Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die LntlMnngen über die russische Politik in Asien.

und dies ist, wie wir sehen, nicht geschehen. Der Tractat von Berlin ferner
wurde am 13. Juli unterzeichnet, und von diesem Datum an konnte Rußland
keine Feindseligkeiten von England mehr erwarten, und so war auch kein Grund
mehr vorhanden, russischerseits gegen jenes zu conspiriren. Aber die folgenden
Allszüge aus der in Kabul erbeuteten Correspondenz zeigen, daß die russischen
Ränke jetzt erst recht einen böswilligen Charakter annahmen. Stoljeteff verweilte
in Kabul nur einige Tage, ließ aber in Oberst Rvsgonvff einen Vertreter zurück.
Derselbe wird mit dem Emir und seinen Räthen weiter verhandelt haben, und
wenn dies nur mündlich geschehen ist, so zeigen die nachstehenden Briefe deutlich,
welche Tendenz diese Verhandlungen hatten.

Stoljeteff schreibt unterm 21. September 1878 an den afghanischen Minister
des Auswärtigen: "Ich versuche Tag und Nacht unsre Ziele zu erreichen und
hoffe Erfolg zu haben. Ich gehe heute zum Kaiser, um Sr. Majestät persönlich
von unsern Angelegenheiten Bericht zu erstatten. Wenn es Gott gefällt, so wird
alles, was nothwendig ist, gethan und bestätigt werden. Ich hoffe, daß die, welche
von Osten her in die Thore von Kabul eindringen wollen, sehen werden, daß
die Thür geschlossen ist, dann werden sie, das wolle Gott, erzittern. Ich hoffe,
Sie werden Se. Hoheit den Emir respectvoll von mir grüßen. Möge Gott sein
Leben verlängern und seinen Reichthum mehren!"

In einem zweiten Briefe desselben Generals, datirt vom 8. October 1878
und an den Wcssir Schah Muhammed Chan gerichtet, heißt es: "Gott sei Dank,
meine Bemühungen sind nicht vergeblich gewesen. Der große Kaiser ist ein treuer
Freund des Emirs und Afghanistans, und Se. Majestät wird alles thun, was
er für nothwendig halten wird. Natürlich haben Sie nicht vergessen, was ich
Ihnen sagte, daß nämlich die Angelegenheiten der Königreiche wie ein Land sind,
das viele Berge, Thäler und Ströme hat. Jemand, der auf einem hohen Berge
sitzt, kann diese Dinge gut überschauen. Durch die Macht und Ordnung Gottes
ist kein Reich dem unsers großen Kaisers gleich. Möge Gott ihm langes Leben
schenken! Deshalb sollten Sie allem, was unsere Regierung Ihnen auräth, Ihr
Ohr leihen. Ich sage Ihnen in Wahrheit, daß unsere Regierung so klug wie
eine Schlange und so arglos wie eine Taube ist. Es giebt viele Dinge, die Sie
nicht verstehen können, aber unsre Regierung versteht sie alle. Oft geschieht es,
daß eine Anfangs unerfreuliche Sache später als ein Segen betrachtet wird. Nun,
mein lieber Freund, ich benachrichtige Sie, daß der Feind Ihrer berühmten
Religion durch den Sultan mit Ihnen Frieden schließen will. Deshalb sollten Sie
nach Ihren Brüdern sehen, die jenseits des Stromes wohnen (den muhammedanischen
Jndiern). Wenn Gott sie aufregt und ihnen das Schwert des Kampfes in die
Hand giebt, so brecht in Gottes Namen los. Andernfalls sollten Sie wie eine


Die LntlMnngen über die russische Politik in Asien.

und dies ist, wie wir sehen, nicht geschehen. Der Tractat von Berlin ferner
wurde am 13. Juli unterzeichnet, und von diesem Datum an konnte Rußland
keine Feindseligkeiten von England mehr erwarten, und so war auch kein Grund
mehr vorhanden, russischerseits gegen jenes zu conspiriren. Aber die folgenden
Allszüge aus der in Kabul erbeuteten Correspondenz zeigen, daß die russischen
Ränke jetzt erst recht einen böswilligen Charakter annahmen. Stoljeteff verweilte
in Kabul nur einige Tage, ließ aber in Oberst Rvsgonvff einen Vertreter zurück.
Derselbe wird mit dem Emir und seinen Räthen weiter verhandelt haben, und
wenn dies nur mündlich geschehen ist, so zeigen die nachstehenden Briefe deutlich,
welche Tendenz diese Verhandlungen hatten.

Stoljeteff schreibt unterm 21. September 1878 an den afghanischen Minister
des Auswärtigen: „Ich versuche Tag und Nacht unsre Ziele zu erreichen und
hoffe Erfolg zu haben. Ich gehe heute zum Kaiser, um Sr. Majestät persönlich
von unsern Angelegenheiten Bericht zu erstatten. Wenn es Gott gefällt, so wird
alles, was nothwendig ist, gethan und bestätigt werden. Ich hoffe, daß die, welche
von Osten her in die Thore von Kabul eindringen wollen, sehen werden, daß
die Thür geschlossen ist, dann werden sie, das wolle Gott, erzittern. Ich hoffe,
Sie werden Se. Hoheit den Emir respectvoll von mir grüßen. Möge Gott sein
Leben verlängern und seinen Reichthum mehren!"

In einem zweiten Briefe desselben Generals, datirt vom 8. October 1878
und an den Wcssir Schah Muhammed Chan gerichtet, heißt es: „Gott sei Dank,
meine Bemühungen sind nicht vergeblich gewesen. Der große Kaiser ist ein treuer
Freund des Emirs und Afghanistans, und Se. Majestät wird alles thun, was
er für nothwendig halten wird. Natürlich haben Sie nicht vergessen, was ich
Ihnen sagte, daß nämlich die Angelegenheiten der Königreiche wie ein Land sind,
das viele Berge, Thäler und Ströme hat. Jemand, der auf einem hohen Berge
sitzt, kann diese Dinge gut überschauen. Durch die Macht und Ordnung Gottes
ist kein Reich dem unsers großen Kaisers gleich. Möge Gott ihm langes Leben
schenken! Deshalb sollten Sie allem, was unsere Regierung Ihnen auräth, Ihr
Ohr leihen. Ich sage Ihnen in Wahrheit, daß unsere Regierung so klug wie
eine Schlange und so arglos wie eine Taube ist. Es giebt viele Dinge, die Sie
nicht verstehen können, aber unsre Regierung versteht sie alle. Oft geschieht es,
daß eine Anfangs unerfreuliche Sache später als ein Segen betrachtet wird. Nun,
mein lieber Freund, ich benachrichtige Sie, daß der Feind Ihrer berühmten
Religion durch den Sultan mit Ihnen Frieden schließen will. Deshalb sollten Sie
nach Ihren Brüdern sehen, die jenseits des Stromes wohnen (den muhammedanischen
Jndiern). Wenn Gott sie aufregt und ihnen das Schwert des Kampfes in die
Hand giebt, so brecht in Gottes Namen los. Andernfalls sollten Sie wie eine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0416" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149400"/>
          <fw type="header" place="top"> Die LntlMnngen über die russische Politik in Asien.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1130" prev="#ID_1129"> und dies ist, wie wir sehen, nicht geschehen. Der Tractat von Berlin ferner<lb/>
wurde am 13. Juli unterzeichnet, und von diesem Datum an konnte Rußland<lb/>
keine Feindseligkeiten von England mehr erwarten, und so war auch kein Grund<lb/>
mehr vorhanden, russischerseits gegen jenes zu conspiriren. Aber die folgenden<lb/>
Allszüge aus der in Kabul erbeuteten Correspondenz zeigen, daß die russischen<lb/>
Ränke jetzt erst recht einen böswilligen Charakter annahmen. Stoljeteff verweilte<lb/>
in Kabul nur einige Tage, ließ aber in Oberst Rvsgonvff einen Vertreter zurück.<lb/>
Derselbe wird mit dem Emir und seinen Räthen weiter verhandelt haben, und<lb/>
wenn dies nur mündlich geschehen ist, so zeigen die nachstehenden Briefe deutlich,<lb/>
welche Tendenz diese Verhandlungen hatten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1131"> Stoljeteff schreibt unterm 21. September 1878 an den afghanischen Minister<lb/>
des Auswärtigen: &#x201E;Ich versuche Tag und Nacht unsre Ziele zu erreichen und<lb/>
hoffe Erfolg zu haben. Ich gehe heute zum Kaiser, um Sr. Majestät persönlich<lb/>
von unsern Angelegenheiten Bericht zu erstatten. Wenn es Gott gefällt, so wird<lb/>
alles, was nothwendig ist, gethan und bestätigt werden. Ich hoffe, daß die, welche<lb/>
von Osten her in die Thore von Kabul eindringen wollen, sehen werden, daß<lb/>
die Thür geschlossen ist, dann werden sie, das wolle Gott, erzittern. Ich hoffe,<lb/>
Sie werden Se. Hoheit den Emir respectvoll von mir grüßen. Möge Gott sein<lb/>
Leben verlängern und seinen Reichthum mehren!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1132" next="#ID_1133"> In einem zweiten Briefe desselben Generals, datirt vom 8. October 1878<lb/>
und an den Wcssir Schah Muhammed Chan gerichtet, heißt es: &#x201E;Gott sei Dank,<lb/>
meine Bemühungen sind nicht vergeblich gewesen. Der große Kaiser ist ein treuer<lb/>
Freund des Emirs und Afghanistans, und Se. Majestät wird alles thun, was<lb/>
er für nothwendig halten wird. Natürlich haben Sie nicht vergessen, was ich<lb/>
Ihnen sagte, daß nämlich die Angelegenheiten der Königreiche wie ein Land sind,<lb/>
das viele Berge, Thäler und Ströme hat. Jemand, der auf einem hohen Berge<lb/>
sitzt, kann diese Dinge gut überschauen. Durch die Macht und Ordnung Gottes<lb/>
ist kein Reich dem unsers großen Kaisers gleich. Möge Gott ihm langes Leben<lb/>
schenken! Deshalb sollten Sie allem, was unsere Regierung Ihnen auräth, Ihr<lb/>
Ohr leihen. Ich sage Ihnen in Wahrheit, daß unsere Regierung so klug wie<lb/>
eine Schlange und so arglos wie eine Taube ist. Es giebt viele Dinge, die Sie<lb/>
nicht verstehen können, aber unsre Regierung versteht sie alle. Oft geschieht es,<lb/>
daß eine Anfangs unerfreuliche Sache später als ein Segen betrachtet wird. Nun,<lb/>
mein lieber Freund, ich benachrichtige Sie, daß der Feind Ihrer berühmten<lb/>
Religion durch den Sultan mit Ihnen Frieden schließen will. Deshalb sollten Sie<lb/>
nach Ihren Brüdern sehen, die jenseits des Stromes wohnen (den muhammedanischen<lb/>
Jndiern). Wenn Gott sie aufregt und ihnen das Schwert des Kampfes in die<lb/>
Hand giebt, so brecht in Gottes Namen los. Andernfalls sollten Sie wie eine</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0416] Die LntlMnngen über die russische Politik in Asien. und dies ist, wie wir sehen, nicht geschehen. Der Tractat von Berlin ferner wurde am 13. Juli unterzeichnet, und von diesem Datum an konnte Rußland keine Feindseligkeiten von England mehr erwarten, und so war auch kein Grund mehr vorhanden, russischerseits gegen jenes zu conspiriren. Aber die folgenden Allszüge aus der in Kabul erbeuteten Correspondenz zeigen, daß die russischen Ränke jetzt erst recht einen böswilligen Charakter annahmen. Stoljeteff verweilte in Kabul nur einige Tage, ließ aber in Oberst Rvsgonvff einen Vertreter zurück. Derselbe wird mit dem Emir und seinen Räthen weiter verhandelt haben, und wenn dies nur mündlich geschehen ist, so zeigen die nachstehenden Briefe deutlich, welche Tendenz diese Verhandlungen hatten. Stoljeteff schreibt unterm 21. September 1878 an den afghanischen Minister des Auswärtigen: „Ich versuche Tag und Nacht unsre Ziele zu erreichen und hoffe Erfolg zu haben. Ich gehe heute zum Kaiser, um Sr. Majestät persönlich von unsern Angelegenheiten Bericht zu erstatten. Wenn es Gott gefällt, so wird alles, was nothwendig ist, gethan und bestätigt werden. Ich hoffe, daß die, welche von Osten her in die Thore von Kabul eindringen wollen, sehen werden, daß die Thür geschlossen ist, dann werden sie, das wolle Gott, erzittern. Ich hoffe, Sie werden Se. Hoheit den Emir respectvoll von mir grüßen. Möge Gott sein Leben verlängern und seinen Reichthum mehren!" In einem zweiten Briefe desselben Generals, datirt vom 8. October 1878 und an den Wcssir Schah Muhammed Chan gerichtet, heißt es: „Gott sei Dank, meine Bemühungen sind nicht vergeblich gewesen. Der große Kaiser ist ein treuer Freund des Emirs und Afghanistans, und Se. Majestät wird alles thun, was er für nothwendig halten wird. Natürlich haben Sie nicht vergessen, was ich Ihnen sagte, daß nämlich die Angelegenheiten der Königreiche wie ein Land sind, das viele Berge, Thäler und Ströme hat. Jemand, der auf einem hohen Berge sitzt, kann diese Dinge gut überschauen. Durch die Macht und Ordnung Gottes ist kein Reich dem unsers großen Kaisers gleich. Möge Gott ihm langes Leben schenken! Deshalb sollten Sie allem, was unsere Regierung Ihnen auräth, Ihr Ohr leihen. Ich sage Ihnen in Wahrheit, daß unsere Regierung so klug wie eine Schlange und so arglos wie eine Taube ist. Es giebt viele Dinge, die Sie nicht verstehen können, aber unsre Regierung versteht sie alle. Oft geschieht es, daß eine Anfangs unerfreuliche Sache später als ein Segen betrachtet wird. Nun, mein lieber Freund, ich benachrichtige Sie, daß der Feind Ihrer berühmten Religion durch den Sultan mit Ihnen Frieden schließen will. Deshalb sollten Sie nach Ihren Brüdern sehen, die jenseits des Stromes wohnen (den muhammedanischen Jndiern). Wenn Gott sie aufregt und ihnen das Schwert des Kampfes in die Hand giebt, so brecht in Gottes Namen los. Andernfalls sollten Sie wie eine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/416
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/416>, abgerufen am 28.12.2024.