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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Giuv "Lapponi.

geliebte, doch hochgeschätzte Gattin nach der Geburt der zweiten Tochter schon
1814 und blieb Witwer bis an sein Lebensende,

Im Herbste 1813 ging Capponi mit andern als Deputirter "der guten
Stadt Florenz" nach Paris, um der Regentin Marie Luise eine Ergebenheits¬
adresse zu überbringen. Inzwischen waren die entscheidenden Würfel bei Leipzig
gefallen; die Deputation fand den Kaiser, dessen Erscheinung auf den jungen
Toscaner durchaus keinen günstigen Eindruck machte, schon in Paris. Wenige
Monate nachher war die Restauration auch in Toscana eine vollendete That¬
sache. Den Mann, der damals unter zwei Großhcrzogen sein Heimatland regierte
und dieser Epoche der Geschichte desselben seinen Stempel aufdrückte, Vittorio
Fossombrvni "mit dem hochbegabten Geiste und dem vertrockneten Herzen, gleich-
giltig gegen gut und böse", den Repräsentanten des milden Willkürregiments,
dessen Regierung, vielfach an die Aufklärungs-Minister der vorrevolutionären
Periode, die Pombal und Arauda, die Kaunitz und Tcmueci erinnernd, nach
der materiellen Seite hin seinein Lande eben so viele Wohlthaten erzeigt hat,
wie sie es in geistiger und sittlicher Beziehung schädigte, hat uns Capponi mit
lebhaften Farben geschildert. Er selbst nahm keinen Theil an dem öffentlichen
Leben seines Heimatlandes während der Restaurationsepoche, mit so lebhaftem
Interesse er auch die Geschicke desselben verfolgte. Der Gedanke, in den
Dienst der Fvssvmbroni'scheu Regierung zu treten, war seiner innersten Natur
ebenso zuwider wie der, im Dunkel der Geheimbünde, der "Secten", für
revolutionäre Zwecke zu wirken. Für einen selbständigen, überzeugungstreuen
Patrioten aber gab es damals so wenig einen politischen Wirkungskreis,
wie für eine legale und gemäßigte Opposition im Volke Boden und Verständ¬
niß vorhanden war. In Toscana schien ihm nichts zu thun zu sein, was
ihm hätte Befriedigung gewähren können und etwas anderes als Halbwerk
gewesen wäre. "So kam es -- sagt er selbst --, daß ich zu dem geringen
Antheil, den ich an bürgerlichen Dingen nahm, immer noch genöthigt werden
mußte.... Florenz erschien mir damals mehr wie das Sybaris als wie das
Athen Italiens."

Die Gründe dieser Teilnahmlosigkeit an den öffentlichen Dingen waren
jedoch keineswegs bloß persönlicher Art. Der toseanische Adel war nicht wie
der piemontesische durch große historische und militärische Erinnerungen mit der
Dynastie verbunden. Theils war derselbe schon unter der Mediceerhcrrschnft
entartet und verweichlicht, theils betrachteten die Lothringer voll engherzigen
Mißtrauens die eingebornen Patrieierfamilien wohl nach bourbonischen Muster
als einen Schmuck des Hofes und der Krone, nicht aber als die natürlichen
Leiter des Staates und die Führer des Heeres. Die eigne Unabhängigkeit von


Giuv «Lapponi.

geliebte, doch hochgeschätzte Gattin nach der Geburt der zweiten Tochter schon
1814 und blieb Witwer bis an sein Lebensende,

Im Herbste 1813 ging Capponi mit andern als Deputirter „der guten
Stadt Florenz" nach Paris, um der Regentin Marie Luise eine Ergebenheits¬
adresse zu überbringen. Inzwischen waren die entscheidenden Würfel bei Leipzig
gefallen; die Deputation fand den Kaiser, dessen Erscheinung auf den jungen
Toscaner durchaus keinen günstigen Eindruck machte, schon in Paris. Wenige
Monate nachher war die Restauration auch in Toscana eine vollendete That¬
sache. Den Mann, der damals unter zwei Großhcrzogen sein Heimatland regierte
und dieser Epoche der Geschichte desselben seinen Stempel aufdrückte, Vittorio
Fossombrvni „mit dem hochbegabten Geiste und dem vertrockneten Herzen, gleich-
giltig gegen gut und böse", den Repräsentanten des milden Willkürregiments,
dessen Regierung, vielfach an die Aufklärungs-Minister der vorrevolutionären
Periode, die Pombal und Arauda, die Kaunitz und Tcmueci erinnernd, nach
der materiellen Seite hin seinein Lande eben so viele Wohlthaten erzeigt hat,
wie sie es in geistiger und sittlicher Beziehung schädigte, hat uns Capponi mit
lebhaften Farben geschildert. Er selbst nahm keinen Theil an dem öffentlichen
Leben seines Heimatlandes während der Restaurationsepoche, mit so lebhaftem
Interesse er auch die Geschicke desselben verfolgte. Der Gedanke, in den
Dienst der Fvssvmbroni'scheu Regierung zu treten, war seiner innersten Natur
ebenso zuwider wie der, im Dunkel der Geheimbünde, der „Secten", für
revolutionäre Zwecke zu wirken. Für einen selbständigen, überzeugungstreuen
Patrioten aber gab es damals so wenig einen politischen Wirkungskreis,
wie für eine legale und gemäßigte Opposition im Volke Boden und Verständ¬
niß vorhanden war. In Toscana schien ihm nichts zu thun zu sein, was
ihm hätte Befriedigung gewähren können und etwas anderes als Halbwerk
gewesen wäre. „So kam es — sagt er selbst —, daß ich zu dem geringen
Antheil, den ich an bürgerlichen Dingen nahm, immer noch genöthigt werden
mußte.... Florenz erschien mir damals mehr wie das Sybaris als wie das
Athen Italiens."

Die Gründe dieser Teilnahmlosigkeit an den öffentlichen Dingen waren
jedoch keineswegs bloß persönlicher Art. Der toseanische Adel war nicht wie
der piemontesische durch große historische und militärische Erinnerungen mit der
Dynastie verbunden. Theils war derselbe schon unter der Mediceerhcrrschnft
entartet und verweichlicht, theils betrachteten die Lothringer voll engherzigen
Mißtrauens die eingebornen Patrieierfamilien wohl nach bourbonischen Muster
als einen Schmuck des Hofes und der Krone, nicht aber als die natürlichen
Leiter des Staates und die Führer des Heeres. Die eigne Unabhängigkeit von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/212>, abgerufen am 27.12.2024.