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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Anfang und Ende einer Gemäldegalerie dos vorigen Jahrhunderts.

schließt die Gruppe pyramidal ab. Auch der liebenswürdige florentinische
Colorist Andrea del Sarto war hier wenigstens mit einem Hauptbilde vertreten.
Im übrigen war von den großen Cinquecentisten nicht viel die Rede. Aber
die Elektiker des 17. Jahrhunderts, die Caracci mit ihrem Gefolge von
Guido Reni, Guercino, Domenichino, Lanfranco u. s. w. waren hier zu Hause,
und mehr noch die Italiener, welche den Uebergang ins 18. Jahrhundert bil¬
den, wie der Conte Carlo Cignani (1628 -- 1714), dessen große "Himmelfahrt
Maria" die Mitte der Hauptwand dieses großen Mittelsaales und somit den
Mittelpunkt der ganzen Galerie einnahm.

Der vierte Saal, der zweite quadratische Ecksaal, hieß der "Saal van der
Werffs." Hier hingen jene zahlreichen Gemälde dieses Meisters, welche damals
einen Modestolz Düsseldorfs bildeten und heute ein Cabinet der Münchener
Pinakothek füllen, aber auch die berühmten Rembrandts, jene herrlichen sechs
Passionsbilder, welche für alle Zeiten ein dauernder Stolz jeder Sammlung sein
werden, die sie besitzt.

Endlich gelangte man in den großen fünften Saal, welcher heute in die
Landesbibliothek verbaut ist, den in seiner Art einzigen "Rubens-Saal", welcher
mit 46 zum Theil sehr großen Bildern des Antwerpener Malerfürsten geschmückt
war. Unter ihnen befand sich eine Reihe seiner berühmtesten und köstlichsten
Werke. Die Schmalwand, in welcher die Eingangsthür lag, trug elf, die gegen¬
überliegende Schlußwand sieben Tafeln. In der Mitte der letztern prangte
das große jüngste Gericht, welches in der Düsseldorfer Jesuitenkirche gewesen
war. Oben auf den Wolken thront Christus als Weltrichter zwischen Engeln
und Heiligen; unten auf der Erde entsteigen die Todten bei den Klang'
Posaunen ihren Gräbern. Rechts vom Erlöser schweben die Seligen gen H. ..e",
oder werden von den Erzengeln hinangezogen; links werden die Verdammten
in wilden Knäueln zur Hölle hinabgedonnert. Welches Gedränge kolossaler
menschlicher Formen, welche Fülle von Licht und Farbe, welche Mannichfaltig-
keit verklärten und entsetzten Ausdrucks! Rechts neben diesem großen hing das
kleine jüngste Gericht, welches denselben Gegenstand weniger michelangelesk, aber
origineller rubenssch, weniger plastisch, aber einheitlicher malerisch darstellt. Links
neben jenem großen Bilde aber hing das Doppelbildniß des Künstlers und
seiner ersten Gemahlin Jsabella Braut. Im Schatten einer Geisblattlaube sitzt
das glückliche Paar. Sie ruht zu seinen Füßen und legt ihre Rechte zutrau¬
lich auf die seine; heiter und selbstzufrieden blicken uns große, bedeutende
Augen an. Endlich die 28 Gemälde an der großen Langwand dieses Rnbens-
saales: die prächtige Amazonenschlacht, die guirlandenschleppenden nackten Kinder¬
gestalten, die Landschaft mit dein Regenbogen, der Sturz der Verdammten,
Christus und die Sünder, die große Himmelfahrt Mariä, welche noch heute


Anfang und Ende einer Gemäldegalerie dos vorigen Jahrhunderts.

schließt die Gruppe pyramidal ab. Auch der liebenswürdige florentinische
Colorist Andrea del Sarto war hier wenigstens mit einem Hauptbilde vertreten.
Im übrigen war von den großen Cinquecentisten nicht viel die Rede. Aber
die Elektiker des 17. Jahrhunderts, die Caracci mit ihrem Gefolge von
Guido Reni, Guercino, Domenichino, Lanfranco u. s. w. waren hier zu Hause,
und mehr noch die Italiener, welche den Uebergang ins 18. Jahrhundert bil¬
den, wie der Conte Carlo Cignani (1628 — 1714), dessen große „Himmelfahrt
Maria" die Mitte der Hauptwand dieses großen Mittelsaales und somit den
Mittelpunkt der ganzen Galerie einnahm.

Der vierte Saal, der zweite quadratische Ecksaal, hieß der „Saal van der
Werffs." Hier hingen jene zahlreichen Gemälde dieses Meisters, welche damals
einen Modestolz Düsseldorfs bildeten und heute ein Cabinet der Münchener
Pinakothek füllen, aber auch die berühmten Rembrandts, jene herrlichen sechs
Passionsbilder, welche für alle Zeiten ein dauernder Stolz jeder Sammlung sein
werden, die sie besitzt.

Endlich gelangte man in den großen fünften Saal, welcher heute in die
Landesbibliothek verbaut ist, den in seiner Art einzigen „Rubens-Saal", welcher
mit 46 zum Theil sehr großen Bildern des Antwerpener Malerfürsten geschmückt
war. Unter ihnen befand sich eine Reihe seiner berühmtesten und köstlichsten
Werke. Die Schmalwand, in welcher die Eingangsthür lag, trug elf, die gegen¬
überliegende Schlußwand sieben Tafeln. In der Mitte der letztern prangte
das große jüngste Gericht, welches in der Düsseldorfer Jesuitenkirche gewesen
war. Oben auf den Wolken thront Christus als Weltrichter zwischen Engeln
und Heiligen; unten auf der Erde entsteigen die Todten bei den Klang'
Posaunen ihren Gräbern. Rechts vom Erlöser schweben die Seligen gen H. ..e»,
oder werden von den Erzengeln hinangezogen; links werden die Verdammten
in wilden Knäueln zur Hölle hinabgedonnert. Welches Gedränge kolossaler
menschlicher Formen, welche Fülle von Licht und Farbe, welche Mannichfaltig-
keit verklärten und entsetzten Ausdrucks! Rechts neben diesem großen hing das
kleine jüngste Gericht, welches denselben Gegenstand weniger michelangelesk, aber
origineller rubenssch, weniger plastisch, aber einheitlicher malerisch darstellt. Links
neben jenem großen Bilde aber hing das Doppelbildniß des Künstlers und
seiner ersten Gemahlin Jsabella Braut. Im Schatten einer Geisblattlaube sitzt
das glückliche Paar. Sie ruht zu seinen Füßen und legt ihre Rechte zutrau¬
lich auf die seine; heiter und selbstzufrieden blicken uns große, bedeutende
Augen an. Endlich die 28 Gemälde an der großen Langwand dieses Rnbens-
saales: die prächtige Amazonenschlacht, die guirlandenschleppenden nackten Kinder¬
gestalten, die Landschaft mit dein Regenbogen, der Sturz der Verdammten,
Christus und die Sünder, die große Himmelfahrt Mariä, welche noch heute


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[0164] Anfang und Ende einer Gemäldegalerie dos vorigen Jahrhunderts. schließt die Gruppe pyramidal ab. Auch der liebenswürdige florentinische Colorist Andrea del Sarto war hier wenigstens mit einem Hauptbilde vertreten. Im übrigen war von den großen Cinquecentisten nicht viel die Rede. Aber die Elektiker des 17. Jahrhunderts, die Caracci mit ihrem Gefolge von Guido Reni, Guercino, Domenichino, Lanfranco u. s. w. waren hier zu Hause, und mehr noch die Italiener, welche den Uebergang ins 18. Jahrhundert bil¬ den, wie der Conte Carlo Cignani (1628 — 1714), dessen große „Himmelfahrt Maria" die Mitte der Hauptwand dieses großen Mittelsaales und somit den Mittelpunkt der ganzen Galerie einnahm. Der vierte Saal, der zweite quadratische Ecksaal, hieß der „Saal van der Werffs." Hier hingen jene zahlreichen Gemälde dieses Meisters, welche damals einen Modestolz Düsseldorfs bildeten und heute ein Cabinet der Münchener Pinakothek füllen, aber auch die berühmten Rembrandts, jene herrlichen sechs Passionsbilder, welche für alle Zeiten ein dauernder Stolz jeder Sammlung sein werden, die sie besitzt. Endlich gelangte man in den großen fünften Saal, welcher heute in die Landesbibliothek verbaut ist, den in seiner Art einzigen „Rubens-Saal", welcher mit 46 zum Theil sehr großen Bildern des Antwerpener Malerfürsten geschmückt war. Unter ihnen befand sich eine Reihe seiner berühmtesten und köstlichsten Werke. Die Schmalwand, in welcher die Eingangsthür lag, trug elf, die gegen¬ überliegende Schlußwand sieben Tafeln. In der Mitte der letztern prangte das große jüngste Gericht, welches in der Düsseldorfer Jesuitenkirche gewesen war. Oben auf den Wolken thront Christus als Weltrichter zwischen Engeln und Heiligen; unten auf der Erde entsteigen die Todten bei den Klang' Posaunen ihren Gräbern. Rechts vom Erlöser schweben die Seligen gen H. ..e», oder werden von den Erzengeln hinangezogen; links werden die Verdammten in wilden Knäueln zur Hölle hinabgedonnert. Welches Gedränge kolossaler menschlicher Formen, welche Fülle von Licht und Farbe, welche Mannichfaltig- keit verklärten und entsetzten Ausdrucks! Rechts neben diesem großen hing das kleine jüngste Gericht, welches denselben Gegenstand weniger michelangelesk, aber origineller rubenssch, weniger plastisch, aber einheitlicher malerisch darstellt. Links neben jenem großen Bilde aber hing das Doppelbildniß des Künstlers und seiner ersten Gemahlin Jsabella Braut. Im Schatten einer Geisblattlaube sitzt das glückliche Paar. Sie ruht zu seinen Füßen und legt ihre Rechte zutrau¬ lich auf die seine; heiter und selbstzufrieden blicken uns große, bedeutende Augen an. Endlich die 28 Gemälde an der großen Langwand dieses Rnbens- saales: die prächtige Amazonenschlacht, die guirlandenschleppenden nackten Kinder¬ gestalten, die Landschaft mit dein Regenbogen, der Sturz der Verdammten, Christus und die Sünder, die große Himmelfahrt Mariä, welche noch heute

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/164>, abgerufen am 14.01.2025.