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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Die Enthüllungen über die russische Politik in Asien.

"1. Die russische Regierung verpflichtet sich, daß die Freundschaft zwischen
der russischen Regierung und der Regierung des Emirs schir Ali Chan, Emirs
von ganz Afghanistan, eine dauernde und ewige sein wird. 2. Die russische Re¬
gierung verpflichtet sich, daß, da Sirdar Abdnlla Jan, der Sohn des Emirs,
gestorben ist, die Freundschaft der russischen Regierung mit jeder Persönlichkeit,
welche der Emir zum Thronfolger in Afghanistan bestimmen wird, und mit dem
Erben des Thronfolgers eine feste und ewige sein wird. 3. Die russische Regierung
verpflichtet sich, für den Fall, daß irgend ein fremder Feind Afghanistan angreift
und der Emir außer Staude ist, ihn zu vertreiben, und den Beistand der russischen
Regierung nachsucht, die russische Regierung den Feind entweder mit Hilfe von
Rathschlägen oder solchen andern Mitteln, die sie für fachgemäß hält, zurückweisen
wird. 4. Der Emir von Afghanistan wird mit keiner fremden Macht ohne die
russische Regierung um Rath zu fragen und ohne deren Erlaubniß Krieg führen.
5. Der Emir von Afghanistan verpflichtet sich, der russischen Regierung immer
in freundschaftlicher Weise zu berichten, was in seinem Reiche vorgeht. 6. Der
Emir von Afghanistan wird jeden seiner Wünsche und jede seiner wichtigen An¬
gelegenheiten dem Generalgouvemeur von Turkestan, General v. Kaufmann mit¬
theilen, und der Generalgouvemeur wird von der russischen Regierung autorisire
werden, die Wünsche des Emirs zu erfüllen. 7. Die russische Regierung ver¬
pflichtet sich, daß die afghanischen Kaufleute, die auf russischem Gebiete Handel
treiben und Aufenthalt nehmen, vor Unrecht sicher sein sollen, und daß ihnen ge¬
stattet sein soll, ihren Gewinn mit hinwegzunehmen. 8. Der Emir von Afghanistan
wird die Macht haben, seine Diener zur Erlernung von Künsten und Gewerben
nach Rußland zu senden, und die russischen Beamten werden dieselben als Männer
von Rang mit Rücksicht und Achtung behandeln. 9. (Ist dem Aufzeichner nicht
mehr erinnerlich.) 10. Ich, der Generalmajor Nicolaus Stoljeteff, habe als ver¬
trauter Unterhändler der russischen Regierung die obenerwähnten Artikel zwischen
der russischen Regierung und der Regierung des Emirs schir Ali Chan ent¬
worfen und mein Siegel daruntergesetzt."

Der Berliner Friedensvertrag wurde am 13. Juli 1878 unterzeichnet. Nun
haben die Regierungspresse Rußlands und seine Freunde in England, d. h. Herr
Gladstone und seine Anhänger, behauptet, der Grund, weshalb Rußland versucht,
in Afghanistan Einfluß zu gewinnen, habe in dessen Befürchtung gelegen, daß
man britischerseits feindselig gegen Rußland vorgehen werde, und daß letzteres
nur seiner Selbstvertheidigung halber mit dem Emir intriguirt habe. Dies ist
aber unwahr. Da man in Petersburg schon am 13. Juni wußte, daß ein Krieg
zwischen England und Rußland sehr unwahrscheinlich geworden war, hätte man
den Abgang Stoljeteffs nach Kabul telegraphisch verhindern oder vertagen sollen,


Die Enthüllungen über die russische Politik in Asien.

„1. Die russische Regierung verpflichtet sich, daß die Freundschaft zwischen
der russischen Regierung und der Regierung des Emirs schir Ali Chan, Emirs
von ganz Afghanistan, eine dauernde und ewige sein wird. 2. Die russische Re¬
gierung verpflichtet sich, daß, da Sirdar Abdnlla Jan, der Sohn des Emirs,
gestorben ist, die Freundschaft der russischen Regierung mit jeder Persönlichkeit,
welche der Emir zum Thronfolger in Afghanistan bestimmen wird, und mit dem
Erben des Thronfolgers eine feste und ewige sein wird. 3. Die russische Regierung
verpflichtet sich, für den Fall, daß irgend ein fremder Feind Afghanistan angreift
und der Emir außer Staude ist, ihn zu vertreiben, und den Beistand der russischen
Regierung nachsucht, die russische Regierung den Feind entweder mit Hilfe von
Rathschlägen oder solchen andern Mitteln, die sie für fachgemäß hält, zurückweisen
wird. 4. Der Emir von Afghanistan wird mit keiner fremden Macht ohne die
russische Regierung um Rath zu fragen und ohne deren Erlaubniß Krieg führen.
5. Der Emir von Afghanistan verpflichtet sich, der russischen Regierung immer
in freundschaftlicher Weise zu berichten, was in seinem Reiche vorgeht. 6. Der
Emir von Afghanistan wird jeden seiner Wünsche und jede seiner wichtigen An¬
gelegenheiten dem Generalgouvemeur von Turkestan, General v. Kaufmann mit¬
theilen, und der Generalgouvemeur wird von der russischen Regierung autorisire
werden, die Wünsche des Emirs zu erfüllen. 7. Die russische Regierung ver¬
pflichtet sich, daß die afghanischen Kaufleute, die auf russischem Gebiete Handel
treiben und Aufenthalt nehmen, vor Unrecht sicher sein sollen, und daß ihnen ge¬
stattet sein soll, ihren Gewinn mit hinwegzunehmen. 8. Der Emir von Afghanistan
wird die Macht haben, seine Diener zur Erlernung von Künsten und Gewerben
nach Rußland zu senden, und die russischen Beamten werden dieselben als Männer
von Rang mit Rücksicht und Achtung behandeln. 9. (Ist dem Aufzeichner nicht
mehr erinnerlich.) 10. Ich, der Generalmajor Nicolaus Stoljeteff, habe als ver¬
trauter Unterhändler der russischen Regierung die obenerwähnten Artikel zwischen
der russischen Regierung und der Regierung des Emirs schir Ali Chan ent¬
worfen und mein Siegel daruntergesetzt."

Der Berliner Friedensvertrag wurde am 13. Juli 1878 unterzeichnet. Nun
haben die Regierungspresse Rußlands und seine Freunde in England, d. h. Herr
Gladstone und seine Anhänger, behauptet, der Grund, weshalb Rußland versucht,
in Afghanistan Einfluß zu gewinnen, habe in dessen Befürchtung gelegen, daß
man britischerseits feindselig gegen Rußland vorgehen werde, und daß letzteres
nur seiner Selbstvertheidigung halber mit dem Emir intriguirt habe. Dies ist
aber unwahr. Da man in Petersburg schon am 13. Juni wußte, daß ein Krieg
zwischen England und Rußland sehr unwahrscheinlich geworden war, hätte man
den Abgang Stoljeteffs nach Kabul telegraphisch verhindern oder vertagen sollen,


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[0415] Die Enthüllungen über die russische Politik in Asien. „1. Die russische Regierung verpflichtet sich, daß die Freundschaft zwischen der russischen Regierung und der Regierung des Emirs schir Ali Chan, Emirs von ganz Afghanistan, eine dauernde und ewige sein wird. 2. Die russische Re¬ gierung verpflichtet sich, daß, da Sirdar Abdnlla Jan, der Sohn des Emirs, gestorben ist, die Freundschaft der russischen Regierung mit jeder Persönlichkeit, welche der Emir zum Thronfolger in Afghanistan bestimmen wird, und mit dem Erben des Thronfolgers eine feste und ewige sein wird. 3. Die russische Regierung verpflichtet sich, für den Fall, daß irgend ein fremder Feind Afghanistan angreift und der Emir außer Staude ist, ihn zu vertreiben, und den Beistand der russischen Regierung nachsucht, die russische Regierung den Feind entweder mit Hilfe von Rathschlägen oder solchen andern Mitteln, die sie für fachgemäß hält, zurückweisen wird. 4. Der Emir von Afghanistan wird mit keiner fremden Macht ohne die russische Regierung um Rath zu fragen und ohne deren Erlaubniß Krieg führen. 5. Der Emir von Afghanistan verpflichtet sich, der russischen Regierung immer in freundschaftlicher Weise zu berichten, was in seinem Reiche vorgeht. 6. Der Emir von Afghanistan wird jeden seiner Wünsche und jede seiner wichtigen An¬ gelegenheiten dem Generalgouvemeur von Turkestan, General v. Kaufmann mit¬ theilen, und der Generalgouvemeur wird von der russischen Regierung autorisire werden, die Wünsche des Emirs zu erfüllen. 7. Die russische Regierung ver¬ pflichtet sich, daß die afghanischen Kaufleute, die auf russischem Gebiete Handel treiben und Aufenthalt nehmen, vor Unrecht sicher sein sollen, und daß ihnen ge¬ stattet sein soll, ihren Gewinn mit hinwegzunehmen. 8. Der Emir von Afghanistan wird die Macht haben, seine Diener zur Erlernung von Künsten und Gewerben nach Rußland zu senden, und die russischen Beamten werden dieselben als Männer von Rang mit Rücksicht und Achtung behandeln. 9. (Ist dem Aufzeichner nicht mehr erinnerlich.) 10. Ich, der Generalmajor Nicolaus Stoljeteff, habe als ver¬ trauter Unterhändler der russischen Regierung die obenerwähnten Artikel zwischen der russischen Regierung und der Regierung des Emirs schir Ali Chan ent¬ worfen und mein Siegel daruntergesetzt." Der Berliner Friedensvertrag wurde am 13. Juli 1878 unterzeichnet. Nun haben die Regierungspresse Rußlands und seine Freunde in England, d. h. Herr Gladstone und seine Anhänger, behauptet, der Grund, weshalb Rußland versucht, in Afghanistan Einfluß zu gewinnen, habe in dessen Befürchtung gelegen, daß man britischerseits feindselig gegen Rußland vorgehen werde, und daß letzteres nur seiner Selbstvertheidigung halber mit dem Emir intriguirt habe. Dies ist aber unwahr. Da man in Petersburg schon am 13. Juni wußte, daß ein Krieg zwischen England und Rußland sehr unwahrscheinlich geworden war, hätte man den Abgang Stoljeteffs nach Kabul telegraphisch verhindern oder vertagen sollen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/415>, abgerufen am 27.12.2024.