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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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mientarife und noch mehr, ob es Vorschriften über die Berechnung des Deckungs¬
capitals machen solle, behandelt der Verfasser sehr ausführlich. Wir können an
dieser Stelle nicht näher darauf eingehen. Seine Erörterungen führen sowohl
in diesen Punkten als überhaupt zu den Forderungen, daß: 1) den Versicherten
Sitz und Stimme nach Maßgabe der Größe der von ihnen versicherten Summe
neben den Actionären in der Generalversammlung eingeräumt werde; einen
Census hier einzuführen, wird nicht umgangen werden können; vielleicht würde
es zweckmäßig sein, auf 3000 Mark Versicherungssumme eine Stimme zu setzen;
2) daß eine bestimmte Anzahl der Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichts¬
rathes aus der Mitte der Versicherten zu wählen sei; 3) daß in die Revisions¬
commission, der die Prüfung der jährlichen Rechnungsabschlusse obliegt, minde¬
stens ein Versicherter deputiert werden müsse.

Ein nicht überall zu flutender Borzug von Elsters Schrift muß schlie߬
lich noch als besonders werthvoll hervorgehoben werden, die Vollständigkeit
nämlich, mit welcher die einschlagende Literatur mitgetheilt wird. Nicht bloß,
daß dadurch Leser zu weitern Studien veranlaßt und der oft peinlichen Mühe
des Suchens überhoben werden, man erkennt auch daraus, wie schon erwähnt,
die Umfünglichkeit der Arbeit, welche der Verfasser seiner Schrift gewidmet hat.

Ist es erlaubt, für eine zweite Auflage noch einen Wunsch auszusprechen,
so würde es der sein, die sogenannte Arbeiterversicherung einer umfänglichern
Behandlung zu unterziehen. Man darf aber dabei unter Arbeiterversicherung
nicht bloß die Versicherung der Fabrikarbeiter verstehen, sondern allgemein die
Versicherung, durch welche die Versorgung aller derer, welche ohne Vermögen
von ihrer Arbeit leben müssen, bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und die Ver¬
sorgung der Familien dieser Personen nach Eintritt des Todes des Familien¬
oberhauptes bezweckt wird. Es tritt dabei die Frage auf: Kann diese Ver¬
sicherung von den bereits bestehenden Lebensversicherungs-Gesellschaften geleistet
werden, oder ist sie durch Bildung allgemeiner Pensionskassen zu erreichen, oder
soll man die Lösung der ganzen Aufgabe dem Staate zuweisen? Nach Ansicht
des Schreibers dieser Zeilen werden die Lebensversicherungs-Gesellschaften aus
mehrfachen Gründen nicht dazu befähigt sein. Diese Gesellschaften wollen die
Versorgung im Alter und die Versorgung der Familien durch die gewöhnliche
und abgekürzte Lebensversicherung erreichen. Dies dürfte wohl in einzelnen
Fällen, sicher aber nicht allgemein zu ermöglichen sein. Bestrebungen, diese
Aufgabe zu lösen, sind genug gemacht worden, sind auch nicht ohne Erfolg ge¬
wesen. Die Aerzte z. B. und die Sachwalter in Deutschland haben dergleichen
Anstrengungen gemacht, freilich ohne bisher zum Ziele gelangt zu sein. Die
sämmtlichen Bühnenmitglieder Deutschlands dagegen haben das Gleiche gethan


mientarife und noch mehr, ob es Vorschriften über die Berechnung des Deckungs¬
capitals machen solle, behandelt der Verfasser sehr ausführlich. Wir können an
dieser Stelle nicht näher darauf eingehen. Seine Erörterungen führen sowohl
in diesen Punkten als überhaupt zu den Forderungen, daß: 1) den Versicherten
Sitz und Stimme nach Maßgabe der Größe der von ihnen versicherten Summe
neben den Actionären in der Generalversammlung eingeräumt werde; einen
Census hier einzuführen, wird nicht umgangen werden können; vielleicht würde
es zweckmäßig sein, auf 3000 Mark Versicherungssumme eine Stimme zu setzen;
2) daß eine bestimmte Anzahl der Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichts¬
rathes aus der Mitte der Versicherten zu wählen sei; 3) daß in die Revisions¬
commission, der die Prüfung der jährlichen Rechnungsabschlusse obliegt, minde¬
stens ein Versicherter deputiert werden müsse.

Ein nicht überall zu flutender Borzug von Elsters Schrift muß schlie߬
lich noch als besonders werthvoll hervorgehoben werden, die Vollständigkeit
nämlich, mit welcher die einschlagende Literatur mitgetheilt wird. Nicht bloß,
daß dadurch Leser zu weitern Studien veranlaßt und der oft peinlichen Mühe
des Suchens überhoben werden, man erkennt auch daraus, wie schon erwähnt,
die Umfünglichkeit der Arbeit, welche der Verfasser seiner Schrift gewidmet hat.

Ist es erlaubt, für eine zweite Auflage noch einen Wunsch auszusprechen,
so würde es der sein, die sogenannte Arbeiterversicherung einer umfänglichern
Behandlung zu unterziehen. Man darf aber dabei unter Arbeiterversicherung
nicht bloß die Versicherung der Fabrikarbeiter verstehen, sondern allgemein die
Versicherung, durch welche die Versorgung aller derer, welche ohne Vermögen
von ihrer Arbeit leben müssen, bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und die Ver¬
sorgung der Familien dieser Personen nach Eintritt des Todes des Familien¬
oberhauptes bezweckt wird. Es tritt dabei die Frage auf: Kann diese Ver¬
sicherung von den bereits bestehenden Lebensversicherungs-Gesellschaften geleistet
werden, oder ist sie durch Bildung allgemeiner Pensionskassen zu erreichen, oder
soll man die Lösung der ganzen Aufgabe dem Staate zuweisen? Nach Ansicht
des Schreibers dieser Zeilen werden die Lebensversicherungs-Gesellschaften aus
mehrfachen Gründen nicht dazu befähigt sein. Diese Gesellschaften wollen die
Versorgung im Alter und die Versorgung der Familien durch die gewöhnliche
und abgekürzte Lebensversicherung erreichen. Dies dürfte wohl in einzelnen
Fällen, sicher aber nicht allgemein zu ermöglichen sein. Bestrebungen, diese
Aufgabe zu lösen, sind genug gemacht worden, sind auch nicht ohne Erfolg ge¬
wesen. Die Aerzte z. B. und die Sachwalter in Deutschland haben dergleichen
Anstrengungen gemacht, freilich ohne bisher zum Ziele gelangt zu sein. Die
sämmtlichen Bühnenmitglieder Deutschlands dagegen haben das Gleiche gethan


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[0499] mientarife und noch mehr, ob es Vorschriften über die Berechnung des Deckungs¬ capitals machen solle, behandelt der Verfasser sehr ausführlich. Wir können an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen. Seine Erörterungen führen sowohl in diesen Punkten als überhaupt zu den Forderungen, daß: 1) den Versicherten Sitz und Stimme nach Maßgabe der Größe der von ihnen versicherten Summe neben den Actionären in der Generalversammlung eingeräumt werde; einen Census hier einzuführen, wird nicht umgangen werden können; vielleicht würde es zweckmäßig sein, auf 3000 Mark Versicherungssumme eine Stimme zu setzen; 2) daß eine bestimmte Anzahl der Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichts¬ rathes aus der Mitte der Versicherten zu wählen sei; 3) daß in die Revisions¬ commission, der die Prüfung der jährlichen Rechnungsabschlusse obliegt, minde¬ stens ein Versicherter deputiert werden müsse. Ein nicht überall zu flutender Borzug von Elsters Schrift muß schlie߬ lich noch als besonders werthvoll hervorgehoben werden, die Vollständigkeit nämlich, mit welcher die einschlagende Literatur mitgetheilt wird. Nicht bloß, daß dadurch Leser zu weitern Studien veranlaßt und der oft peinlichen Mühe des Suchens überhoben werden, man erkennt auch daraus, wie schon erwähnt, die Umfünglichkeit der Arbeit, welche der Verfasser seiner Schrift gewidmet hat. Ist es erlaubt, für eine zweite Auflage noch einen Wunsch auszusprechen, so würde es der sein, die sogenannte Arbeiterversicherung einer umfänglichern Behandlung zu unterziehen. Man darf aber dabei unter Arbeiterversicherung nicht bloß die Versicherung der Fabrikarbeiter verstehen, sondern allgemein die Versicherung, durch welche die Versorgung aller derer, welche ohne Vermögen von ihrer Arbeit leben müssen, bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und die Ver¬ sorgung der Familien dieser Personen nach Eintritt des Todes des Familien¬ oberhauptes bezweckt wird. Es tritt dabei die Frage auf: Kann diese Ver¬ sicherung von den bereits bestehenden Lebensversicherungs-Gesellschaften geleistet werden, oder ist sie durch Bildung allgemeiner Pensionskassen zu erreichen, oder soll man die Lösung der ganzen Aufgabe dem Staate zuweisen? Nach Ansicht des Schreibers dieser Zeilen werden die Lebensversicherungs-Gesellschaften aus mehrfachen Gründen nicht dazu befähigt sein. Diese Gesellschaften wollen die Versorgung im Alter und die Versorgung der Familien durch die gewöhnliche und abgekürzte Lebensversicherung erreichen. Dies dürfte wohl in einzelnen Fällen, sicher aber nicht allgemein zu ermöglichen sein. Bestrebungen, diese Aufgabe zu lösen, sind genug gemacht worden, sind auch nicht ohne Erfolg ge¬ wesen. Die Aerzte z. B. und die Sachwalter in Deutschland haben dergleichen Anstrengungen gemacht, freilich ohne bisher zum Ziele gelangt zu sein. Die sämmtlichen Bühnenmitglieder Deutschlands dagegen haben das Gleiche gethan

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/499>, abgerufen am 28.12.2024.