Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.Aus den Erinnerungen eines dänischen Staatsmannes, burger Gesellschaft bewegt sich überall in einer durchaus sinnlichen Sphäre und Nur kurze Zeit, wenig mehr als ein und ein halbes Jahr, hatte Rists Aus den Erinnerungen eines dänischen Staatsmannes, burger Gesellschaft bewegt sich überall in einer durchaus sinnlichen Sphäre und Nur kurze Zeit, wenig mehr als ein und ein halbes Jahr, hatte Rists <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0472" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149456"/> <fw type="header" place="top"> Aus den Erinnerungen eines dänischen Staatsmannes,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1299" prev="#ID_1298"> burger Gesellschaft bewegt sich überall in einer durchaus sinnlichen Sphäre und<lb/> schließt jedes höhere Bedürfniß aus, so daß echte Wissenschaft in dein Strudel<lb/> bald untergehen muß. Die unendliche Abstufung der Rangverhältnisse vom<lb/> Collegien-Assessor zum Hofrath, von diesem zum Collegien-, vou da zum Etats¬<lb/> und ordentlichen, zum wirklichen Etatsrath, die verschiedenen Classen des Annen-<lb/> Ordens sind eben so viele Sprossen einer Leiter, die nur durch Brauchbarkeit und<lb/> Geschmeidigkeit am Spieltisch und im Vorzimmer der hohen Gönner erstiegen<lb/> werden, wo die eigenthümliche, freie Gesinnung für immer verloren geht. Noch<lb/> lange wird sich in diesem Reich unter den Beamten eine solche nicht bilden können;<lb/> denn dies ganze Gebäude der strengen Unterordnung ruht auf der breiten Basis<lb/> einer eigenthümlich slavischen, mit europäischer Verfeinerung wohl, aber nicht mit<lb/> europäischer Bildung und Gesinnung zu verschmelzenden Nation. Wie glatt aber<lb/> auch Zweige, Blüthen und Früchte schimmern mögen, so treibt doch das slavische<lb/> Element unaufhörlich aus dieser Wurzel seine vergifteten Säfte zu ihnen hinauf,<lb/> und gleich den Sodoms-Aepfeln ist der Geschmack bitter und das Innere Asche,"<lb/> Auch an der Kaiserkrönung Alexanders zu Moskau nahm Rist Theil und sah<lb/> hier zum ersten Mal die ganze kaiserliche Familie zusammen, „Wahrlich etwas<lb/> Schöneres und wahrhaft Fürstlicheres, sagt er, könnte man nicht sehen, von der<lb/> verwitweten Kaiserin, einer großen, schönen, breiten und überaus freundlichen<lb/> Frau, bis zu den jüngern Großfürstinnen und ihren kleinen Brüdern herab.<lb/> Aber die regierende Kaiserin, damals in der Blüthe der Jugend, eine der edelsten<lb/> Gestalten, die ich je gesehen, ließ mir einen Eindruck von Anmuth und Würde,<lb/> der sich nicht verwischt hat und der sich anch nicht beschreiben läßt; ihr einfacher<lb/> und höchst geschmackvoller Putz bezeichnete gleich die Frau, die auch im Privat¬<lb/> stande die erste gewesen wäre. Nichts von kaiserlicher, aber die größte weibliche<lb/> Hoheit umgab sie, und nur an dem leicht umwölkten Auge und der tiefen Gleich-<lb/> giltigkeit, mit der sie alles um sich her zu betrachten schien, mochten sich die<lb/> Spuren ihrer erhabnen Bestimmung entdecken lassen. Der Kaiser, ein schöner<lb/> Jüngling, trug eher den Charakter der Weichheit und Ueppigkeit in seinem ganzen<lb/> Wesen, als die ernstere Richtung, welche er seitdem genommen,"</p><lb/> <p xml:id="ID_1300" next="#ID_1301"> Nur kurze Zeit, wenig mehr als ein und ein halbes Jahr, hatte Rists<lb/> Aufenthalt in Petersburg gedauert, als er in gleicher Eigenschaft nach Berlin<lb/> berufen wurde. Doch sollte er diesen Posten nicht antreten. In Kopenhagen<lb/> wurde ihm die Wahl gestellt, ob er nach Berlin gehen oder das inzwischen frei<lb/> gewordne Legationsseeretariat in Madrid übernehmen wolle. Er entschied sich<lb/> für letzteres. Auf der Reise nach Spanien verweilte er einige Zeit in Paris,<lb/> Frankreich befand sich damals im Uebergang von der Republik zum Kaiserreich.<lb/> Die Anreden Mo^en und Nonsionr wechselten, vereinzelt hörte man auch ein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0472]
Aus den Erinnerungen eines dänischen Staatsmannes,
burger Gesellschaft bewegt sich überall in einer durchaus sinnlichen Sphäre und
schließt jedes höhere Bedürfniß aus, so daß echte Wissenschaft in dein Strudel
bald untergehen muß. Die unendliche Abstufung der Rangverhältnisse vom
Collegien-Assessor zum Hofrath, von diesem zum Collegien-, vou da zum Etats¬
und ordentlichen, zum wirklichen Etatsrath, die verschiedenen Classen des Annen-
Ordens sind eben so viele Sprossen einer Leiter, die nur durch Brauchbarkeit und
Geschmeidigkeit am Spieltisch und im Vorzimmer der hohen Gönner erstiegen
werden, wo die eigenthümliche, freie Gesinnung für immer verloren geht. Noch
lange wird sich in diesem Reich unter den Beamten eine solche nicht bilden können;
denn dies ganze Gebäude der strengen Unterordnung ruht auf der breiten Basis
einer eigenthümlich slavischen, mit europäischer Verfeinerung wohl, aber nicht mit
europäischer Bildung und Gesinnung zu verschmelzenden Nation. Wie glatt aber
auch Zweige, Blüthen und Früchte schimmern mögen, so treibt doch das slavische
Element unaufhörlich aus dieser Wurzel seine vergifteten Säfte zu ihnen hinauf,
und gleich den Sodoms-Aepfeln ist der Geschmack bitter und das Innere Asche,"
Auch an der Kaiserkrönung Alexanders zu Moskau nahm Rist Theil und sah
hier zum ersten Mal die ganze kaiserliche Familie zusammen, „Wahrlich etwas
Schöneres und wahrhaft Fürstlicheres, sagt er, könnte man nicht sehen, von der
verwitweten Kaiserin, einer großen, schönen, breiten und überaus freundlichen
Frau, bis zu den jüngern Großfürstinnen und ihren kleinen Brüdern herab.
Aber die regierende Kaiserin, damals in der Blüthe der Jugend, eine der edelsten
Gestalten, die ich je gesehen, ließ mir einen Eindruck von Anmuth und Würde,
der sich nicht verwischt hat und der sich anch nicht beschreiben läßt; ihr einfacher
und höchst geschmackvoller Putz bezeichnete gleich die Frau, die auch im Privat¬
stande die erste gewesen wäre. Nichts von kaiserlicher, aber die größte weibliche
Hoheit umgab sie, und nur an dem leicht umwölkten Auge und der tiefen Gleich-
giltigkeit, mit der sie alles um sich her zu betrachten schien, mochten sich die
Spuren ihrer erhabnen Bestimmung entdecken lassen. Der Kaiser, ein schöner
Jüngling, trug eher den Charakter der Weichheit und Ueppigkeit in seinem ganzen
Wesen, als die ernstere Richtung, welche er seitdem genommen,"
Nur kurze Zeit, wenig mehr als ein und ein halbes Jahr, hatte Rists
Aufenthalt in Petersburg gedauert, als er in gleicher Eigenschaft nach Berlin
berufen wurde. Doch sollte er diesen Posten nicht antreten. In Kopenhagen
wurde ihm die Wahl gestellt, ob er nach Berlin gehen oder das inzwischen frei
gewordne Legationsseeretariat in Madrid übernehmen wolle. Er entschied sich
für letzteres. Auf der Reise nach Spanien verweilte er einige Zeit in Paris,
Frankreich befand sich damals im Uebergang von der Republik zum Kaiserreich.
Die Anreden Mo^en und Nonsionr wechselten, vereinzelt hörte man auch ein
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