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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Leben ein Ziel setzten." Die Banden Pelhams und Ormonts tödteten alles,
was ihnen vor die Klinge kam, Männer, Weiber, Kinder, Greise, sieche und
Blödsinnige ohne Unterschied. Lange nachdem aller Widerstand aufgehört, trieben
sie im Lande Desmonds das Landvolk in Scheunen zusammen, die sie darauf
anzündeten. Wer flüchten wollte, wurde niedergeschossen. "Man sah Soldaten
Kinder an Spießen herumschwingen und Weiber an Bäumen hängen, ihre mit
den Haaren der Mutter erdrosselten Kinder an der Brust." Ein hoher engli¬
scher Beamter berechnete im Jahre 1582, daß in Münster binnen sechs Monaten
über 30000 Menschen getödtet worden waren, wobei er die, welche in der Schlacht
und am Galgen das Leben verloren hatten, nicht anzahlte. Lange vor Be¬
endigung des Krieges konnte die allergnädigste Königin Elisabeth sich sagen, daß
sie hier und in Ulster, wo ähnlich gehaust worden war, kaum noch über etwas
anderes zu herrschen hatte als über Aschenhaufen und Leichname.

Allerdings trat dann und wann eine Pause in diesem unbarmherzigen
Morden, Sengen und Brennen ein, wie denn nach Unterdrückung des Aufstandes
Desmonds und später nach derjenigen der Rebellion Thrones ein Generalpardon
verkündigt wurde. Im ganzen aber schaltete England aller Orten unerbittlich
streng, und seine Politik war die der Vernichtung.

Man kann sich leicht vorstellen, welche Gefühle dies den Ueberlebenden
eingepflanzt und was für einen grimmen Ton es in den Verkehr der beiden
Rassen gebracht hat. Dennoch würde das Andenken an die greuelvolle Behand¬
lung, die Irland in diesen Kriegen von England erfuhr, mit der Zeit erloschen
sein, wenn nicht andere Dinge hinzugetreten wären.

Die Iren waren Katholiken und gedachten bei ihrem Glauben zu bleiben,
obwohl die Häuptlinge keineswegs einen besondern Eifer für ihn entwickelten.
Die englische Regierung aber erklärte die Messe für ungesetzlich und "ahn den
Priestern die Kirchen und Pfründen. Sie achtete gesetzlich den Cultus der Iren,
und wenn diese Aechtung auch in vielen Bezirken ein todter Buchstabe blieb
und wenig wirkliche Verfolgung wegen der Religion vorkam, so schwebte immer¬
hin die Besorgniß vor Ausrottung ihres Glaubens als Schreckbild über dem
Haupte der Jrländer.

Viel 'bedeutsamer für dieses Stadium der irischen Geschichte waren die
Landconfiscationen, welche sich England erlaubte. Die Entdeckung Amerikas
hatte eine Lust an Wagnissen und Abenteuern in der Ferne hervorgerufen, mit
denen man rasch zu Reichthum gelangen konnte. Die Idee, daß man von der
englischen Westküste aus in wenigen Tagen und mit geringen Unkosten in Irland
große Strecken Landes in Besitz nehmen und in kurzem ein riesiges Vermögen
sammeln könne, bemächtigte sich des englischen Geistes mit einer Gewalt, wie sie
später, in den Tagen Clives und Hastings, die Fabeln von den unermeßlichen


Leben ein Ziel setzten." Die Banden Pelhams und Ormonts tödteten alles,
was ihnen vor die Klinge kam, Männer, Weiber, Kinder, Greise, sieche und
Blödsinnige ohne Unterschied. Lange nachdem aller Widerstand aufgehört, trieben
sie im Lande Desmonds das Landvolk in Scheunen zusammen, die sie darauf
anzündeten. Wer flüchten wollte, wurde niedergeschossen. „Man sah Soldaten
Kinder an Spießen herumschwingen und Weiber an Bäumen hängen, ihre mit
den Haaren der Mutter erdrosselten Kinder an der Brust." Ein hoher engli¬
scher Beamter berechnete im Jahre 1582, daß in Münster binnen sechs Monaten
über 30000 Menschen getödtet worden waren, wobei er die, welche in der Schlacht
und am Galgen das Leben verloren hatten, nicht anzahlte. Lange vor Be¬
endigung des Krieges konnte die allergnädigste Königin Elisabeth sich sagen, daß
sie hier und in Ulster, wo ähnlich gehaust worden war, kaum noch über etwas
anderes zu herrschen hatte als über Aschenhaufen und Leichname.

Allerdings trat dann und wann eine Pause in diesem unbarmherzigen
Morden, Sengen und Brennen ein, wie denn nach Unterdrückung des Aufstandes
Desmonds und später nach derjenigen der Rebellion Thrones ein Generalpardon
verkündigt wurde. Im ganzen aber schaltete England aller Orten unerbittlich
streng, und seine Politik war die der Vernichtung.

Man kann sich leicht vorstellen, welche Gefühle dies den Ueberlebenden
eingepflanzt und was für einen grimmen Ton es in den Verkehr der beiden
Rassen gebracht hat. Dennoch würde das Andenken an die greuelvolle Behand¬
lung, die Irland in diesen Kriegen von England erfuhr, mit der Zeit erloschen
sein, wenn nicht andere Dinge hinzugetreten wären.

Die Iren waren Katholiken und gedachten bei ihrem Glauben zu bleiben,
obwohl die Häuptlinge keineswegs einen besondern Eifer für ihn entwickelten.
Die englische Regierung aber erklärte die Messe für ungesetzlich und «ahn den
Priestern die Kirchen und Pfründen. Sie achtete gesetzlich den Cultus der Iren,
und wenn diese Aechtung auch in vielen Bezirken ein todter Buchstabe blieb
und wenig wirkliche Verfolgung wegen der Religion vorkam, so schwebte immer¬
hin die Besorgniß vor Ausrottung ihres Glaubens als Schreckbild über dem
Haupte der Jrländer.

Viel 'bedeutsamer für dieses Stadium der irischen Geschichte waren die
Landconfiscationen, welche sich England erlaubte. Die Entdeckung Amerikas
hatte eine Lust an Wagnissen und Abenteuern in der Ferne hervorgerufen, mit
denen man rasch zu Reichthum gelangen konnte. Die Idee, daß man von der
englischen Westküste aus in wenigen Tagen und mit geringen Unkosten in Irland
große Strecken Landes in Besitz nehmen und in kurzem ein riesiges Vermögen
sammeln könne, bemächtigte sich des englischen Geistes mit einer Gewalt, wie sie
später, in den Tagen Clives und Hastings, die Fabeln von den unermeßlichen


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[0484] Leben ein Ziel setzten." Die Banden Pelhams und Ormonts tödteten alles, was ihnen vor die Klinge kam, Männer, Weiber, Kinder, Greise, sieche und Blödsinnige ohne Unterschied. Lange nachdem aller Widerstand aufgehört, trieben sie im Lande Desmonds das Landvolk in Scheunen zusammen, die sie darauf anzündeten. Wer flüchten wollte, wurde niedergeschossen. „Man sah Soldaten Kinder an Spießen herumschwingen und Weiber an Bäumen hängen, ihre mit den Haaren der Mutter erdrosselten Kinder an der Brust." Ein hoher engli¬ scher Beamter berechnete im Jahre 1582, daß in Münster binnen sechs Monaten über 30000 Menschen getödtet worden waren, wobei er die, welche in der Schlacht und am Galgen das Leben verloren hatten, nicht anzahlte. Lange vor Be¬ endigung des Krieges konnte die allergnädigste Königin Elisabeth sich sagen, daß sie hier und in Ulster, wo ähnlich gehaust worden war, kaum noch über etwas anderes zu herrschen hatte als über Aschenhaufen und Leichname. Allerdings trat dann und wann eine Pause in diesem unbarmherzigen Morden, Sengen und Brennen ein, wie denn nach Unterdrückung des Aufstandes Desmonds und später nach derjenigen der Rebellion Thrones ein Generalpardon verkündigt wurde. Im ganzen aber schaltete England aller Orten unerbittlich streng, und seine Politik war die der Vernichtung. Man kann sich leicht vorstellen, welche Gefühle dies den Ueberlebenden eingepflanzt und was für einen grimmen Ton es in den Verkehr der beiden Rassen gebracht hat. Dennoch würde das Andenken an die greuelvolle Behand¬ lung, die Irland in diesen Kriegen von England erfuhr, mit der Zeit erloschen sein, wenn nicht andere Dinge hinzugetreten wären. Die Iren waren Katholiken und gedachten bei ihrem Glauben zu bleiben, obwohl die Häuptlinge keineswegs einen besondern Eifer für ihn entwickelten. Die englische Regierung aber erklärte die Messe für ungesetzlich und «ahn den Priestern die Kirchen und Pfründen. Sie achtete gesetzlich den Cultus der Iren, und wenn diese Aechtung auch in vielen Bezirken ein todter Buchstabe blieb und wenig wirkliche Verfolgung wegen der Religion vorkam, so schwebte immer¬ hin die Besorgniß vor Ausrottung ihres Glaubens als Schreckbild über dem Haupte der Jrländer. Viel 'bedeutsamer für dieses Stadium der irischen Geschichte waren die Landconfiscationen, welche sich England erlaubte. Die Entdeckung Amerikas hatte eine Lust an Wagnissen und Abenteuern in der Ferne hervorgerufen, mit denen man rasch zu Reichthum gelangen konnte. Die Idee, daß man von der englischen Westküste aus in wenigen Tagen und mit geringen Unkosten in Irland große Strecken Landes in Besitz nehmen und in kurzem ein riesiges Vermögen sammeln könne, bemächtigte sich des englischen Geistes mit einer Gewalt, wie sie später, in den Tagen Clives und Hastings, die Fabeln von den unermeßlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/484>, abgerufen am 29.12.2024.