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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Chr. Gottfried Aörner und G. Göschen.

mußte, so ist es leicht, wie folgt zu schließen: Hätte Göschen die Honorarzah¬
lungen an den in Italien seiner künstlerischen Vollendung lebenden Goethe nicht
pünktlich leisten können, wäre, um Göschen dazu in Stand zu setzen, der wackere
Geldmann Beit dem Oberconsistorialrath Körner nicht gegen einen mäßigen und
erlaubten Vortheil beigesprungen, so hätte es wohl gar kommen können, daß
Goethe seine italienische Reise früher abbrechen mußte. Hieraus geht hervor,
von wie wohlthätigen, einer ganzen Nation bis in die spätesten Zeiten zu Gute
kommenden Wirkungen unter Umständen der sogenannte "Wucher" sein kann
u. s. f. mit Grazie in inünirrtiu!

Scherz bei Seite -- dem guten Körner war es damals nicht eben
scherzhaft zu Muthe. Im Frühjahr 178? war es, wo er mit Schiller und
Huber bei Sala in Dresden ein paarmal "englisch Bier" trank "und sich mit
den Herzensfreunden darüber verständigte, daß eine größere Klarheit in alle
ihre Verhältnisse, Lebensbeziehungen und Ziele kommen müsse. Gegenüber
Schiller bezogen sich die Verständigungen wohl hauptsächlich auf dessen sinn¬
verwirrende und seine poetische Arbeitskraft lähmende Leidenschaft für das
schöne und coquette Fräulein von Arnim. Aber natürlich kamen auch die mate¬
riellen Fragen ins Spiel -- Körner erschrak begreiflicher und berechtigter Weise
vor der Möglichkeit, daß ihrer aller Beziehungen zum "Kaufmann Beit" noch
engere werden und sich fortsetzen könnten. Auch mit seinen eignen Illusionen
über die Ergiebigkeit der Handlung hatte er jetzt abzurechnen. Und da Schiller
im Hochsommer Dresden verließ und nach Weimar ging, so betrachtete dies
Körner mit Recht als einen entscheidenden Lebensabschnitt und entschied sich,
gewiß erst nach manchem innern Kampfe, auf seine unmittelbare Thätigkeit als
Verleger, auf den Gewinn, der ihm daraus erwachsen könne, weise Verzicht zu
leisten und dem Sperling in der Hand vor der Taube auf dem Dache den Vor¬
zug zu geben. Mit sorgfältiger Schonung der Interessen und der zur Zeit noch
einigermaßen kritischen Lage seines Socius schlug der besonnene Haushalter die
Trennung der seitherigen Verbindung in nachstehenden Briefe vor:

Dresden, den 28. Juli 87.*

Es scheint nicht, lieber Freund, als ob ich bald das Vergnügen haben würde
Sie bey uns zu sehen. Ich muß Ihnen also schriftlich einen Vorschlag eröffnen,
der mir nach reifer Ueberlegung für uns beyde der heilsamste scheint. Je mehr ich
über die Societät nachdenke, wie wir sie uns ausgeklügelt hatten, je mehr stoße ich
auf Schwierigkeiten in Auseinandersetzung unserer gegenseitigen Erwartungen und
sehe in der Zukunft eine Menge Unannehmlichkeiten für uns beyde voraus. Lassen
Sie uns bey dem einzigen stehen bleiben, daß unsere Absichten eigentlich ganz ver¬
schiedene sind. Ihnen ist es darum zu thun ein dauerhaftes Werk für die Zukunft
zu gründen und für die Entbehrung des gegenwärtigen Gewinnes, halten Sie sich


Chr. Gottfried Aörner und G. Göschen.

mußte, so ist es leicht, wie folgt zu schließen: Hätte Göschen die Honorarzah¬
lungen an den in Italien seiner künstlerischen Vollendung lebenden Goethe nicht
pünktlich leisten können, wäre, um Göschen dazu in Stand zu setzen, der wackere
Geldmann Beit dem Oberconsistorialrath Körner nicht gegen einen mäßigen und
erlaubten Vortheil beigesprungen, so hätte es wohl gar kommen können, daß
Goethe seine italienische Reise früher abbrechen mußte. Hieraus geht hervor,
von wie wohlthätigen, einer ganzen Nation bis in die spätesten Zeiten zu Gute
kommenden Wirkungen unter Umständen der sogenannte „Wucher" sein kann
u. s. f. mit Grazie in inünirrtiu!

Scherz bei Seite — dem guten Körner war es damals nicht eben
scherzhaft zu Muthe. Im Frühjahr 178? war es, wo er mit Schiller und
Huber bei Sala in Dresden ein paarmal „englisch Bier" trank "und sich mit
den Herzensfreunden darüber verständigte, daß eine größere Klarheit in alle
ihre Verhältnisse, Lebensbeziehungen und Ziele kommen müsse. Gegenüber
Schiller bezogen sich die Verständigungen wohl hauptsächlich auf dessen sinn¬
verwirrende und seine poetische Arbeitskraft lähmende Leidenschaft für das
schöne und coquette Fräulein von Arnim. Aber natürlich kamen auch die mate¬
riellen Fragen ins Spiel — Körner erschrak begreiflicher und berechtigter Weise
vor der Möglichkeit, daß ihrer aller Beziehungen zum „Kaufmann Beit" noch
engere werden und sich fortsetzen könnten. Auch mit seinen eignen Illusionen
über die Ergiebigkeit der Handlung hatte er jetzt abzurechnen. Und da Schiller
im Hochsommer Dresden verließ und nach Weimar ging, so betrachtete dies
Körner mit Recht als einen entscheidenden Lebensabschnitt und entschied sich,
gewiß erst nach manchem innern Kampfe, auf seine unmittelbare Thätigkeit als
Verleger, auf den Gewinn, der ihm daraus erwachsen könne, weise Verzicht zu
leisten und dem Sperling in der Hand vor der Taube auf dem Dache den Vor¬
zug zu geben. Mit sorgfältiger Schonung der Interessen und der zur Zeit noch
einigermaßen kritischen Lage seines Socius schlug der besonnene Haushalter die
Trennung der seitherigen Verbindung in nachstehenden Briefe vor:

Dresden, den 28. Juli 87.*

Es scheint nicht, lieber Freund, als ob ich bald das Vergnügen haben würde
Sie bey uns zu sehen. Ich muß Ihnen also schriftlich einen Vorschlag eröffnen,
der mir nach reifer Ueberlegung für uns beyde der heilsamste scheint. Je mehr ich
über die Societät nachdenke, wie wir sie uns ausgeklügelt hatten, je mehr stoße ich
auf Schwierigkeiten in Auseinandersetzung unserer gegenseitigen Erwartungen und
sehe in der Zukunft eine Menge Unannehmlichkeiten für uns beyde voraus. Lassen
Sie uns bey dem einzigen stehen bleiben, daß unsere Absichten eigentlich ganz ver¬
schiedene sind. Ihnen ist es darum zu thun ein dauerhaftes Werk für die Zukunft
zu gründen und für die Entbehrung des gegenwärtigen Gewinnes, halten Sie sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/171>, abgerufen am 01.01.2025.