Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.Großdeutsche Geschichtschreibung. ßische Politik erhob, suchte er seine apologetischen Absichten zur Geltung zu Sybel ist die Antwort hierauf nicht schuldig geblieben. Seit der literari¬ Neuerdings hat nun Freiherr Langwerth von Simmern in einem aus Er beginnt mit Friedrichs des Großen Angriff gegen die österreichische Mo¬ *) Oesterreich und das Reich im Kampfe mit der französischen Revolu¬ tion. Bon 1790 bis 1797. Bon G. Freiherrn Langwerth von Simmern. 2 Bände. Berlin und Leipzig, E. Bitter, 1380. Grenzboten I. 1881. 13
Großdeutsche Geschichtschreibung. ßische Politik erhob, suchte er seine apologetischen Absichten zur Geltung zu Sybel ist die Antwort hierauf nicht schuldig geblieben. Seit der literari¬ Neuerdings hat nun Freiherr Langwerth von Simmern in einem aus Er beginnt mit Friedrichs des Großen Angriff gegen die österreichische Mo¬ *) Oesterreich und das Reich im Kampfe mit der französischen Revolu¬ tion. Bon 1790 bis 1797. Bon G. Freiherrn Langwerth von Simmern. 2 Bände. Berlin und Leipzig, E. Bitter, 1380. Grenzboten I. 1881. 13
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0101" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149085"/> <fw type="header" place="top"> Großdeutsche Geschichtschreibung.</fw><lb/> <p xml:id="ID_256" prev="#ID_255"> ßische Politik erhob, suchte er seine apologetischen Absichten zur Geltung zu<lb/> bringen. Während er im preußischen Cabinet und Heere eine Fülle von Ver¬<lb/> rath und Bosheit, von Niederträchtigkeit und Zerstörungswuth sieht, ist auf<lb/> Oesterreichs Seite in jenen Zeiten nur Edelmuth, Pflichttreue, Beharrlichkeit<lb/> und die uneigennützigste Aufopferung für das undankbare Reich zu finden ge¬<lb/> wesen.</p><lb/> <p xml:id="ID_257"> Sybel ist die Antwort hierauf nicht schuldig geblieben. Seit der literari¬<lb/> schen Fehde, die er, wohl der bedeutendste unter den sogenannten kleindeutschen<lb/> Geschichtsschreibern, mit Ficker, über die Bedeutung des alten Kaiserthums<lb/> und dessen Segen für unsere Nation geführt, hat er mit Geist und Gelehrsam¬<lb/> keit und zugleich kühn herausfordernd seine Ansicht vertheidigt. Der Krieg von<lb/> 1866 und die darauf folgenden Jahre des friedlichen Einvernehmens und endlich<lb/> des freundschaftlichen Bündnisses mit Oesterreich begruben die vielbehandelte<lb/> Frage. Hatte sie doch ihre praktische Bedeutung verloren.</p><lb/> <p xml:id="ID_258"> Neuerdings hat nun Freiherr Langwerth von Simmern in einem aus<lb/> zwei stattlichen Bänden bestehenden Werke, Oesterreichs Kämpfe gegen die franzö¬<lb/> sische Republik von neuem behandelt.*) Er hat für seine Arbeit keine archivali-<lb/> schen Studien gemacht, sondern stützt sich auf die bekannten Darstellungen von<lb/> Sybel, Hauffer, Hüffer, Rankes „Denkwürdigkeiten des Staatskanzlers Fürsten<lb/> von Hardenberg," Witzlebens Biographie des Prinzen Jostas von Coburg und<lb/> vor allem auf die Publicationen Vivenots. Als Freund und Gesinnungsgenosse<lb/> des letztern behandelt der Verfasser die Ereignisse, die er schildert, natürlich vom<lb/> specifisch großdeutschen Standpunkte.</p><lb/> <p xml:id="ID_259" next="#ID_260"> Er beginnt mit Friedrichs des Großen Angriff gegen die österreichische Mo¬<lb/> narchie. Der große preußische König ist dabei nicht gut weggekommen. Wenn<lb/> der Verfasser auch großmüthig anerkennt (S. 41), daß bei Friedrich „seine ur¬<lb/> sprüngliche und bessere Natur oft durchschimmert", so wundert er sich doch<lb/> (S. 36), daß es Leute giebt, in deren Augen Friedrich „eine Art von National¬<lb/> held" werden konnte. Im folgenden werden uns Maria Theresia, Josef II.<lb/> und Leopold charakterisirt und, nachdem das Verhältniß Preußens zu Oester¬<lb/> reich erörtert worden ist, die Veranlassung zu dem Kampfe gegen Frankreich er¬<lb/> zählt. Die französische Revolution ist dem Verfasser nur ein „Hexensabbath";<lb/> die Antipathie gegen die Emigranten, die bekanntlich aus der Zusammenkunft<lb/> in Pillnitz Capital für ihre Sache schlugen und möglichst viel zum Bruche der<lb/> Mächte mit Frankreich beitrugen, erscheint ihm unbegreiflich. Preußen, so be¬<lb/> richtet er weiter, hat Oesterreich erst in den Coalitionskrieg gegen den revolu-</p><lb/> <note xml:id="FID_8" place="foot"> *) Oesterreich und das Reich im Kampfe mit der französischen Revolu¬<lb/> tion. Bon 1790 bis 1797. Bon G. Freiherrn Langwerth von Simmern. 2 Bände.<lb/> Berlin und Leipzig, E. Bitter, 1380.</note><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1881. 13</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0101]
Großdeutsche Geschichtschreibung.
ßische Politik erhob, suchte er seine apologetischen Absichten zur Geltung zu
bringen. Während er im preußischen Cabinet und Heere eine Fülle von Ver¬
rath und Bosheit, von Niederträchtigkeit und Zerstörungswuth sieht, ist auf
Oesterreichs Seite in jenen Zeiten nur Edelmuth, Pflichttreue, Beharrlichkeit
und die uneigennützigste Aufopferung für das undankbare Reich zu finden ge¬
wesen.
Sybel ist die Antwort hierauf nicht schuldig geblieben. Seit der literari¬
schen Fehde, die er, wohl der bedeutendste unter den sogenannten kleindeutschen
Geschichtsschreibern, mit Ficker, über die Bedeutung des alten Kaiserthums
und dessen Segen für unsere Nation geführt, hat er mit Geist und Gelehrsam¬
keit und zugleich kühn herausfordernd seine Ansicht vertheidigt. Der Krieg von
1866 und die darauf folgenden Jahre des friedlichen Einvernehmens und endlich
des freundschaftlichen Bündnisses mit Oesterreich begruben die vielbehandelte
Frage. Hatte sie doch ihre praktische Bedeutung verloren.
Neuerdings hat nun Freiherr Langwerth von Simmern in einem aus
zwei stattlichen Bänden bestehenden Werke, Oesterreichs Kämpfe gegen die franzö¬
sische Republik von neuem behandelt.*) Er hat für seine Arbeit keine archivali-
schen Studien gemacht, sondern stützt sich auf die bekannten Darstellungen von
Sybel, Hauffer, Hüffer, Rankes „Denkwürdigkeiten des Staatskanzlers Fürsten
von Hardenberg," Witzlebens Biographie des Prinzen Jostas von Coburg und
vor allem auf die Publicationen Vivenots. Als Freund und Gesinnungsgenosse
des letztern behandelt der Verfasser die Ereignisse, die er schildert, natürlich vom
specifisch großdeutschen Standpunkte.
Er beginnt mit Friedrichs des Großen Angriff gegen die österreichische Mo¬
narchie. Der große preußische König ist dabei nicht gut weggekommen. Wenn
der Verfasser auch großmüthig anerkennt (S. 41), daß bei Friedrich „seine ur¬
sprüngliche und bessere Natur oft durchschimmert", so wundert er sich doch
(S. 36), daß es Leute giebt, in deren Augen Friedrich „eine Art von National¬
held" werden konnte. Im folgenden werden uns Maria Theresia, Josef II.
und Leopold charakterisirt und, nachdem das Verhältniß Preußens zu Oester¬
reich erörtert worden ist, die Veranlassung zu dem Kampfe gegen Frankreich er¬
zählt. Die französische Revolution ist dem Verfasser nur ein „Hexensabbath";
die Antipathie gegen die Emigranten, die bekanntlich aus der Zusammenkunft
in Pillnitz Capital für ihre Sache schlugen und möglichst viel zum Bruche der
Mächte mit Frankreich beitrugen, erscheint ihm unbegreiflich. Preußen, so be¬
richtet er weiter, hat Oesterreich erst in den Coalitionskrieg gegen den revolu-
*) Oesterreich und das Reich im Kampfe mit der französischen Revolu¬
tion. Bon 1790 bis 1797. Bon G. Freiherrn Langwerth von Simmern. 2 Bände.
Berlin und Leipzig, E. Bitter, 1380.
Grenzboten I. 1881. 13
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |