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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Kriegführung im Mittelalter.

denn minder dicht geschlossene Schlachtreihen taugen weniger zum Widerstande.
Der König Richard und der Herzog von Burgund sprengten mit einem Gefolge
erlesener Ritter hierhin und dahin, beobachteten auf allen Seiten, zur Rechten
und zur Linken, und erwogen sorgsam die Gewohnheiten der Türken und ihre
Lage, um, je nachdem es förderlich erschien, den Vormarsch des Heeres zu be¬
schleunigen." Wie in der nun folgenden Schlacht die Stellung der Christen
war, erfahren wir nicht.

Auch aus Aegidius Colonna ist über die Taktik seiner Zeit nicht viel zu
lernen. Er meint, die quadratische Schlachtordnung dürfe nur angewendet
werden, wenn das Terrain sie verlange. Zur Vertheidigung sei die runde am
besten geeignet, und zwar seien bei ihr die tüchtigsten Krieger in die erste Reihe
zu stellen. Sei der Feind an Zahl schwach, so müsse man sich ihm gegenüber
zeugen- oder hufeisenförmig aufstellen, weil er dann leicht zu umfassen sei.
Für den Angriff sei die pyramidale Ordnung die beste. Die Zahl der Schlacht-
häuser müsse sich nach derjenigen der Soldaten richten, über welche man ver¬
füge, tüchtige und erprobte Leute seien an die Ecken der Schaaren und wo sonst
die Gefahr am größten sei, einzureihen. Endlich müsse man bei jeder Schnur
einige ausgezeichnete Ritter für Nothfälle in Reserve halten.

Den Mittelpunkt der ganzen Aufstellung bildete die Hauptfahne oder der
Fahnenwagen. Hierher wurden die Kranken, die während der Schlacht ver¬
wundeten und die in derselben gefallenen vornehmen Krieger gebracht.

Am Abend vor dem Kampfe beichteten die Ritter und Soldaten, verfügten
für den Fall, daß sie blieben, über ihr Besitzthum, prüften die Harnische noch
einmal sorgfältig und legten sich die Waffen und ihren Kriegsschmuck zurecht.
Brach dann der Tag der Schlacht an, so hatte man es gern, wenn das Wetter
hell und der Himmel blau war. Die Wahlstatt sollte möglichst eben gestaltet
und ohne Buschwerk, Thäler und Hügel sein. Früh wurde eine Messe gelesen,
und wer das Bedürfniß empfand, empfing noch das Abendmahl. Dann
rief ein dreifaches Hornsignal die Krieger auf, sich für den Kampf in Bereit¬
schaft zu setzen. Der Fürst oder Feldherr feuerte seine Leute durch eine An¬
sprache an, in welcher er den Siegern reiche Belohnung verhieß oder sie an
ihre Damen erinnerte und sie aufforderte, denselben Ehre zu machen. Darauf
rückten die Schaaren in die Schlachtordnung ein, und zwar so dicht geschlossen,
daß, wie es bei Guiart heißt, "ein auf sie geworfener Handschuh nicht zur Erde
gefallen wäre und ein Ball von einer Truppe zur andern hätte geworfen werden
können." Voran marschirte das Fußvolk, welches die Schlacht zu eröffnen be¬
stimmt war. Dann folgten mit eingelegten Lanzen die Ritter, die an der Spitze
die "Avantbataille" hatten. Zu Anfange des 14. Jahrhunderts hatte man anch
schon eine Art Artillerie in der Schlacht, die schwere Steine schleudernden


Kriegführung im Mittelalter.

denn minder dicht geschlossene Schlachtreihen taugen weniger zum Widerstande.
Der König Richard und der Herzog von Burgund sprengten mit einem Gefolge
erlesener Ritter hierhin und dahin, beobachteten auf allen Seiten, zur Rechten
und zur Linken, und erwogen sorgsam die Gewohnheiten der Türken und ihre
Lage, um, je nachdem es förderlich erschien, den Vormarsch des Heeres zu be¬
schleunigen." Wie in der nun folgenden Schlacht die Stellung der Christen
war, erfahren wir nicht.

Auch aus Aegidius Colonna ist über die Taktik seiner Zeit nicht viel zu
lernen. Er meint, die quadratische Schlachtordnung dürfe nur angewendet
werden, wenn das Terrain sie verlange. Zur Vertheidigung sei die runde am
besten geeignet, und zwar seien bei ihr die tüchtigsten Krieger in die erste Reihe
zu stellen. Sei der Feind an Zahl schwach, so müsse man sich ihm gegenüber
zeugen- oder hufeisenförmig aufstellen, weil er dann leicht zu umfassen sei.
Für den Angriff sei die pyramidale Ordnung die beste. Die Zahl der Schlacht-
häuser müsse sich nach derjenigen der Soldaten richten, über welche man ver¬
füge, tüchtige und erprobte Leute seien an die Ecken der Schaaren und wo sonst
die Gefahr am größten sei, einzureihen. Endlich müsse man bei jeder Schnur
einige ausgezeichnete Ritter für Nothfälle in Reserve halten.

Den Mittelpunkt der ganzen Aufstellung bildete die Hauptfahne oder der
Fahnenwagen. Hierher wurden die Kranken, die während der Schlacht ver¬
wundeten und die in derselben gefallenen vornehmen Krieger gebracht.

Am Abend vor dem Kampfe beichteten die Ritter und Soldaten, verfügten
für den Fall, daß sie blieben, über ihr Besitzthum, prüften die Harnische noch
einmal sorgfältig und legten sich die Waffen und ihren Kriegsschmuck zurecht.
Brach dann der Tag der Schlacht an, so hatte man es gern, wenn das Wetter
hell und der Himmel blau war. Die Wahlstatt sollte möglichst eben gestaltet
und ohne Buschwerk, Thäler und Hügel sein. Früh wurde eine Messe gelesen,
und wer das Bedürfniß empfand, empfing noch das Abendmahl. Dann
rief ein dreifaches Hornsignal die Krieger auf, sich für den Kampf in Bereit¬
schaft zu setzen. Der Fürst oder Feldherr feuerte seine Leute durch eine An¬
sprache an, in welcher er den Siegern reiche Belohnung verhieß oder sie an
ihre Damen erinnerte und sie aufforderte, denselben Ehre zu machen. Darauf
rückten die Schaaren in die Schlachtordnung ein, und zwar so dicht geschlossen,
daß, wie es bei Guiart heißt, „ein auf sie geworfener Handschuh nicht zur Erde
gefallen wäre und ein Ball von einer Truppe zur andern hätte geworfen werden
können." Voran marschirte das Fußvolk, welches die Schlacht zu eröffnen be¬
stimmt war. Dann folgten mit eingelegten Lanzen die Ritter, die an der Spitze
die „Avantbataille" hatten. Zu Anfange des 14. Jahrhunderts hatte man anch
schon eine Art Artillerie in der Schlacht, die schwere Steine schleudernden


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[0136] Kriegführung im Mittelalter. denn minder dicht geschlossene Schlachtreihen taugen weniger zum Widerstande. Der König Richard und der Herzog von Burgund sprengten mit einem Gefolge erlesener Ritter hierhin und dahin, beobachteten auf allen Seiten, zur Rechten und zur Linken, und erwogen sorgsam die Gewohnheiten der Türken und ihre Lage, um, je nachdem es förderlich erschien, den Vormarsch des Heeres zu be¬ schleunigen." Wie in der nun folgenden Schlacht die Stellung der Christen war, erfahren wir nicht. Auch aus Aegidius Colonna ist über die Taktik seiner Zeit nicht viel zu lernen. Er meint, die quadratische Schlachtordnung dürfe nur angewendet werden, wenn das Terrain sie verlange. Zur Vertheidigung sei die runde am besten geeignet, und zwar seien bei ihr die tüchtigsten Krieger in die erste Reihe zu stellen. Sei der Feind an Zahl schwach, so müsse man sich ihm gegenüber zeugen- oder hufeisenförmig aufstellen, weil er dann leicht zu umfassen sei. Für den Angriff sei die pyramidale Ordnung die beste. Die Zahl der Schlacht- häuser müsse sich nach derjenigen der Soldaten richten, über welche man ver¬ füge, tüchtige und erprobte Leute seien an die Ecken der Schaaren und wo sonst die Gefahr am größten sei, einzureihen. Endlich müsse man bei jeder Schnur einige ausgezeichnete Ritter für Nothfälle in Reserve halten. Den Mittelpunkt der ganzen Aufstellung bildete die Hauptfahne oder der Fahnenwagen. Hierher wurden die Kranken, die während der Schlacht ver¬ wundeten und die in derselben gefallenen vornehmen Krieger gebracht. Am Abend vor dem Kampfe beichteten die Ritter und Soldaten, verfügten für den Fall, daß sie blieben, über ihr Besitzthum, prüften die Harnische noch einmal sorgfältig und legten sich die Waffen und ihren Kriegsschmuck zurecht. Brach dann der Tag der Schlacht an, so hatte man es gern, wenn das Wetter hell und der Himmel blau war. Die Wahlstatt sollte möglichst eben gestaltet und ohne Buschwerk, Thäler und Hügel sein. Früh wurde eine Messe gelesen, und wer das Bedürfniß empfand, empfing noch das Abendmahl. Dann rief ein dreifaches Hornsignal die Krieger auf, sich für den Kampf in Bereit¬ schaft zu setzen. Der Fürst oder Feldherr feuerte seine Leute durch eine An¬ sprache an, in welcher er den Siegern reiche Belohnung verhieß oder sie an ihre Damen erinnerte und sie aufforderte, denselben Ehre zu machen. Darauf rückten die Schaaren in die Schlachtordnung ein, und zwar so dicht geschlossen, daß, wie es bei Guiart heißt, „ein auf sie geworfener Handschuh nicht zur Erde gefallen wäre und ein Ball von einer Truppe zur andern hätte geworfen werden können." Voran marschirte das Fußvolk, welches die Schlacht zu eröffnen be¬ stimmt war. Dann folgten mit eingelegten Lanzen die Ritter, die an der Spitze die „Avantbataille" hatten. Zu Anfange des 14. Jahrhunderts hatte man anch schon eine Art Artillerie in der Schlacht, die schwere Steine schleudernden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/136>, abgerufen am 27.12.2024.