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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Die gelehrte Dichtung Italiens im Zeitalter der Hochrenaissance,

Fünfhundert Jahren unsre Mühn geschäftig
Und unsre Studien wieder zu erwecken,
Laß ab vom Reim und vollen Widerhall!
Du weißt es ja, daß jene Stimme, die
Vom Felsen Antwort giebt, wo Echo wohnt,
Stets eine Feindin unsres Reiches war.
Und weißt du nicht, daß sie, in Stein verwandelt,
Erfinderin der ersten Reime ward?
Und wissen mußt du, daß, wo jene haust,
Für Bienen keine Statt, ob ihrer lästigen
Und unvollkommnen schwcitzerischcn Töne,"
So sprach der Chor, und zwischen Lipp' und Lippe
Mir legt' er eine Wabe süßen Honigs,
Und fröhlich schied er, auf zum Himmel schwebend.

Auch Luigi Alamanni, der hervorragendste didaktische Dichter Italiens (1495 bis
1556), der auch auf lyrischem, epischem und dramatischem Gebiete thätig war,
folgt in den formgewandten Versen seiner "Agricoltura," die nicht gelesen zu
haben selbst ein Parmi für eine Schande erachtete, dem Beispiele der "Georgien,"
wobei er seine Vorschriften über Landbau, Viehzucht u, f. w, durch mythologische
Episoden schmackhafter zu machen bemüht ist.

Die verschiedensten Gegenstände, oft sehr seltsamer Art, boten Veranlassung
zu mehr oder weniger umfangreichen Lehrgedichten; so verfaßte der schon er¬
wähnte Girvlcuno Vida Gedichte über die Seidenzucht (Loind^oren) und über
das Schachspiel (Lotroonig, Indus), von denen das letztere das Entzücken Leos X.
bildete; Luca Valenziano wählte die Anatomie als Thema, während Pietro An-
geliv Borge" und Fracastoro über die Dressur der Jagdhunde, natale Conti
und Cardinal Adriano über die Jagd versifieirtc Anweisungen gaben und Ber-
nardino Baldi in seinen Mutier sich über Schiffsbau und Seefahrt verbreitete.
Die Anführung dieser Titel, die sich beliebig vermehren ließen, möge genügen, um
eine Vorstellung davon zu geben, in welchen Stoffen sich diese üppig wuchernde
Gattung bewegte, Vida und Fracastoro bekunden ihren poetischen Sinn wenig¬
stens in manchen schildernden Partien. Das; übrigens die bloße Umbildung der
vom Alterthum überlieferten Gegenstände den Dichtern nicht immer genügte,
sondern auch die Gegenwart mit ihrer Fülle neuer Anregungen und Entdeckungen
sie doch bisweilen inspirirte, soll nicht unerwähnt bleiben. So fand die Ankunft
des Columbus in Amerika in den einen medicinischen Gegenstand behandelnden
Hexametern Fracastoros ihre Schilderung, die freilich in ziemlich absnrder Weise
mit mythologischen Nomenclaturen verquickt ist; die Erfindung des Compasses
verwerthete Baldi geschickt in seinen obengenannten Nautica: Flavio Gioja, der
Jupiter um ein Mittel gebeten, den Curs der Schiffe anch bei bedecktem Himmel
zu reguliren, erhält den Rath, nach Elba zu gehen und dort die Nymphe Caia-


Die gelehrte Dichtung Italiens im Zeitalter der Hochrenaissance,

Fünfhundert Jahren unsre Mühn geschäftig
Und unsre Studien wieder zu erwecken,
Laß ab vom Reim und vollen Widerhall!
Du weißt es ja, daß jene Stimme, die
Vom Felsen Antwort giebt, wo Echo wohnt,
Stets eine Feindin unsres Reiches war.
Und weißt du nicht, daß sie, in Stein verwandelt,
Erfinderin der ersten Reime ward?
Und wissen mußt du, daß, wo jene haust,
Für Bienen keine Statt, ob ihrer lästigen
Und unvollkommnen schwcitzerischcn Töne,"
So sprach der Chor, und zwischen Lipp' und Lippe
Mir legt' er eine Wabe süßen Honigs,
Und fröhlich schied er, auf zum Himmel schwebend.

Auch Luigi Alamanni, der hervorragendste didaktische Dichter Italiens (1495 bis
1556), der auch auf lyrischem, epischem und dramatischem Gebiete thätig war,
folgt in den formgewandten Versen seiner „Agricoltura," die nicht gelesen zu
haben selbst ein Parmi für eine Schande erachtete, dem Beispiele der „Georgien,"
wobei er seine Vorschriften über Landbau, Viehzucht u, f. w, durch mythologische
Episoden schmackhafter zu machen bemüht ist.

Die verschiedensten Gegenstände, oft sehr seltsamer Art, boten Veranlassung
zu mehr oder weniger umfangreichen Lehrgedichten; so verfaßte der schon er¬
wähnte Girvlcuno Vida Gedichte über die Seidenzucht (Loind^oren) und über
das Schachspiel (Lotroonig, Indus), von denen das letztere das Entzücken Leos X.
bildete; Luca Valenziano wählte die Anatomie als Thema, während Pietro An-
geliv Borge» und Fracastoro über die Dressur der Jagdhunde, natale Conti
und Cardinal Adriano über die Jagd versifieirtc Anweisungen gaben und Ber-
nardino Baldi in seinen Mutier sich über Schiffsbau und Seefahrt verbreitete.
Die Anführung dieser Titel, die sich beliebig vermehren ließen, möge genügen, um
eine Vorstellung davon zu geben, in welchen Stoffen sich diese üppig wuchernde
Gattung bewegte, Vida und Fracastoro bekunden ihren poetischen Sinn wenig¬
stens in manchen schildernden Partien. Das; übrigens die bloße Umbildung der
vom Alterthum überlieferten Gegenstände den Dichtern nicht immer genügte,
sondern auch die Gegenwart mit ihrer Fülle neuer Anregungen und Entdeckungen
sie doch bisweilen inspirirte, soll nicht unerwähnt bleiben. So fand die Ankunft
des Columbus in Amerika in den einen medicinischen Gegenstand behandelnden
Hexametern Fracastoros ihre Schilderung, die freilich in ziemlich absnrder Weise
mit mythologischen Nomenclaturen verquickt ist; die Erfindung des Compasses
verwerthete Baldi geschickt in seinen obengenannten Nautica: Flavio Gioja, der
Jupiter um ein Mittel gebeten, den Curs der Schiffe anch bei bedecktem Himmel
zu reguliren, erhält den Rath, nach Elba zu gehen und dort die Nymphe Caia-


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[0430] Die gelehrte Dichtung Italiens im Zeitalter der Hochrenaissance, Fünfhundert Jahren unsre Mühn geschäftig Und unsre Studien wieder zu erwecken, Laß ab vom Reim und vollen Widerhall! Du weißt es ja, daß jene Stimme, die Vom Felsen Antwort giebt, wo Echo wohnt, Stets eine Feindin unsres Reiches war. Und weißt du nicht, daß sie, in Stein verwandelt, Erfinderin der ersten Reime ward? Und wissen mußt du, daß, wo jene haust, Für Bienen keine Statt, ob ihrer lästigen Und unvollkommnen schwcitzerischcn Töne," So sprach der Chor, und zwischen Lipp' und Lippe Mir legt' er eine Wabe süßen Honigs, Und fröhlich schied er, auf zum Himmel schwebend. Auch Luigi Alamanni, der hervorragendste didaktische Dichter Italiens (1495 bis 1556), der auch auf lyrischem, epischem und dramatischem Gebiete thätig war, folgt in den formgewandten Versen seiner „Agricoltura," die nicht gelesen zu haben selbst ein Parmi für eine Schande erachtete, dem Beispiele der „Georgien," wobei er seine Vorschriften über Landbau, Viehzucht u, f. w, durch mythologische Episoden schmackhafter zu machen bemüht ist. Die verschiedensten Gegenstände, oft sehr seltsamer Art, boten Veranlassung zu mehr oder weniger umfangreichen Lehrgedichten; so verfaßte der schon er¬ wähnte Girvlcuno Vida Gedichte über die Seidenzucht (Loind^oren) und über das Schachspiel (Lotroonig, Indus), von denen das letztere das Entzücken Leos X. bildete; Luca Valenziano wählte die Anatomie als Thema, während Pietro An- geliv Borge» und Fracastoro über die Dressur der Jagdhunde, natale Conti und Cardinal Adriano über die Jagd versifieirtc Anweisungen gaben und Ber- nardino Baldi in seinen Mutier sich über Schiffsbau und Seefahrt verbreitete. Die Anführung dieser Titel, die sich beliebig vermehren ließen, möge genügen, um eine Vorstellung davon zu geben, in welchen Stoffen sich diese üppig wuchernde Gattung bewegte, Vida und Fracastoro bekunden ihren poetischen Sinn wenig¬ stens in manchen schildernden Partien. Das; übrigens die bloße Umbildung der vom Alterthum überlieferten Gegenstände den Dichtern nicht immer genügte, sondern auch die Gegenwart mit ihrer Fülle neuer Anregungen und Entdeckungen sie doch bisweilen inspirirte, soll nicht unerwähnt bleiben. So fand die Ankunft des Columbus in Amerika in den einen medicinischen Gegenstand behandelnden Hexametern Fracastoros ihre Schilderung, die freilich in ziemlich absnrder Weise mit mythologischen Nomenclaturen verquickt ist; die Erfindung des Compasses verwerthete Baldi geschickt in seinen obengenannten Nautica: Flavio Gioja, der Jupiter um ein Mittel gebeten, den Curs der Schiffe anch bei bedecktem Himmel zu reguliren, erhält den Rath, nach Elba zu gehen und dort die Nymphe Caia-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/430>, abgerufen am 28.12.2024.