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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Reichthümern Indiens ausübten. Die Regierung ermuthigte diese Anschauung,
indem sie glaubte, die einzige wirksame Politik, Irland für England nutzbrin¬
gend zu machen, bestehe darin, das Grundeigenthum der irischen Claus mit Be¬
schlag zu belegen und das Land systematisch mit englischen Ansiedlern zu be¬
völkern. Zwischen der Regierung und den Häuptlingen der Eingebornen, die
fast unabhängige Souveräne waren, gab es unablässige Weiterungen, die zum
Vorwande für kolossale Confiscationen dienten, und als die Begier nach Land
sich steigerte und die Zahl der in Irland eindringenden englischen Glücksritter
wuchs, wurden andere Wege eingeschlagen. Aufspürer schmiedeten Geschichten
von Verschwörungen, untersuchten jeden Besitztitel mit der ganzen Strenge des
englischen Gesetzes und erwirkten vor bestochnen oder eingeschüchterten Ver-
schwornen auf Grund von Formfehlern Beschlagnahmen. Viele irische Grund¬
besitzer wurden auf diese Weise beraubt, sodaß es den Häuptlingen und den:
Volke bald klar wurde, daß es feststehende Absicht der englischen Regierung
war, sie durchweg um ihr Landeigenthum zu bringen. Auf den Krieg mit den
Waffen folgte der Krieg mit Chicanen, sodaß besonders in den Tagen Chiche-
sters eine methodische Reihe fauler Operationen vor den gewöhnlichen Gerichten
sowie dnrch besondere Commissionen ausgeführt wurde, anfangs unter dem Vor¬
wande von Lehnsverbindlichkeiten, dann unter dem von Ansprüchen der Krone,
stets aber mit der Tendenz, die Rechte der Eingebornen auf ihren Grund und
Boden völlig zu vernichten. Den Gipfel der Schamlosigkeit erreichte diese sub-
tile Plünderung unter Lord Strafford. Die Folge war die Rebellion von 1641.
Durch den Ausgang derselben, durch die Wendung, die Graf Clarendon den
Dingen bei der Restauration gab, und durch die gänzliche Unterwerfung des
Königreichs Irland im Jahr 1691 wurde der Ruin der keltischen Jrländer
vollendet.

Die irischen Gewohnheiten des Gesammteigenthums und der gleichen Erb¬
theilung, wie sie die alten Brehon-Gesetze festgestellt, hatten anfangs noch volle
Geltung unter den irischen Claus. Der Grundherr war nicht wie in England
der Lehnsherr seines Landes, er wurde aus einer bestimmten Familie gewählt,
der Clan hatte ein unveräußerliches Recht am Boden. Der geringste Clans¬
mann war Miteigenthümer neben seinem Häuptlinge, er hatte demselben aller¬
dings einen uicht genügen Tribut zu entrichten, konnte aber nicht von seiner
Scholle vertrieben werden, sondern saß darauf als Erbe an dem gemeinsamen
Landeigenthum. Seine Lage war in Folge dessen eine bessere als die des eng¬
lischen Pächters. Bei den Confiscationen wurden diese Verhältnisse in keiner
Weise beachtet. Man nahm an, das Land sei unbeschränktes erbliches Eigen¬
thum der Häuptlinge, und so wurde die Beraubung derselben zugleich zur
Schädigung für den geringsten Angehörigen des Claus.


Reichthümern Indiens ausübten. Die Regierung ermuthigte diese Anschauung,
indem sie glaubte, die einzige wirksame Politik, Irland für England nutzbrin¬
gend zu machen, bestehe darin, das Grundeigenthum der irischen Claus mit Be¬
schlag zu belegen und das Land systematisch mit englischen Ansiedlern zu be¬
völkern. Zwischen der Regierung und den Häuptlingen der Eingebornen, die
fast unabhängige Souveräne waren, gab es unablässige Weiterungen, die zum
Vorwande für kolossale Confiscationen dienten, und als die Begier nach Land
sich steigerte und die Zahl der in Irland eindringenden englischen Glücksritter
wuchs, wurden andere Wege eingeschlagen. Aufspürer schmiedeten Geschichten
von Verschwörungen, untersuchten jeden Besitztitel mit der ganzen Strenge des
englischen Gesetzes und erwirkten vor bestochnen oder eingeschüchterten Ver-
schwornen auf Grund von Formfehlern Beschlagnahmen. Viele irische Grund¬
besitzer wurden auf diese Weise beraubt, sodaß es den Häuptlingen und den:
Volke bald klar wurde, daß es feststehende Absicht der englischen Regierung
war, sie durchweg um ihr Landeigenthum zu bringen. Auf den Krieg mit den
Waffen folgte der Krieg mit Chicanen, sodaß besonders in den Tagen Chiche-
sters eine methodische Reihe fauler Operationen vor den gewöhnlichen Gerichten
sowie dnrch besondere Commissionen ausgeführt wurde, anfangs unter dem Vor¬
wande von Lehnsverbindlichkeiten, dann unter dem von Ansprüchen der Krone,
stets aber mit der Tendenz, die Rechte der Eingebornen auf ihren Grund und
Boden völlig zu vernichten. Den Gipfel der Schamlosigkeit erreichte diese sub-
tile Plünderung unter Lord Strafford. Die Folge war die Rebellion von 1641.
Durch den Ausgang derselben, durch die Wendung, die Graf Clarendon den
Dingen bei der Restauration gab, und durch die gänzliche Unterwerfung des
Königreichs Irland im Jahr 1691 wurde der Ruin der keltischen Jrländer
vollendet.

Die irischen Gewohnheiten des Gesammteigenthums und der gleichen Erb¬
theilung, wie sie die alten Brehon-Gesetze festgestellt, hatten anfangs noch volle
Geltung unter den irischen Claus. Der Grundherr war nicht wie in England
der Lehnsherr seines Landes, er wurde aus einer bestimmten Familie gewählt,
der Clan hatte ein unveräußerliches Recht am Boden. Der geringste Clans¬
mann war Miteigenthümer neben seinem Häuptlinge, er hatte demselben aller¬
dings einen uicht genügen Tribut zu entrichten, konnte aber nicht von seiner
Scholle vertrieben werden, sondern saß darauf als Erbe an dem gemeinsamen
Landeigenthum. Seine Lage war in Folge dessen eine bessere als die des eng¬
lischen Pächters. Bei den Confiscationen wurden diese Verhältnisse in keiner
Weise beachtet. Man nahm an, das Land sei unbeschränktes erbliches Eigen¬
thum der Häuptlinge, und so wurde die Beraubung derselben zugleich zur
Schädigung für den geringsten Angehörigen des Claus.


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[0485] Reichthümern Indiens ausübten. Die Regierung ermuthigte diese Anschauung, indem sie glaubte, die einzige wirksame Politik, Irland für England nutzbrin¬ gend zu machen, bestehe darin, das Grundeigenthum der irischen Claus mit Be¬ schlag zu belegen und das Land systematisch mit englischen Ansiedlern zu be¬ völkern. Zwischen der Regierung und den Häuptlingen der Eingebornen, die fast unabhängige Souveräne waren, gab es unablässige Weiterungen, die zum Vorwande für kolossale Confiscationen dienten, und als die Begier nach Land sich steigerte und die Zahl der in Irland eindringenden englischen Glücksritter wuchs, wurden andere Wege eingeschlagen. Aufspürer schmiedeten Geschichten von Verschwörungen, untersuchten jeden Besitztitel mit der ganzen Strenge des englischen Gesetzes und erwirkten vor bestochnen oder eingeschüchterten Ver- schwornen auf Grund von Formfehlern Beschlagnahmen. Viele irische Grund¬ besitzer wurden auf diese Weise beraubt, sodaß es den Häuptlingen und den: Volke bald klar wurde, daß es feststehende Absicht der englischen Regierung war, sie durchweg um ihr Landeigenthum zu bringen. Auf den Krieg mit den Waffen folgte der Krieg mit Chicanen, sodaß besonders in den Tagen Chiche- sters eine methodische Reihe fauler Operationen vor den gewöhnlichen Gerichten sowie dnrch besondere Commissionen ausgeführt wurde, anfangs unter dem Vor¬ wande von Lehnsverbindlichkeiten, dann unter dem von Ansprüchen der Krone, stets aber mit der Tendenz, die Rechte der Eingebornen auf ihren Grund und Boden völlig zu vernichten. Den Gipfel der Schamlosigkeit erreichte diese sub- tile Plünderung unter Lord Strafford. Die Folge war die Rebellion von 1641. Durch den Ausgang derselben, durch die Wendung, die Graf Clarendon den Dingen bei der Restauration gab, und durch die gänzliche Unterwerfung des Königreichs Irland im Jahr 1691 wurde der Ruin der keltischen Jrländer vollendet. Die irischen Gewohnheiten des Gesammteigenthums und der gleichen Erb¬ theilung, wie sie die alten Brehon-Gesetze festgestellt, hatten anfangs noch volle Geltung unter den irischen Claus. Der Grundherr war nicht wie in England der Lehnsherr seines Landes, er wurde aus einer bestimmten Familie gewählt, der Clan hatte ein unveräußerliches Recht am Boden. Der geringste Clans¬ mann war Miteigenthümer neben seinem Häuptlinge, er hatte demselben aller¬ dings einen uicht genügen Tribut zu entrichten, konnte aber nicht von seiner Scholle vertrieben werden, sondern saß darauf als Erbe an dem gemeinsamen Landeigenthum. Seine Lage war in Folge dessen eine bessere als die des eng¬ lischen Pächters. Bei den Confiscationen wurden diese Verhältnisse in keiner Weise beachtet. Man nahm an, das Land sei unbeschränktes erbliches Eigen¬ thum der Häuptlinge, und so wurde die Beraubung derselben zugleich zur Schädigung für den geringsten Angehörigen des Claus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/485>, abgerufen am 29.12.2024.