir einige werthvolle
Charakteristiken; wir heben die des Herzogs von Wellington, der Frau von StaÄ


Grenzboten I. 1881. t>2
Aus den Erinnerungen eines dänischen Staatsmannes.

versteckte Colonialwaare vermuthet wurde. Von dieser Geißel wurde Hamburg
durch das Einrücken der Russen Tettenborns auf kurze Zeit befreit. Kein Zweifel,
diese Occupation war ein Handstreich des Leichtsinns. Hamburg konnte nicht
behauptet werden und mußte den Enthusiasmus, mit dem es die Befreier auf¬
genommen hatte, schwer büßen. Auch war Tettenborn durchaus nicht der Mann,
um die Rolle, die ihm zugefallen war, mit Erfolg durchzuführen. Seinem mora¬
lischen Charakter zollt Rist wenig Anerkennung. Bewies auch Tettenborn Uner-
schrockenheit und zeigte, wenn die Gelegenheit es forderte, Gewandtheit, konnte
er auch, wenn er es wollte, Feinheit der Sitten und Liebenswürdigkeit des Um¬
gangs entwickeln, fehlte es ihm auch nicht an einem edlern Element, so wurde
dies doch durch leidenschaftliche Rohheit, einen wüsten Lebenswandel und Hunger
nach Gold und Ehre niedergehalten. Auch in seinem Stäbe waren manche zweifel¬
hafte Persönlichkeiten, die eine Vertrauensstellung einnahmen, deren sie nicht würdig
waren. Die Spenden des Patriotismus der Hamburger, von Reichen und Armen
in heiliger Begeisterung geopfert, sind zum großen Theile verpraßt oder gestohlen
worden. Die Befestigung Hamburgs wurde nachlässig betrieben, und Tettenborn
bekümmerte sich nicht um sie. Auch in der Vertheidigung Hamburgs gegen den
wieder heranrückenden Davoust machte Tettenborn Fehler. Hamburg fiel von
neuem in die Hunde Frankreichs.

Die erbärmliche Rolle, welche Dänemark hierbei gespielt hatte, veranlaßte
Rist, seinen Abschied zu erbitten. Er wurde denn auch seiner Stellung enthoben
und auf Wartegeld gesetzt. Offenbar infolge eines Drucks, den Davoust ausübte,
mußte Rist seinen Aufenthalt außerhalb Holsteins nehmen. Er wählte, eben ver¬
mählt, Hcidcrslebcn zum Wohnsitz. Inzwischen gestaltete sich die Lage für die
Alliirten günstiger. Bernadotte und Tettenborn besetzten Schleswig-Holstein.
Dänemark schloß mit Schweden Frieden. Für Rist eröffnete sich damit wieder
ein neues Arbeitsfeld, er wurde Mitglied einer mit der Wiederbesitznahme und
Reorganisation der Herzogthümer so wie der Besitznahme von Pommern beauf¬
tragten Commission, die ihren Sitz in Kiel nehmen sollte. Es spricht für die
Gesinnung, welche diese Commission beseelte, daß sie aus eigner Initiative eine
Denkschrift an den König richtete, Holstein eine Verfassung zu geben, um das
fast zerrissene Band des Vertrauens zwischen dem dänischen Hofe und dem deutschen
Lande neu zu knüpfen. Aber dies Unternehmen war ein Schlag ins Wasser;
es fand keine Billigung, weder bei den Ministern noch bei dem König.

Nach der Rückkehr der Bourbonen finden wir Rist in Paris, mit dem Auf¬
trage, die Interessen Dänemarks bei den dort anzuknüpfenden Liquidationsver¬
handlungen zu vertreten. Diesem Aufenthalt verdanken wir einige werthvolle
Charakteristiken; wir heben die des Herzogs von Wellington, der Frau von StaÄ


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[0477] Aus den Erinnerungen eines dänischen Staatsmannes. versteckte Colonialwaare vermuthet wurde. Von dieser Geißel wurde Hamburg durch das Einrücken der Russen Tettenborns auf kurze Zeit befreit. Kein Zweifel, diese Occupation war ein Handstreich des Leichtsinns. Hamburg konnte nicht behauptet werden und mußte den Enthusiasmus, mit dem es die Befreier auf¬ genommen hatte, schwer büßen. Auch war Tettenborn durchaus nicht der Mann, um die Rolle, die ihm zugefallen war, mit Erfolg durchzuführen. Seinem mora¬ lischen Charakter zollt Rist wenig Anerkennung. Bewies auch Tettenborn Uner- schrockenheit und zeigte, wenn die Gelegenheit es forderte, Gewandtheit, konnte er auch, wenn er es wollte, Feinheit der Sitten und Liebenswürdigkeit des Um¬ gangs entwickeln, fehlte es ihm auch nicht an einem edlern Element, so wurde dies doch durch leidenschaftliche Rohheit, einen wüsten Lebenswandel und Hunger nach Gold und Ehre niedergehalten. Auch in seinem Stäbe waren manche zweifel¬ hafte Persönlichkeiten, die eine Vertrauensstellung einnahmen, deren sie nicht würdig waren. Die Spenden des Patriotismus der Hamburger, von Reichen und Armen in heiliger Begeisterung geopfert, sind zum großen Theile verpraßt oder gestohlen worden. Die Befestigung Hamburgs wurde nachlässig betrieben, und Tettenborn bekümmerte sich nicht um sie. Auch in der Vertheidigung Hamburgs gegen den wieder heranrückenden Davoust machte Tettenborn Fehler. Hamburg fiel von neuem in die Hunde Frankreichs. Die erbärmliche Rolle, welche Dänemark hierbei gespielt hatte, veranlaßte Rist, seinen Abschied zu erbitten. Er wurde denn auch seiner Stellung enthoben und auf Wartegeld gesetzt. Offenbar infolge eines Drucks, den Davoust ausübte, mußte Rist seinen Aufenthalt außerhalb Holsteins nehmen. Er wählte, eben ver¬ mählt, Hcidcrslebcn zum Wohnsitz. Inzwischen gestaltete sich die Lage für die Alliirten günstiger. Bernadotte und Tettenborn besetzten Schleswig-Holstein. Dänemark schloß mit Schweden Frieden. Für Rist eröffnete sich damit wieder ein neues Arbeitsfeld, er wurde Mitglied einer mit der Wiederbesitznahme und Reorganisation der Herzogthümer so wie der Besitznahme von Pommern beauf¬ tragten Commission, die ihren Sitz in Kiel nehmen sollte. Es spricht für die Gesinnung, welche diese Commission beseelte, daß sie aus eigner Initiative eine Denkschrift an den König richtete, Holstein eine Verfassung zu geben, um das fast zerrissene Band des Vertrauens zwischen dem dänischen Hofe und dem deutschen Lande neu zu knüpfen. Aber dies Unternehmen war ein Schlag ins Wasser; es fand keine Billigung, weder bei den Ministern noch bei dem König. Nach der Rückkehr der Bourbonen finden wir Rist in Paris, mit dem Auf¬ trage, die Interessen Dänemarks bei den dort anzuknüpfenden Liquidationsver¬ handlungen zu vertreten. Diesem Aufenthalt verdanken wir einige werthvolle Charakteristiken; wir heben die des Herzogs von Wellington, der Frau von StaÄ Grenzboten I. 1881. t>2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/477>, abgerufen am 28.12.2024.