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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Das Herrenhaus,

zu rechtfertigen, daß sie der Regierung des Königs, der ihnen ihr Mandat er¬
theilt, thunlichst viele Schwierigkeiten und Verlegenheiten zu bereiten bemüht sind.

Daß eine infolge ihrer Zusammensetzung nothwendig unfruchtbare Opposition
dieser Art dem Herrenhause drei volle Tage von der Woche, die demselben zur
Erledigung der obengenannten wichtigen Fragen überhaupt übrig blieb, weg¬
nehmen konnte, zeigt einen Grad von Nachsicht auf Seiten der Mehrheit, den
wir mit zu den Ursachen der mangelhaften praktischen Betheiligung jeuer Körper¬
schaft an unsrer Politik zählen dürfen. In der kurzen Zeit, welche demzufolge
dem Hause noch geblieben ist, hat es den Staatshaushalt und das Zuständig¬
keitsgesetz zu bewältigen. Daran aber, daß es überhaupt bis aus die beiden
letzten Wochen der Session neben den vielen und meist sehr lebhafte" Debatten
des andern Hauses unthätig bleiben mußte, ist unsrer Ansicht nach das Herren¬
haus selbst nicht schuld, mindestens dürfen wir in ihm die Quelle dieses Uebel-
stauds nicht allein suchen. Allerdings sällt dabei ein gewisser Mangel an Interesse
für staatliche Angelegenheiten, der bei einem großen Theile unsrer Lords zu
beobachten ist, erheblich ins Gewicht. Die Hauptschuld jedoch trägt unsers Er-
achtens die Staatsregierung und zwar deshalb, weil sie nicht nur die finanziellen
Vorlage", sondern gleichzeitig auch alle wichtigen und Interesse erweckenden
andern Vorschlüge und Entwürfe zuerst an das Abgeordnetenhaus bringt. Jenes
ist durch die Verfassung geboten, dieses nicht.

Wir wissen, um ein Beispiel für das Gesagte anzuführen, nicht und können
auch nicht errathen, aus welchen Rücksichten die Regierung sich bewogen gesehen
hat, sämmtliche Organisationsgesetze, sowohl die, welche für die ganze Monarchie,
als die, welche für einzelne Provinzen bestimmt waren, regelmäßig und aus¬
schließlich zunächst den? Abgeordnetenhause vorzulegen, welches dieselben entweder
in seinen Commissionen liegen oder sie wenigstens nicht vor der Schlußwoche
der Session dem Herrenhause zukomme" ließ. Manchen Leuten kann dabei eine
Variation des bekannten Schillerschen Verses einfallen, die ungefähr laute"
würde: Wenn das Laster satt ist, setzt sich die Tugend zu Tisch. Mit andern
Worten: der bescheidene Theil wird seiner Bescheidenheit gemäß hintangesetzt
und übel behandelt. Sollen wir uns die Sache damit erklären, daß wir sagen:
Vor dem Abgeordnetenhaus? fürchtet sich die Negierung, vor dem Herrenhause nicht?

Wir sind der Meinung, daß diese Politik weder recht würdig, noch recht
Praktisch ist. Ja mau kann dieses Verfahre" kaum als Politik bezeichnen; denn
mit diesem Ausdrucke Pflegen wir doch in der Regel den Begriff einer Thätig¬
keit zu benenne", welche weiter schaut als auf leichte und bequeme Befriedigung
einzelner Bedürfnisse der Verwaltung. Wir können uns der Befürchtung nicht
erwehren, daß spätere Regierungen den Fehler zu büßen haben werden, welchen


Das Herrenhaus,

zu rechtfertigen, daß sie der Regierung des Königs, der ihnen ihr Mandat er¬
theilt, thunlichst viele Schwierigkeiten und Verlegenheiten zu bereiten bemüht sind.

Daß eine infolge ihrer Zusammensetzung nothwendig unfruchtbare Opposition
dieser Art dem Herrenhause drei volle Tage von der Woche, die demselben zur
Erledigung der obengenannten wichtigen Fragen überhaupt übrig blieb, weg¬
nehmen konnte, zeigt einen Grad von Nachsicht auf Seiten der Mehrheit, den
wir mit zu den Ursachen der mangelhaften praktischen Betheiligung jeuer Körper¬
schaft an unsrer Politik zählen dürfen. In der kurzen Zeit, welche demzufolge
dem Hause noch geblieben ist, hat es den Staatshaushalt und das Zuständig¬
keitsgesetz zu bewältigen. Daran aber, daß es überhaupt bis aus die beiden
letzten Wochen der Session neben den vielen und meist sehr lebhafte» Debatten
des andern Hauses unthätig bleiben mußte, ist unsrer Ansicht nach das Herren¬
haus selbst nicht schuld, mindestens dürfen wir in ihm die Quelle dieses Uebel-
stauds nicht allein suchen. Allerdings sällt dabei ein gewisser Mangel an Interesse
für staatliche Angelegenheiten, der bei einem großen Theile unsrer Lords zu
beobachten ist, erheblich ins Gewicht. Die Hauptschuld jedoch trägt unsers Er-
achtens die Staatsregierung und zwar deshalb, weil sie nicht nur die finanziellen
Vorlage», sondern gleichzeitig auch alle wichtigen und Interesse erweckenden
andern Vorschlüge und Entwürfe zuerst an das Abgeordnetenhaus bringt. Jenes
ist durch die Verfassung geboten, dieses nicht.

Wir wissen, um ein Beispiel für das Gesagte anzuführen, nicht und können
auch nicht errathen, aus welchen Rücksichten die Regierung sich bewogen gesehen
hat, sämmtliche Organisationsgesetze, sowohl die, welche für die ganze Monarchie,
als die, welche für einzelne Provinzen bestimmt waren, regelmäßig und aus¬
schließlich zunächst den? Abgeordnetenhause vorzulegen, welches dieselben entweder
in seinen Commissionen liegen oder sie wenigstens nicht vor der Schlußwoche
der Session dem Herrenhause zukomme» ließ. Manchen Leuten kann dabei eine
Variation des bekannten Schillerschen Verses einfallen, die ungefähr laute»
würde: Wenn das Laster satt ist, setzt sich die Tugend zu Tisch. Mit andern
Worten: der bescheidene Theil wird seiner Bescheidenheit gemäß hintangesetzt
und übel behandelt. Sollen wir uns die Sache damit erklären, daß wir sagen:
Vor dem Abgeordnetenhaus? fürchtet sich die Negierung, vor dem Herrenhause nicht?

Wir sind der Meinung, daß diese Politik weder recht würdig, noch recht
Praktisch ist. Ja mau kann dieses Verfahre» kaum als Politik bezeichnen; denn
mit diesem Ausdrucke Pflegen wir doch in der Regel den Begriff einer Thätig¬
keit zu benenne», welche weiter schaut als auf leichte und bequeme Befriedigung
einzelner Bedürfnisse der Verwaltung. Wir können uns der Befürchtung nicht
erwehren, daß spätere Regierungen den Fehler zu büßen haben werden, welchen


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[0377] Das Herrenhaus, zu rechtfertigen, daß sie der Regierung des Königs, der ihnen ihr Mandat er¬ theilt, thunlichst viele Schwierigkeiten und Verlegenheiten zu bereiten bemüht sind. Daß eine infolge ihrer Zusammensetzung nothwendig unfruchtbare Opposition dieser Art dem Herrenhause drei volle Tage von der Woche, die demselben zur Erledigung der obengenannten wichtigen Fragen überhaupt übrig blieb, weg¬ nehmen konnte, zeigt einen Grad von Nachsicht auf Seiten der Mehrheit, den wir mit zu den Ursachen der mangelhaften praktischen Betheiligung jeuer Körper¬ schaft an unsrer Politik zählen dürfen. In der kurzen Zeit, welche demzufolge dem Hause noch geblieben ist, hat es den Staatshaushalt und das Zuständig¬ keitsgesetz zu bewältigen. Daran aber, daß es überhaupt bis aus die beiden letzten Wochen der Session neben den vielen und meist sehr lebhafte» Debatten des andern Hauses unthätig bleiben mußte, ist unsrer Ansicht nach das Herren¬ haus selbst nicht schuld, mindestens dürfen wir in ihm die Quelle dieses Uebel- stauds nicht allein suchen. Allerdings sällt dabei ein gewisser Mangel an Interesse für staatliche Angelegenheiten, der bei einem großen Theile unsrer Lords zu beobachten ist, erheblich ins Gewicht. Die Hauptschuld jedoch trägt unsers Er- achtens die Staatsregierung und zwar deshalb, weil sie nicht nur die finanziellen Vorlage», sondern gleichzeitig auch alle wichtigen und Interesse erweckenden andern Vorschlüge und Entwürfe zuerst an das Abgeordnetenhaus bringt. Jenes ist durch die Verfassung geboten, dieses nicht. Wir wissen, um ein Beispiel für das Gesagte anzuführen, nicht und können auch nicht errathen, aus welchen Rücksichten die Regierung sich bewogen gesehen hat, sämmtliche Organisationsgesetze, sowohl die, welche für die ganze Monarchie, als die, welche für einzelne Provinzen bestimmt waren, regelmäßig und aus¬ schließlich zunächst den? Abgeordnetenhause vorzulegen, welches dieselben entweder in seinen Commissionen liegen oder sie wenigstens nicht vor der Schlußwoche der Session dem Herrenhause zukomme» ließ. Manchen Leuten kann dabei eine Variation des bekannten Schillerschen Verses einfallen, die ungefähr laute» würde: Wenn das Laster satt ist, setzt sich die Tugend zu Tisch. Mit andern Worten: der bescheidene Theil wird seiner Bescheidenheit gemäß hintangesetzt und übel behandelt. Sollen wir uns die Sache damit erklären, daß wir sagen: Vor dem Abgeordnetenhaus? fürchtet sich die Negierung, vor dem Herrenhause nicht? Wir sind der Meinung, daß diese Politik weder recht würdig, noch recht Praktisch ist. Ja mau kann dieses Verfahre» kaum als Politik bezeichnen; denn mit diesem Ausdrucke Pflegen wir doch in der Regel den Begriff einer Thätig¬ keit zu benenne», welche weiter schaut als auf leichte und bequeme Befriedigung einzelner Bedürfnisse der Verwaltung. Wir können uns der Befürchtung nicht erwehren, daß spätere Regierungen den Fehler zu büßen haben werden, welchen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/377>, abgerufen am 28.12.2024.