Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Städte und Schlösser ergaben, wurden von den Rebellen getreulich gehalten
Das vorwiegende Ziel derselben war anfänglich Plünderung, nicht Mord. Man
wollte die Fremden von Haus und Hof jagen und sich dann hier festsetzen.
Die Insurgenten waren undiscipliniert und schlecht bewaffnet. stießen sie mit
regulären Truppen zusammen, so wurden sie oft fast widerstandslos nieder¬
gemacht, ohne daß die Gegner Leute verloren. Erst später, als der Kampf einen
grimmigeren Charakter annahm, wobei die englischen Soldaten vorangingen,
wurden von Seiten der Iren zuweilen Gefangene umgebracht und Massenmorde
verübt, und die Kunde von diesen wie andern Greueln machte, dann maßlos
übertrieben, in England die Runde.

Hier that das Parlament von Anfang an alles, um dem Kriege den
Charakter eines Vernichtungskrieges zu geben. Es drückte ihm ferner dadurch,
daß es beschloß, die römische Religion solle künftig in Irland nicht mehr ge¬
duldet werden, den Stempel eines Religionskrieges auf, und es gab ihm durch
weitere Resolutionen das Wesen einer ungeheuerlichen agrarischen Beraubung.
Nicht zufrieden damit, Rache gegen Mörder zu predigen, erließen die Parla¬
mente Schottlands und Englands 1644 Verordnungen, nach denen Jrländern,
welche nach England kommen würden, um dem Könige beizustehen, kein Pardon
gegeben werden sollte, und dies wurde pünktlich befolgt. Jrländer, die man zur
See gefangen nahm, wurden, Rücken an Rücken gebunden, massenhaft ins Wasser
geworfen. An einem Tage stürzte man in Schottland 80 Weiber und Kinder
von irischen Soldaten von einer hohen Brücke in den darunter hinfließenden
Strom. Wenn der Krieg in diesem Geiste in Großbritannien geführt wurde,
so kann man sich denken, wie die Engländer in Irland selbst verfuhren. Wir
wollen die Greuel, die Lecky (S. 167 bis 170) erzählt, nicht wiedergeben, son¬
dern nur erwähnen, daß die Truppen Sir Charles Cootes, Se. Legers und Sir
Frederick Hamiltons in gleicher Weise ohne Unterschied der Person, des Alters
und des Geschlechts mordeten und in derselben greuelvollen Weise das Land
weit und breit in eine Wüste verwandelten wie ehedem die Soldaten Carews
und Mountjoys. Wie in den Kriegen Elisabeths wirkte der Hunger noch schreck¬
licher als das Schwert und die Kugel. Sehr bezeichnend ist in dieser Bezie¬
hung ein Alinea in Sir William Coles eignem Verzeichnisse der Dienste, die
sein Regiment in Ulster geleistet. Es lautet: "Zu Tode gehungert 7000 Men¬
schen gewöhnlichen Schlages, deren Habe das Regiment an sich nahm." Von
andern Schandthaten nur die folgende. Bei Naas gerieth ein Trupp Eng¬
länder in einen Hinterhalt, wobei viele von denselben ermordet wurden. Sofort
beschloß Sir Arthur Loftus, die ganze Bevölkerung des Districts zu vernichten.
Er kam mit einer Schwadron Dragoner an den Ort, wo der Mord verübt
worden war, und sie tödteten alle Iren, die ihnen aufstießen. Aber die ärgste


Städte und Schlösser ergaben, wurden von den Rebellen getreulich gehalten
Das vorwiegende Ziel derselben war anfänglich Plünderung, nicht Mord. Man
wollte die Fremden von Haus und Hof jagen und sich dann hier festsetzen.
Die Insurgenten waren undiscipliniert und schlecht bewaffnet. stießen sie mit
regulären Truppen zusammen, so wurden sie oft fast widerstandslos nieder¬
gemacht, ohne daß die Gegner Leute verloren. Erst später, als der Kampf einen
grimmigeren Charakter annahm, wobei die englischen Soldaten vorangingen,
wurden von Seiten der Iren zuweilen Gefangene umgebracht und Massenmorde
verübt, und die Kunde von diesen wie andern Greueln machte, dann maßlos
übertrieben, in England die Runde.

Hier that das Parlament von Anfang an alles, um dem Kriege den
Charakter eines Vernichtungskrieges zu geben. Es drückte ihm ferner dadurch,
daß es beschloß, die römische Religion solle künftig in Irland nicht mehr ge¬
duldet werden, den Stempel eines Religionskrieges auf, und es gab ihm durch
weitere Resolutionen das Wesen einer ungeheuerlichen agrarischen Beraubung.
Nicht zufrieden damit, Rache gegen Mörder zu predigen, erließen die Parla¬
mente Schottlands und Englands 1644 Verordnungen, nach denen Jrländern,
welche nach England kommen würden, um dem Könige beizustehen, kein Pardon
gegeben werden sollte, und dies wurde pünktlich befolgt. Jrländer, die man zur
See gefangen nahm, wurden, Rücken an Rücken gebunden, massenhaft ins Wasser
geworfen. An einem Tage stürzte man in Schottland 80 Weiber und Kinder
von irischen Soldaten von einer hohen Brücke in den darunter hinfließenden
Strom. Wenn der Krieg in diesem Geiste in Großbritannien geführt wurde,
so kann man sich denken, wie die Engländer in Irland selbst verfuhren. Wir
wollen die Greuel, die Lecky (S. 167 bis 170) erzählt, nicht wiedergeben, son¬
dern nur erwähnen, daß die Truppen Sir Charles Cootes, Se. Legers und Sir
Frederick Hamiltons in gleicher Weise ohne Unterschied der Person, des Alters
und des Geschlechts mordeten und in derselben greuelvollen Weise das Land
weit und breit in eine Wüste verwandelten wie ehedem die Soldaten Carews
und Mountjoys. Wie in den Kriegen Elisabeths wirkte der Hunger noch schreck¬
licher als das Schwert und die Kugel. Sehr bezeichnend ist in dieser Bezie¬
hung ein Alinea in Sir William Coles eignem Verzeichnisse der Dienste, die
sein Regiment in Ulster geleistet. Es lautet: „Zu Tode gehungert 7000 Men¬
schen gewöhnlichen Schlages, deren Habe das Regiment an sich nahm." Von
andern Schandthaten nur die folgende. Bei Naas gerieth ein Trupp Eng¬
länder in einen Hinterhalt, wobei viele von denselben ermordet wurden. Sofort
beschloß Sir Arthur Loftus, die ganze Bevölkerung des Districts zu vernichten.
Er kam mit einer Schwadron Dragoner an den Ort, wo der Mord verübt
worden war, und sie tödteten alle Iren, die ihnen aufstießen. Aber die ärgste


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0491" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/148138"/>
          <p xml:id="ID_1302" prev="#ID_1301"> Städte und Schlösser ergaben, wurden von den Rebellen getreulich gehalten<lb/>
Das vorwiegende Ziel derselben war anfänglich Plünderung, nicht Mord. Man<lb/>
wollte die Fremden von Haus und Hof jagen und sich dann hier festsetzen.<lb/>
Die Insurgenten waren undiscipliniert und schlecht bewaffnet. stießen sie mit<lb/>
regulären Truppen zusammen, so wurden sie oft fast widerstandslos nieder¬<lb/>
gemacht, ohne daß die Gegner Leute verloren. Erst später, als der Kampf einen<lb/>
grimmigeren Charakter annahm, wobei die englischen Soldaten vorangingen,<lb/>
wurden von Seiten der Iren zuweilen Gefangene umgebracht und Massenmorde<lb/>
verübt, und die Kunde von diesen wie andern Greueln machte, dann maßlos<lb/>
übertrieben, in England die Runde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1303" next="#ID_1304"> Hier that das Parlament von Anfang an alles, um dem Kriege den<lb/>
Charakter eines Vernichtungskrieges zu geben. Es drückte ihm ferner dadurch,<lb/>
daß es beschloß, die römische Religion solle künftig in Irland nicht mehr ge¬<lb/>
duldet werden, den Stempel eines Religionskrieges auf, und es gab ihm durch<lb/>
weitere Resolutionen das Wesen einer ungeheuerlichen agrarischen Beraubung.<lb/>
Nicht zufrieden damit, Rache gegen Mörder zu predigen, erließen die Parla¬<lb/>
mente Schottlands und Englands 1644 Verordnungen, nach denen Jrländern,<lb/>
welche nach England kommen würden, um dem Könige beizustehen, kein Pardon<lb/>
gegeben werden sollte, und dies wurde pünktlich befolgt. Jrländer, die man zur<lb/>
See gefangen nahm, wurden, Rücken an Rücken gebunden, massenhaft ins Wasser<lb/>
geworfen. An einem Tage stürzte man in Schottland 80 Weiber und Kinder<lb/>
von irischen Soldaten von einer hohen Brücke in den darunter hinfließenden<lb/>
Strom. Wenn der Krieg in diesem Geiste in Großbritannien geführt wurde,<lb/>
so kann man sich denken, wie die Engländer in Irland selbst verfuhren. Wir<lb/>
wollen die Greuel, die Lecky (S. 167 bis 170) erzählt, nicht wiedergeben, son¬<lb/>
dern nur erwähnen, daß die Truppen Sir Charles Cootes, Se. Legers und Sir<lb/>
Frederick Hamiltons in gleicher Weise ohne Unterschied der Person, des Alters<lb/>
und des Geschlechts mordeten und in derselben greuelvollen Weise das Land<lb/>
weit und breit in eine Wüste verwandelten wie ehedem die Soldaten Carews<lb/>
und Mountjoys. Wie in den Kriegen Elisabeths wirkte der Hunger noch schreck¬<lb/>
licher als das Schwert und die Kugel. Sehr bezeichnend ist in dieser Bezie¬<lb/>
hung ein Alinea in Sir William Coles eignem Verzeichnisse der Dienste, die<lb/>
sein Regiment in Ulster geleistet. Es lautet: &#x201E;Zu Tode gehungert 7000 Men¬<lb/>
schen gewöhnlichen Schlages, deren Habe das Regiment an sich nahm." Von<lb/>
andern Schandthaten nur die folgende. Bei Naas gerieth ein Trupp Eng¬<lb/>
länder in einen Hinterhalt, wobei viele von denselben ermordet wurden. Sofort<lb/>
beschloß Sir Arthur Loftus, die ganze Bevölkerung des Districts zu vernichten.<lb/>
Er kam mit einer Schwadron Dragoner an den Ort, wo der Mord verübt<lb/>
worden war, und sie tödteten alle Iren, die ihnen aufstießen. Aber die ärgste</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0491] Städte und Schlösser ergaben, wurden von den Rebellen getreulich gehalten Das vorwiegende Ziel derselben war anfänglich Plünderung, nicht Mord. Man wollte die Fremden von Haus und Hof jagen und sich dann hier festsetzen. Die Insurgenten waren undiscipliniert und schlecht bewaffnet. stießen sie mit regulären Truppen zusammen, so wurden sie oft fast widerstandslos nieder¬ gemacht, ohne daß die Gegner Leute verloren. Erst später, als der Kampf einen grimmigeren Charakter annahm, wobei die englischen Soldaten vorangingen, wurden von Seiten der Iren zuweilen Gefangene umgebracht und Massenmorde verübt, und die Kunde von diesen wie andern Greueln machte, dann maßlos übertrieben, in England die Runde. Hier that das Parlament von Anfang an alles, um dem Kriege den Charakter eines Vernichtungskrieges zu geben. Es drückte ihm ferner dadurch, daß es beschloß, die römische Religion solle künftig in Irland nicht mehr ge¬ duldet werden, den Stempel eines Religionskrieges auf, und es gab ihm durch weitere Resolutionen das Wesen einer ungeheuerlichen agrarischen Beraubung. Nicht zufrieden damit, Rache gegen Mörder zu predigen, erließen die Parla¬ mente Schottlands und Englands 1644 Verordnungen, nach denen Jrländern, welche nach England kommen würden, um dem Könige beizustehen, kein Pardon gegeben werden sollte, und dies wurde pünktlich befolgt. Jrländer, die man zur See gefangen nahm, wurden, Rücken an Rücken gebunden, massenhaft ins Wasser geworfen. An einem Tage stürzte man in Schottland 80 Weiber und Kinder von irischen Soldaten von einer hohen Brücke in den darunter hinfließenden Strom. Wenn der Krieg in diesem Geiste in Großbritannien geführt wurde, so kann man sich denken, wie die Engländer in Irland selbst verfuhren. Wir wollen die Greuel, die Lecky (S. 167 bis 170) erzählt, nicht wiedergeben, son¬ dern nur erwähnen, daß die Truppen Sir Charles Cootes, Se. Legers und Sir Frederick Hamiltons in gleicher Weise ohne Unterschied der Person, des Alters und des Geschlechts mordeten und in derselben greuelvollen Weise das Land weit und breit in eine Wüste verwandelten wie ehedem die Soldaten Carews und Mountjoys. Wie in den Kriegen Elisabeths wirkte der Hunger noch schreck¬ licher als das Schwert und die Kugel. Sehr bezeichnend ist in dieser Bezie¬ hung ein Alinea in Sir William Coles eignem Verzeichnisse der Dienste, die sein Regiment in Ulster geleistet. Es lautet: „Zu Tode gehungert 7000 Men¬ schen gewöhnlichen Schlages, deren Habe das Regiment an sich nahm." Von andern Schandthaten nur die folgende. Bei Naas gerieth ein Trupp Eng¬ länder in einen Hinterhalt, wobei viele von denselben ermordet wurden. Sofort beschloß Sir Arthur Loftus, die ganze Bevölkerung des Districts zu vernichten. Er kam mit einer Schwadron Dragoner an den Ort, wo der Mord verübt worden war, und sie tödteten alle Iren, die ihnen aufstießen. Aber die ärgste

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/491
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/491>, abgerufen am 28.12.2024.