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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Sächsische Roactwiisgoliistc,

Volkes zur Geltung zu bringen, so bietet sich derselbe erweiterte Wirkungskreis
auch dein Einzelstaate, zu seinem Vortheil ebenso wie zu dem des Reiches, Es
gilt ja nicht, daß der Sachse sich dein Preußen unterwerfe, sondern daß beide
ihre Angelegenheiten nach gemeinschaftlichen Zielen und mit gemeinschaftlichen
Mitteln leiten.

Zu diesem Gesichtspunkt haben sich freilich unsre Conservativen noch uicht
zu erheben vermocht. Ihre Vaterlandsliebe ist, ebenso wie ihre Religiosität
eine orthodoxe ist, ein confessionell-exclusiver Patriotismus, der auf die Worte
eiuer engherzig gefaßten Glaubensformel schwört und jede Neigung zu eentra-
listischer Ausbildung der Reichsverfassung als unitaristische Ketzerei verdammt,
Sie können sich noch immer nicht daran gewöhnen, wie sie dem König geben,
was des Königs ist, so auch dem Kaiser zu gebe", was des Kaisers ist, Sie
können es insbesondere ihren sich national nennenden Landsleuten uicht vergessen,
daß diese damals schon im König von Preußen den Kaiser des Reichs und
das Heil Deutschlands erkannt und gepriesen haben, als sie selbst ihn noch als
den ärgsten Landesfeind schmähten und bekämpften. Die Politik Sachsens ist
ja so lange eine rein dynastische und autiucitivuale, insbesondere antipreußische
gewesen, daß sich der durch Genemtivnen groß gezogne Preußenhaß nicht in
wenigen Jahren in aufrichtige Liebe wandeln kann. Unser Regentenhaus selbst
freilich hat mit einer bewundernswerthen Charakterstärke jede Antipathie gegen
die Hohenzollern überwunden und sich mit vollster Loyalität dem neuen Kaiser¬
hause ausgeschlossen; es hat erkannt, daß seine Dynastie und Hausmacht mehr
als durch die beschränkte Landeshoheit durch den Reichsfürstenstand an
Sicherheit und Bedeutung gewonnen hat. Aber es giebt in der Umgebung der
Könige ja immer Leute, die königlicher sein wollen, als der König selbst. So
wollen auch unsere Partienlaristen nicht zugeben, daß unser Kaiser, wie alle
deutschen Kaiser, so auch der Kaiser unsres Königs ist. Sie vermögen nicht
einzusehen, daß die Errichtung des Kaiserthums das sächsische Königthum in
seinem wahren Glänze und seiner festen Wirksamkeit und in seiner treuen Liebe
bei den Unterthanen durchaus nicht beeinträchtigt. Was geschwunden ist, ist
aber doch höchstens der hohle Schein, für sich selbst europäische Macht zu sein,
und eingetauscht dafür ist der Antheil an wahrer Großmacht, eingetauscht der
Gewinn, daß Sachsen seinen Bestand mit der Kraft des deutschen Reiches er¬
füllt sieht. Der sächsische Staat bedarf ja des Reiches viel mehr und schöpft
aus ihm viel mehr, als dieses aus ihm. Preußen konnte zur Noth auch ohne
die andern als Großmacht bestehen, nicht so die Kleinstaaten. Preußen opfert
dem Reich mehr von seiner Selbstherrlichkeit als die Kleinstaaten, Im Vundes-
rathe wiegt der Vertretung nach eine Million Nichtprenßen so viel wie drei


Sächsische Roactwiisgoliistc,

Volkes zur Geltung zu bringen, so bietet sich derselbe erweiterte Wirkungskreis
auch dein Einzelstaate, zu seinem Vortheil ebenso wie zu dem des Reiches, Es
gilt ja nicht, daß der Sachse sich dein Preußen unterwerfe, sondern daß beide
ihre Angelegenheiten nach gemeinschaftlichen Zielen und mit gemeinschaftlichen
Mitteln leiten.

Zu diesem Gesichtspunkt haben sich freilich unsre Conservativen noch uicht
zu erheben vermocht. Ihre Vaterlandsliebe ist, ebenso wie ihre Religiosität
eine orthodoxe ist, ein confessionell-exclusiver Patriotismus, der auf die Worte
eiuer engherzig gefaßten Glaubensformel schwört und jede Neigung zu eentra-
listischer Ausbildung der Reichsverfassung als unitaristische Ketzerei verdammt,
Sie können sich noch immer nicht daran gewöhnen, wie sie dem König geben,
was des Königs ist, so auch dem Kaiser zu gebe», was des Kaisers ist, Sie
können es insbesondere ihren sich national nennenden Landsleuten uicht vergessen,
daß diese damals schon im König von Preußen den Kaiser des Reichs und
das Heil Deutschlands erkannt und gepriesen haben, als sie selbst ihn noch als
den ärgsten Landesfeind schmähten und bekämpften. Die Politik Sachsens ist
ja so lange eine rein dynastische und autiucitivuale, insbesondere antipreußische
gewesen, daß sich der durch Genemtivnen groß gezogne Preußenhaß nicht in
wenigen Jahren in aufrichtige Liebe wandeln kann. Unser Regentenhaus selbst
freilich hat mit einer bewundernswerthen Charakterstärke jede Antipathie gegen
die Hohenzollern überwunden und sich mit vollster Loyalität dem neuen Kaiser¬
hause ausgeschlossen; es hat erkannt, daß seine Dynastie und Hausmacht mehr
als durch die beschränkte Landeshoheit durch den Reichsfürstenstand an
Sicherheit und Bedeutung gewonnen hat. Aber es giebt in der Umgebung der
Könige ja immer Leute, die königlicher sein wollen, als der König selbst. So
wollen auch unsere Partienlaristen nicht zugeben, daß unser Kaiser, wie alle
deutschen Kaiser, so auch der Kaiser unsres Königs ist. Sie vermögen nicht
einzusehen, daß die Errichtung des Kaiserthums das sächsische Königthum in
seinem wahren Glänze und seiner festen Wirksamkeit und in seiner treuen Liebe
bei den Unterthanen durchaus nicht beeinträchtigt. Was geschwunden ist, ist
aber doch höchstens der hohle Schein, für sich selbst europäische Macht zu sein,
und eingetauscht dafür ist der Antheil an wahrer Großmacht, eingetauscht der
Gewinn, daß Sachsen seinen Bestand mit der Kraft des deutschen Reiches er¬
füllt sieht. Der sächsische Staat bedarf ja des Reiches viel mehr und schöpft
aus ihm viel mehr, als dieses aus ihm. Preußen konnte zur Noth auch ohne
die andern als Großmacht bestehen, nicht so die Kleinstaaten. Preußen opfert
dem Reich mehr von seiner Selbstherrlichkeit als die Kleinstaaten, Im Vundes-
rathe wiegt der Vertretung nach eine Million Nichtprenßen so viel wie drei


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[0369] Sächsische Roactwiisgoliistc, Volkes zur Geltung zu bringen, so bietet sich derselbe erweiterte Wirkungskreis auch dein Einzelstaate, zu seinem Vortheil ebenso wie zu dem des Reiches, Es gilt ja nicht, daß der Sachse sich dein Preußen unterwerfe, sondern daß beide ihre Angelegenheiten nach gemeinschaftlichen Zielen und mit gemeinschaftlichen Mitteln leiten. Zu diesem Gesichtspunkt haben sich freilich unsre Conservativen noch uicht zu erheben vermocht. Ihre Vaterlandsliebe ist, ebenso wie ihre Religiosität eine orthodoxe ist, ein confessionell-exclusiver Patriotismus, der auf die Worte eiuer engherzig gefaßten Glaubensformel schwört und jede Neigung zu eentra- listischer Ausbildung der Reichsverfassung als unitaristische Ketzerei verdammt, Sie können sich noch immer nicht daran gewöhnen, wie sie dem König geben, was des Königs ist, so auch dem Kaiser zu gebe», was des Kaisers ist, Sie können es insbesondere ihren sich national nennenden Landsleuten uicht vergessen, daß diese damals schon im König von Preußen den Kaiser des Reichs und das Heil Deutschlands erkannt und gepriesen haben, als sie selbst ihn noch als den ärgsten Landesfeind schmähten und bekämpften. Die Politik Sachsens ist ja so lange eine rein dynastische und autiucitivuale, insbesondere antipreußische gewesen, daß sich der durch Genemtivnen groß gezogne Preußenhaß nicht in wenigen Jahren in aufrichtige Liebe wandeln kann. Unser Regentenhaus selbst freilich hat mit einer bewundernswerthen Charakterstärke jede Antipathie gegen die Hohenzollern überwunden und sich mit vollster Loyalität dem neuen Kaiser¬ hause ausgeschlossen; es hat erkannt, daß seine Dynastie und Hausmacht mehr als durch die beschränkte Landeshoheit durch den Reichsfürstenstand an Sicherheit und Bedeutung gewonnen hat. Aber es giebt in der Umgebung der Könige ja immer Leute, die königlicher sein wollen, als der König selbst. So wollen auch unsere Partienlaristen nicht zugeben, daß unser Kaiser, wie alle deutschen Kaiser, so auch der Kaiser unsres Königs ist. Sie vermögen nicht einzusehen, daß die Errichtung des Kaiserthums das sächsische Königthum in seinem wahren Glänze und seiner festen Wirksamkeit und in seiner treuen Liebe bei den Unterthanen durchaus nicht beeinträchtigt. Was geschwunden ist, ist aber doch höchstens der hohle Schein, für sich selbst europäische Macht zu sein, und eingetauscht dafür ist der Antheil an wahrer Großmacht, eingetauscht der Gewinn, daß Sachsen seinen Bestand mit der Kraft des deutschen Reiches er¬ füllt sieht. Der sächsische Staat bedarf ja des Reiches viel mehr und schöpft aus ihm viel mehr, als dieses aus ihm. Preußen konnte zur Noth auch ohne die andern als Großmacht bestehen, nicht so die Kleinstaaten. Preußen opfert dem Reich mehr von seiner Selbstherrlichkeit als die Kleinstaaten, Im Vundes- rathe wiegt der Vertretung nach eine Million Nichtprenßen so viel wie drei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/369>, abgerufen am 27.12.2024.