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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Anfang und Ende einer Gemäldegalerie des vorigen Jahrhunderts.

Kurfürsten Johann Wilhelm -- portrütirt hat, sowie der durch den Rubens¬
schüler Erasmus Quellinus gebildete Ant. Schoonjans, der sieben Bilder, näm-
lich drei biblische Scenen, eine mythologische Darstellung und drei Bildnisse
-- unter letztern dasjenige der italienischen Kurfürstin -- für Johann Wilhelm
gemalt hat, schon diese Belgier haben sich bis heute ein gewisses Ansehen zu
bewahren gewußt. Vor allen Dingen aber sind die Namen der damals in
Düsseldorf lebenden Holländer in die Kunstgeschichte übergegangen. Wer
kennt nicht Adriaen van der Werff, dem man, wie man sonst auch über seine
kleinliche und gelenkte Manier, große Gegenstände zu behandeln, denken mag,
doch lassen muß, daß er den Ton der Zeit, die der Wucht und Breite müde
war, in selbständiger Weise zu treffen wußte? Adriaen van der Werff war
aber, obgleich er nur die eine Hälfte des Jahres in Düsseldorf zubrachte, neben
van Douven der einflußreichste Künstler am Hofe. Die Galerie besaß 25 Bilder
seiner Hand. Wer, der sich mit Kunstgeschichte beschäftigt hat, kennt nicht Gott¬
fried Schalken, den vielseitigen Schüler Gerard Dows, dessen Genrebilder bei
Kerzen- oder Lampenlicht fast in allen Sammlungen zu finden sind? Wer kennt
nicht die Rachel Ruysch, deren Namen unter den Blumen- und Fruchtmalern
und Malerinnen der ganzen Welt zu den berühmtesten gehört? Wer kennt
nicht Jan Weenix, den trefflichen, halblandschaftlichen Stilllebenmaler, der im
Schlosse Bensberg einen großen decorativer Hauptcyklus von Jagdstücken für
Johann Wilhelm gemalt hatte? Und selbst Eglon van der Neer, der Sohn
des berühmten Mondscheinmalers A. van der Neer, selbst dieser in Düssel¬
dorf gestorbene Meister, dem man es zum Verdienste anrechnen muß, daß er,
anstatt seinen großen Vater nachzuahmen, eigene, damals modernere Wege ging,
gehört noch heute zu den gern gesehenen Gästen unsrer Galerien. Auch Hermann
van der Myn, der Frucht- und Blumenmaler, wird noch mit Anerkennung
von den Handbüchern der Geschichte der Malerei genannt; ja sogar der Vedu¬
tenmaler Jan van Nickelen wird von ihnen nicht übergangen. Alle diese Maler
aber lebten kürzere oder längere Zeit in Düsseldorf und malten im Auftrage
Johann Wilhelms für dessen Sammlung, welche schon am Anfange des Jahr¬
hunderts ziemlich vollständig war. Der genannte Herr de Blainville sah sie
bereits in einem Galeriegebäude. Er sagt: "Die Galerie ist ziemlich lang,
aber viel zu niedrig. Man baut jedoch eine neue, höhere, welche nach dem
Entwürfe, den man mir zeigte, eine prächtige werden wird." Einige Jahre
später, 1710, war dieses neue Gebäude fertig. Es war wohl das früheste,
eigens für eine Gemäldegalerie errichtete Gebäude in Deutschland. Die Dresdner
Sammlung wurde erst 1722 als "Galerie" constituirt und in besondern Räu¬
men, aber auch dann noch nicht in einem eigens für den Zweck errichteten Ge¬
bäude untergebracht. Das Düsseldorfer Galeriegebäude von 1710 steht übrigens


Grenzboten I. 1881. 21
Anfang und Ende einer Gemäldegalerie des vorigen Jahrhunderts.

Kurfürsten Johann Wilhelm — portrütirt hat, sowie der durch den Rubens¬
schüler Erasmus Quellinus gebildete Ant. Schoonjans, der sieben Bilder, näm-
lich drei biblische Scenen, eine mythologische Darstellung und drei Bildnisse
— unter letztern dasjenige der italienischen Kurfürstin — für Johann Wilhelm
gemalt hat, schon diese Belgier haben sich bis heute ein gewisses Ansehen zu
bewahren gewußt. Vor allen Dingen aber sind die Namen der damals in
Düsseldorf lebenden Holländer in die Kunstgeschichte übergegangen. Wer
kennt nicht Adriaen van der Werff, dem man, wie man sonst auch über seine
kleinliche und gelenkte Manier, große Gegenstände zu behandeln, denken mag,
doch lassen muß, daß er den Ton der Zeit, die der Wucht und Breite müde
war, in selbständiger Weise zu treffen wußte? Adriaen van der Werff war
aber, obgleich er nur die eine Hälfte des Jahres in Düsseldorf zubrachte, neben
van Douven der einflußreichste Künstler am Hofe. Die Galerie besaß 25 Bilder
seiner Hand. Wer, der sich mit Kunstgeschichte beschäftigt hat, kennt nicht Gott¬
fried Schalken, den vielseitigen Schüler Gerard Dows, dessen Genrebilder bei
Kerzen- oder Lampenlicht fast in allen Sammlungen zu finden sind? Wer kennt
nicht die Rachel Ruysch, deren Namen unter den Blumen- und Fruchtmalern
und Malerinnen der ganzen Welt zu den berühmtesten gehört? Wer kennt
nicht Jan Weenix, den trefflichen, halblandschaftlichen Stilllebenmaler, der im
Schlosse Bensberg einen großen decorativer Hauptcyklus von Jagdstücken für
Johann Wilhelm gemalt hatte? Und selbst Eglon van der Neer, der Sohn
des berühmten Mondscheinmalers A. van der Neer, selbst dieser in Düssel¬
dorf gestorbene Meister, dem man es zum Verdienste anrechnen muß, daß er,
anstatt seinen großen Vater nachzuahmen, eigene, damals modernere Wege ging,
gehört noch heute zu den gern gesehenen Gästen unsrer Galerien. Auch Hermann
van der Myn, der Frucht- und Blumenmaler, wird noch mit Anerkennung
von den Handbüchern der Geschichte der Malerei genannt; ja sogar der Vedu¬
tenmaler Jan van Nickelen wird von ihnen nicht übergangen. Alle diese Maler
aber lebten kürzere oder längere Zeit in Düsseldorf und malten im Auftrage
Johann Wilhelms für dessen Sammlung, welche schon am Anfange des Jahr¬
hunderts ziemlich vollständig war. Der genannte Herr de Blainville sah sie
bereits in einem Galeriegebäude. Er sagt: „Die Galerie ist ziemlich lang,
aber viel zu niedrig. Man baut jedoch eine neue, höhere, welche nach dem
Entwürfe, den man mir zeigte, eine prächtige werden wird." Einige Jahre
später, 1710, war dieses neue Gebäude fertig. Es war wohl das früheste,
eigens für eine Gemäldegalerie errichtete Gebäude in Deutschland. Die Dresdner
Sammlung wurde erst 1722 als „Galerie" constituirt und in besondern Räu¬
men, aber auch dann noch nicht in einem eigens für den Zweck errichteten Ge¬
bäude untergebracht. Das Düsseldorfer Galeriegebäude von 1710 steht übrigens


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[0161] Anfang und Ende einer Gemäldegalerie des vorigen Jahrhunderts. Kurfürsten Johann Wilhelm — portrütirt hat, sowie der durch den Rubens¬ schüler Erasmus Quellinus gebildete Ant. Schoonjans, der sieben Bilder, näm- lich drei biblische Scenen, eine mythologische Darstellung und drei Bildnisse — unter letztern dasjenige der italienischen Kurfürstin — für Johann Wilhelm gemalt hat, schon diese Belgier haben sich bis heute ein gewisses Ansehen zu bewahren gewußt. Vor allen Dingen aber sind die Namen der damals in Düsseldorf lebenden Holländer in die Kunstgeschichte übergegangen. Wer kennt nicht Adriaen van der Werff, dem man, wie man sonst auch über seine kleinliche und gelenkte Manier, große Gegenstände zu behandeln, denken mag, doch lassen muß, daß er den Ton der Zeit, die der Wucht und Breite müde war, in selbständiger Weise zu treffen wußte? Adriaen van der Werff war aber, obgleich er nur die eine Hälfte des Jahres in Düsseldorf zubrachte, neben van Douven der einflußreichste Künstler am Hofe. Die Galerie besaß 25 Bilder seiner Hand. Wer, der sich mit Kunstgeschichte beschäftigt hat, kennt nicht Gott¬ fried Schalken, den vielseitigen Schüler Gerard Dows, dessen Genrebilder bei Kerzen- oder Lampenlicht fast in allen Sammlungen zu finden sind? Wer kennt nicht die Rachel Ruysch, deren Namen unter den Blumen- und Fruchtmalern und Malerinnen der ganzen Welt zu den berühmtesten gehört? Wer kennt nicht Jan Weenix, den trefflichen, halblandschaftlichen Stilllebenmaler, der im Schlosse Bensberg einen großen decorativer Hauptcyklus von Jagdstücken für Johann Wilhelm gemalt hatte? Und selbst Eglon van der Neer, der Sohn des berühmten Mondscheinmalers A. van der Neer, selbst dieser in Düssel¬ dorf gestorbene Meister, dem man es zum Verdienste anrechnen muß, daß er, anstatt seinen großen Vater nachzuahmen, eigene, damals modernere Wege ging, gehört noch heute zu den gern gesehenen Gästen unsrer Galerien. Auch Hermann van der Myn, der Frucht- und Blumenmaler, wird noch mit Anerkennung von den Handbüchern der Geschichte der Malerei genannt; ja sogar der Vedu¬ tenmaler Jan van Nickelen wird von ihnen nicht übergangen. Alle diese Maler aber lebten kürzere oder längere Zeit in Düsseldorf und malten im Auftrage Johann Wilhelms für dessen Sammlung, welche schon am Anfange des Jahr¬ hunderts ziemlich vollständig war. Der genannte Herr de Blainville sah sie bereits in einem Galeriegebäude. Er sagt: „Die Galerie ist ziemlich lang, aber viel zu niedrig. Man baut jedoch eine neue, höhere, welche nach dem Entwürfe, den man mir zeigte, eine prächtige werden wird." Einige Jahre später, 1710, war dieses neue Gebäude fertig. Es war wohl das früheste, eigens für eine Gemäldegalerie errichtete Gebäude in Deutschland. Die Dresdner Sammlung wurde erst 1722 als „Galerie" constituirt und in besondern Räu¬ men, aber auch dann noch nicht in einem eigens für den Zweck errichteten Ge¬ bäude untergebracht. Das Düsseldorfer Galeriegebäude von 1710 steht übrigens Grenzboten I. 1881. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/161>, abgerufen am 14.01.2025.