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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Anfang und Ende einer Gemäldegalerie des vorige" Jahrhunderts.

Weißpfennige, von dannen nach Kaiserswerth." Erst als Kurfürst Johann
Wilhelm von der Pfalz sich hier mit einem Hofstaate von Künstlern umgab und
seine große Gemäldegalerie gründete, fing Düsseldorf allmählich an, eine be¬
rühmte Stadt und ein Reiseziel aller Kunstliebhaber zu werden. Ihrer Galerie
wegen zog die kleine Rhein- und Düsselstadt während des ganzen vorigen Jahr¬
hunderts so viele distinguirte Reisende an, wie sie es seitdem, abgesehen vom
vorigen Ausstellungsjahre, noch nie wieder gethan hat. So heißt es z. B. in
einem Berichte aus dem letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts in Bezug auf
Sir Josuah Reynolds, den englischen Großmaler der damaligen Zeit: "Es
vergehen wenige Jahre, wo nicht der große Reynolds von Zeit zu Zeit die
Düsseldorfer Galerie besucht, um seinem Geiste an diesen ältern Kunstwerken
Nahrung zu gewähren." London besaß eben damals noch keine öffentliche Galerie.
Bekannt ist Goethes Besuch in Düsseldorf und sein Lob der Galerie in "Dich¬
tung und Wahrheit." Viel Würmer aber noch schrieb er am 21. Juli 1774
in Düsseldorf selbst an Helene Elisabeth Jacobu "Kommend von der Galerie,
die meines Hertzens Härtigkeit erweicht, gestärkt und folglich gestählt hat." Auch
andere unsrer classischen Schriftsteller reden mit Entzücken von ihren Besuchen
der ehemaligen großen rheinischen Sammlung. Die eigentliche Reiseliteratur
des vorigen Jahrhunderts erstreckte sich hauptsächlich ihretwegen auf den Nieder¬
rhein. Es könnte hier z. B. an Georg Forsters "Ansichten vom Niederrhein"
und an I. G. Längs "Reise auf dem Rhein" erinnert werden. In manchen
Beziehungen interessanter jedoch als diese Berichte vom Ende des 18. Jahr¬
hunderts ist die vom Anfange desselben stammende Reisebeschreibung des fran¬
zösischen Emigrirten de Blainville. Dieser vielseitige und geistreiche Beobachter
machte in den Jahren 1705--1707 eine Reise durch Holland, Deutschland, die
Schweiz und Italien. Das Tagebuch derselben, welches später zunächst in eng¬
lischer, dann auch in deutscher Sprache herausgegeben wurde, enthält eine ein¬
gehende Beschreibung des Düsseldorfer Hof- und Kunstlebens jener Tage. In
seinen Bemerkungen über die Gemäldegalerie, die damals gerade im Entstehen
begriffen war, und über seinen Führer durch dieselbe, den berühmten Maler
Ubr. van der Werff, zeigt er sich als feinen Kenner. Trotz seiner Dankbarkeit
gegen van der Werff kann er sich nicht enthalten, über ihn zu bemerken: "Dieser
hat zwar durch seine Werke großen Ruhm erworben; aber sie sind mit einer
erzwungenen Svrgfältigkeit ausgeführt, welche Michel Angelo, Raphael, die
Caracci und Tizian verabscheuten." Auch daß er zu zwei Gemälden Luca
Giordanos, des bekannten Meisters ?a xissto, erwähnt, man halte diese Bilder
in Düsseldorf für seine Hauptwerke, er habe aber im Palaste des Königs von
Spanien mehr als hundert Gemälde Lucas gesehen, die nicht schlechter seien,
zeigt den erfahrenen Beobachter. Für die Bilder der Sammlung, die wir noch


Anfang und Ende einer Gemäldegalerie des vorige» Jahrhunderts.

Weißpfennige, von dannen nach Kaiserswerth." Erst als Kurfürst Johann
Wilhelm von der Pfalz sich hier mit einem Hofstaate von Künstlern umgab und
seine große Gemäldegalerie gründete, fing Düsseldorf allmählich an, eine be¬
rühmte Stadt und ein Reiseziel aller Kunstliebhaber zu werden. Ihrer Galerie
wegen zog die kleine Rhein- und Düsselstadt während des ganzen vorigen Jahr¬
hunderts so viele distinguirte Reisende an, wie sie es seitdem, abgesehen vom
vorigen Ausstellungsjahre, noch nie wieder gethan hat. So heißt es z. B. in
einem Berichte aus dem letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts in Bezug auf
Sir Josuah Reynolds, den englischen Großmaler der damaligen Zeit: „Es
vergehen wenige Jahre, wo nicht der große Reynolds von Zeit zu Zeit die
Düsseldorfer Galerie besucht, um seinem Geiste an diesen ältern Kunstwerken
Nahrung zu gewähren." London besaß eben damals noch keine öffentliche Galerie.
Bekannt ist Goethes Besuch in Düsseldorf und sein Lob der Galerie in „Dich¬
tung und Wahrheit." Viel Würmer aber noch schrieb er am 21. Juli 1774
in Düsseldorf selbst an Helene Elisabeth Jacobu „Kommend von der Galerie,
die meines Hertzens Härtigkeit erweicht, gestärkt und folglich gestählt hat." Auch
andere unsrer classischen Schriftsteller reden mit Entzücken von ihren Besuchen
der ehemaligen großen rheinischen Sammlung. Die eigentliche Reiseliteratur
des vorigen Jahrhunderts erstreckte sich hauptsächlich ihretwegen auf den Nieder¬
rhein. Es könnte hier z. B. an Georg Forsters „Ansichten vom Niederrhein"
und an I. G. Längs „Reise auf dem Rhein" erinnert werden. In manchen
Beziehungen interessanter jedoch als diese Berichte vom Ende des 18. Jahr¬
hunderts ist die vom Anfange desselben stammende Reisebeschreibung des fran¬
zösischen Emigrirten de Blainville. Dieser vielseitige und geistreiche Beobachter
machte in den Jahren 1705—1707 eine Reise durch Holland, Deutschland, die
Schweiz und Italien. Das Tagebuch derselben, welches später zunächst in eng¬
lischer, dann auch in deutscher Sprache herausgegeben wurde, enthält eine ein¬
gehende Beschreibung des Düsseldorfer Hof- und Kunstlebens jener Tage. In
seinen Bemerkungen über die Gemäldegalerie, die damals gerade im Entstehen
begriffen war, und über seinen Führer durch dieselbe, den berühmten Maler
Ubr. van der Werff, zeigt er sich als feinen Kenner. Trotz seiner Dankbarkeit
gegen van der Werff kann er sich nicht enthalten, über ihn zu bemerken: „Dieser
hat zwar durch seine Werke großen Ruhm erworben; aber sie sind mit einer
erzwungenen Svrgfältigkeit ausgeführt, welche Michel Angelo, Raphael, die
Caracci und Tizian verabscheuten." Auch daß er zu zwei Gemälden Luca
Giordanos, des bekannten Meisters ?a xissto, erwähnt, man halte diese Bilder
in Düsseldorf für seine Hauptwerke, er habe aber im Palaste des Königs von
Spanien mehr als hundert Gemälde Lucas gesehen, die nicht schlechter seien,
zeigt den erfahrenen Beobachter. Für die Bilder der Sammlung, die wir noch


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[0157] Anfang und Ende einer Gemäldegalerie des vorige» Jahrhunderts. Weißpfennige, von dannen nach Kaiserswerth." Erst als Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz sich hier mit einem Hofstaate von Künstlern umgab und seine große Gemäldegalerie gründete, fing Düsseldorf allmählich an, eine be¬ rühmte Stadt und ein Reiseziel aller Kunstliebhaber zu werden. Ihrer Galerie wegen zog die kleine Rhein- und Düsselstadt während des ganzen vorigen Jahr¬ hunderts so viele distinguirte Reisende an, wie sie es seitdem, abgesehen vom vorigen Ausstellungsjahre, noch nie wieder gethan hat. So heißt es z. B. in einem Berichte aus dem letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts in Bezug auf Sir Josuah Reynolds, den englischen Großmaler der damaligen Zeit: „Es vergehen wenige Jahre, wo nicht der große Reynolds von Zeit zu Zeit die Düsseldorfer Galerie besucht, um seinem Geiste an diesen ältern Kunstwerken Nahrung zu gewähren." London besaß eben damals noch keine öffentliche Galerie. Bekannt ist Goethes Besuch in Düsseldorf und sein Lob der Galerie in „Dich¬ tung und Wahrheit." Viel Würmer aber noch schrieb er am 21. Juli 1774 in Düsseldorf selbst an Helene Elisabeth Jacobu „Kommend von der Galerie, die meines Hertzens Härtigkeit erweicht, gestärkt und folglich gestählt hat." Auch andere unsrer classischen Schriftsteller reden mit Entzücken von ihren Besuchen der ehemaligen großen rheinischen Sammlung. Die eigentliche Reiseliteratur des vorigen Jahrhunderts erstreckte sich hauptsächlich ihretwegen auf den Nieder¬ rhein. Es könnte hier z. B. an Georg Forsters „Ansichten vom Niederrhein" und an I. G. Längs „Reise auf dem Rhein" erinnert werden. In manchen Beziehungen interessanter jedoch als diese Berichte vom Ende des 18. Jahr¬ hunderts ist die vom Anfange desselben stammende Reisebeschreibung des fran¬ zösischen Emigrirten de Blainville. Dieser vielseitige und geistreiche Beobachter machte in den Jahren 1705—1707 eine Reise durch Holland, Deutschland, die Schweiz und Italien. Das Tagebuch derselben, welches später zunächst in eng¬ lischer, dann auch in deutscher Sprache herausgegeben wurde, enthält eine ein¬ gehende Beschreibung des Düsseldorfer Hof- und Kunstlebens jener Tage. In seinen Bemerkungen über die Gemäldegalerie, die damals gerade im Entstehen begriffen war, und über seinen Führer durch dieselbe, den berühmten Maler Ubr. van der Werff, zeigt er sich als feinen Kenner. Trotz seiner Dankbarkeit gegen van der Werff kann er sich nicht enthalten, über ihn zu bemerken: „Dieser hat zwar durch seine Werke großen Ruhm erworben; aber sie sind mit einer erzwungenen Svrgfältigkeit ausgeführt, welche Michel Angelo, Raphael, die Caracci und Tizian verabscheuten." Auch daß er zu zwei Gemälden Luca Giordanos, des bekannten Meisters ?a xissto, erwähnt, man halte diese Bilder in Düsseldorf für seine Hauptwerke, er habe aber im Palaste des Königs von Spanien mehr als hundert Gemälde Lucas gesehen, die nicht schlechter seien, zeigt den erfahrenen Beobachter. Für die Bilder der Sammlung, die wir noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/157>, abgerufen am 27.12.2024.