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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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"MM, wenn es sich um eine außergewöhnliche Angelegenheit, eine inter¬
nationale Verhandlung oder Bewilligung einer Steuer handelte. Jahrhunderte
vergingen, ehe sich die Meinung festsetzte, daß der Abgeordnete nicht der Man¬
datar seiner Wähler sei.

Der Staatshaushalt war sehr einfach. Der König hatte die Einkünfte
von den Domänen und einige andere Gefälle. Davon bestritt er die gewöhn¬
lichen Kosten der Regierung und die Besoldung der hohen Staatsämter. Brauchte
er zu einem Kriege oder andern außerordentlichen Unternehmungen Geld, so
mußte er das Parlament darum angehen, und dieses konnte die Bewilligung
des Ansuchens nnr in einer Sitzung beschließen, zu der alle Bätglieder er¬
schienen waren. Ferner verlangten Gesetz und Gewohnheit, daß das Parlament
in solchen Fällen erklärte, es betrachte die Finanzlage deS Königs mit Theil¬
nahme und werde ihm gern helfen, nur wage es dies nicht ohne vorherige
Rücksprache mit den Grafschaften.

Während des Kriegs der beiden Rosen wurde das Recht oft gebrochen,
aber nicht wesentlich geändert. Heinrich VII. berief das Parlament selten, da
mancherlei Mißbrüuche seinen Schatz in gutem Staude erhielte". Heinrich VIII.
war ein Despot, welcher neben einer Landesvertretung herrschte, die dem byzan¬
tinischen Grundsätze huldigte: Gcheimrathsbefehle sind Gesetz, und der sich, wo
einmal Opposition zu erwarten war, durch Drohungen zu den von ihm ver¬
langten Geldmitteln verhalf. Was bei ihm Laune war, wurde bei Elisabeth
System; sie verletzte fast alle Grundsätze der Verfassung. "Nur unterschied
sich diese Anarchie mit Ruhe und Ordnung wesentlich dadurch von ähnlichen
Erscheinungen der Gegenwart, daß sie neben dem Rechte existirte. Parlamente
und Geheimrath erfanden neue Verbrechen, .die im gemeinen Rechte nicht vor¬
gesehen', und bestellten besondere Gerichtshöfe. Durch die Sternkammer oder
dnrch Kriegsrecht erzwang die Regierung sich Gehorsam. Schon die Classifieirnng
des angeblichen Vergehens und der Gerichtsstand, vor dein es verfolgt wurde,
der Name der neuen Abgabe und die Art ihrer Beitreibung erhielten das Be¬
wußtsein wach, daß dieses alles gegen das gemeine Recht des Landes sei, aber
niemand hatte den Muth, letzteres zu handhaben oder auch nur anzurufen."
Jakob der "britische Salomo", wie seine Schmeichler ihn nannten, "der weiseste
Narr in Europa", wie Sully ihn bezeichnete, erklärte, "der Vater seiner Völker
zu sein", und stellte die Theorie auf, daß das englische Volk dnrch die nor¬
mannische Eroberung jedes Recht eingebüßt und nur noch Geschenke aus der
königlichen Gnadenfülle zu empfangen habe. Die Antwort auf diese Anmaßung
erhielt sein Nachfolger in der Resolution des Unterhauses von 1648: "Wir
können uns ein Volk ohne König, aber keinen König ohne Volk denken," und


«MM, wenn es sich um eine außergewöhnliche Angelegenheit, eine inter¬
nationale Verhandlung oder Bewilligung einer Steuer handelte. Jahrhunderte
vergingen, ehe sich die Meinung festsetzte, daß der Abgeordnete nicht der Man¬
datar seiner Wähler sei.

Der Staatshaushalt war sehr einfach. Der König hatte die Einkünfte
von den Domänen und einige andere Gefälle. Davon bestritt er die gewöhn¬
lichen Kosten der Regierung und die Besoldung der hohen Staatsämter. Brauchte
er zu einem Kriege oder andern außerordentlichen Unternehmungen Geld, so
mußte er das Parlament darum angehen, und dieses konnte die Bewilligung
des Ansuchens nnr in einer Sitzung beschließen, zu der alle Bätglieder er¬
schienen waren. Ferner verlangten Gesetz und Gewohnheit, daß das Parlament
in solchen Fällen erklärte, es betrachte die Finanzlage deS Königs mit Theil¬
nahme und werde ihm gern helfen, nur wage es dies nicht ohne vorherige
Rücksprache mit den Grafschaften.

Während des Kriegs der beiden Rosen wurde das Recht oft gebrochen,
aber nicht wesentlich geändert. Heinrich VII. berief das Parlament selten, da
mancherlei Mißbrüuche seinen Schatz in gutem Staude erhielte». Heinrich VIII.
war ein Despot, welcher neben einer Landesvertretung herrschte, die dem byzan¬
tinischen Grundsätze huldigte: Gcheimrathsbefehle sind Gesetz, und der sich, wo
einmal Opposition zu erwarten war, durch Drohungen zu den von ihm ver¬
langten Geldmitteln verhalf. Was bei ihm Laune war, wurde bei Elisabeth
System; sie verletzte fast alle Grundsätze der Verfassung. „Nur unterschied
sich diese Anarchie mit Ruhe und Ordnung wesentlich dadurch von ähnlichen
Erscheinungen der Gegenwart, daß sie neben dem Rechte existirte. Parlamente
und Geheimrath erfanden neue Verbrechen, .die im gemeinen Rechte nicht vor¬
gesehen', und bestellten besondere Gerichtshöfe. Durch die Sternkammer oder
dnrch Kriegsrecht erzwang die Regierung sich Gehorsam. Schon die Classifieirnng
des angeblichen Vergehens und der Gerichtsstand, vor dein es verfolgt wurde,
der Name der neuen Abgabe und die Art ihrer Beitreibung erhielten das Be¬
wußtsein wach, daß dieses alles gegen das gemeine Recht des Landes sei, aber
niemand hatte den Muth, letzteres zu handhaben oder auch nur anzurufen."
Jakob der „britische Salomo", wie seine Schmeichler ihn nannten, „der weiseste
Narr in Europa", wie Sully ihn bezeichnete, erklärte, „der Vater seiner Völker
zu sein", und stellte die Theorie auf, daß das englische Volk dnrch die nor¬
mannische Eroberung jedes Recht eingebüßt und nur noch Geschenke aus der
königlichen Gnadenfülle zu empfangen habe. Die Antwort auf diese Anmaßung
erhielt sein Nachfolger in der Resolution des Unterhauses von 1648: „Wir
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/201>, abgerufen am 27.12.2024.