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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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äußern Meeren gleichmäßig auftretenden Erscheinungen der Ebbe und Fluth,
praktisch stützte er sie durch den Nachweis der bisherigen Umsegelungsversuche.
Es existierte die griechische Uebersetzung einer karthagischen Inschrift, welche be¬
richtete, daß der Karthager Hanno mit einer Flotte vom Staate ausgesandt einen
Theil der äußern Küsten Libyens befahren habe. Die Angabe, daß die Ent¬
fernung von den Säulen des Herakles bis nach Karthago einerseits, bis zur Insel
Kerne an der äußern Küste andrerseits gleich sei, scheint man irrthümlich auf
eine gleiche Länge von Karthago und jener Insel gedeutet zu haben. Sicher ist,
daß Eratosthenes die Küste Libyens kurz nach dem Eintritts in den Ocean um¬
bog und geradeaus südöstlich verlaufen ließ, so daß Libyen die Gestalt eines
Trapezes, oberflächlicher betrachtet eines rechtwinkligen Dreiecks erhielt, dessen
Hypotenuse eben jene äußere Küste bildete. Wie sich Eratosthenes bei der An¬
nahme des weitern Verlaufs der unbefahrenen Küste des südlichsten Libyens
beholfen habe, wissen wir nicht direct, doch ist ersichtlich, daß die angenommene
Richtung der befahrenen Küste und die Ausdehnung der Fahrt Hannos über
Kerne hinaus die Längenausdehnung der übrigen Strecke verhältnißmäßig gering
erscheinen ließ. Strabo meint sehr bezeichnend, man könne die weitere Küsten¬
erstreckung getrost constatieren, da man zur See von beiden Seiten her so weit
gekommen sei, daß nur ein kleines Stück übrig bleibe; zur Umkehr habe die
Seefahrer immer nur Mangel und Oede der Küsten, nie eine widrige Wendung
derselben getrieben. Ein Südeap, von der Straße Bab el Mandeb etwa in süd¬
östlicher Fahrt zu erreichen, war die äußerste Spitze Libyens im Südosten. Noch
war die Südküste Arabiens nicht umsegelt, man ergänzte sie aber nach der be¬
merkten Richtung ihrer Anfänge und ließ sie nordöstlich verlaufen, gerade auf
die Mündung des persischen Meerbusens zu. Diesen Meerbusen, der im Norden
von Nearchos, im Süden von andern Schiffsführern Alexanders erforscht war,
dachte man an der arabischen südlichen, wie an der babylonisch-persischen nörd¬
lichen Küste in gleichmäßiger Rundung ausgebuchtet, die Küste von da bis zum
Indus nach den Angaben Nearchs einfach östlich gerichtet. Auch das südliche
Indien verlief der Hauptsache nach in gleicher Richtung, nur im äußersten Osten
wandte es eine für die allgemeinen Verhältnisse sehr mäßig gedachte Spitze gegen
Südost. Von dieser Spitze wandte sich die Küste des östlichen Oceans erst ein
wenig nordwestlich, dann von der Wurzel jener Halbinsel direct nach Norden
bis zu dem großen Gebirge, der Nordgrenze Indiens. Weiter zog die Küste
in sanftem Bogen, den Strabo dem Rücken eines Hackmessers vergleicht, über
Norden nach Westen bis zum kaspischen Meere, das heißt, bis zu einem schmalen
Meeresarme, durch den man sich den nördlichen Ocean mit einem weit ausge¬
buchteten kaspischen Meerbusen in Verbindung dachte, während Herodot, Aristo¬
teles und noch Autoren der ersten Zeit nach Alexander dieses Meer bestimmt


äußern Meeren gleichmäßig auftretenden Erscheinungen der Ebbe und Fluth,
praktisch stützte er sie durch den Nachweis der bisherigen Umsegelungsversuche.
Es existierte die griechische Uebersetzung einer karthagischen Inschrift, welche be¬
richtete, daß der Karthager Hanno mit einer Flotte vom Staate ausgesandt einen
Theil der äußern Küsten Libyens befahren habe. Die Angabe, daß die Ent¬
fernung von den Säulen des Herakles bis nach Karthago einerseits, bis zur Insel
Kerne an der äußern Küste andrerseits gleich sei, scheint man irrthümlich auf
eine gleiche Länge von Karthago und jener Insel gedeutet zu haben. Sicher ist,
daß Eratosthenes die Küste Libyens kurz nach dem Eintritts in den Ocean um¬
bog und geradeaus südöstlich verlaufen ließ, so daß Libyen die Gestalt eines
Trapezes, oberflächlicher betrachtet eines rechtwinkligen Dreiecks erhielt, dessen
Hypotenuse eben jene äußere Küste bildete. Wie sich Eratosthenes bei der An¬
nahme des weitern Verlaufs der unbefahrenen Küste des südlichsten Libyens
beholfen habe, wissen wir nicht direct, doch ist ersichtlich, daß die angenommene
Richtung der befahrenen Küste und die Ausdehnung der Fahrt Hannos über
Kerne hinaus die Längenausdehnung der übrigen Strecke verhältnißmäßig gering
erscheinen ließ. Strabo meint sehr bezeichnend, man könne die weitere Küsten¬
erstreckung getrost constatieren, da man zur See von beiden Seiten her so weit
gekommen sei, daß nur ein kleines Stück übrig bleibe; zur Umkehr habe die
Seefahrer immer nur Mangel und Oede der Küsten, nie eine widrige Wendung
derselben getrieben. Ein Südeap, von der Straße Bab el Mandeb etwa in süd¬
östlicher Fahrt zu erreichen, war die äußerste Spitze Libyens im Südosten. Noch
war die Südküste Arabiens nicht umsegelt, man ergänzte sie aber nach der be¬
merkten Richtung ihrer Anfänge und ließ sie nordöstlich verlaufen, gerade auf
die Mündung des persischen Meerbusens zu. Diesen Meerbusen, der im Norden
von Nearchos, im Süden von andern Schiffsführern Alexanders erforscht war,
dachte man an der arabischen südlichen, wie an der babylonisch-persischen nörd¬
lichen Küste in gleichmäßiger Rundung ausgebuchtet, die Küste von da bis zum
Indus nach den Angaben Nearchs einfach östlich gerichtet. Auch das südliche
Indien verlief der Hauptsache nach in gleicher Richtung, nur im äußersten Osten
wandte es eine für die allgemeinen Verhältnisse sehr mäßig gedachte Spitze gegen
Südost. Von dieser Spitze wandte sich die Küste des östlichen Oceans erst ein
wenig nordwestlich, dann von der Wurzel jener Halbinsel direct nach Norden
bis zu dem großen Gebirge, der Nordgrenze Indiens. Weiter zog die Küste
in sanftem Bogen, den Strabo dem Rücken eines Hackmessers vergleicht, über
Norden nach Westen bis zum kaspischen Meere, das heißt, bis zu einem schmalen
Meeresarme, durch den man sich den nördlichen Ocean mit einem weit ausge¬
buchteten kaspischen Meerbusen in Verbindung dachte, während Herodot, Aristo¬
teles und noch Autoren der ersten Zeit nach Alexander dieses Meer bestimmt


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[0454] äußern Meeren gleichmäßig auftretenden Erscheinungen der Ebbe und Fluth, praktisch stützte er sie durch den Nachweis der bisherigen Umsegelungsversuche. Es existierte die griechische Uebersetzung einer karthagischen Inschrift, welche be¬ richtete, daß der Karthager Hanno mit einer Flotte vom Staate ausgesandt einen Theil der äußern Küsten Libyens befahren habe. Die Angabe, daß die Ent¬ fernung von den Säulen des Herakles bis nach Karthago einerseits, bis zur Insel Kerne an der äußern Küste andrerseits gleich sei, scheint man irrthümlich auf eine gleiche Länge von Karthago und jener Insel gedeutet zu haben. Sicher ist, daß Eratosthenes die Küste Libyens kurz nach dem Eintritts in den Ocean um¬ bog und geradeaus südöstlich verlaufen ließ, so daß Libyen die Gestalt eines Trapezes, oberflächlicher betrachtet eines rechtwinkligen Dreiecks erhielt, dessen Hypotenuse eben jene äußere Küste bildete. Wie sich Eratosthenes bei der An¬ nahme des weitern Verlaufs der unbefahrenen Küste des südlichsten Libyens beholfen habe, wissen wir nicht direct, doch ist ersichtlich, daß die angenommene Richtung der befahrenen Küste und die Ausdehnung der Fahrt Hannos über Kerne hinaus die Längenausdehnung der übrigen Strecke verhältnißmäßig gering erscheinen ließ. Strabo meint sehr bezeichnend, man könne die weitere Küsten¬ erstreckung getrost constatieren, da man zur See von beiden Seiten her so weit gekommen sei, daß nur ein kleines Stück übrig bleibe; zur Umkehr habe die Seefahrer immer nur Mangel und Oede der Küsten, nie eine widrige Wendung derselben getrieben. Ein Südeap, von der Straße Bab el Mandeb etwa in süd¬ östlicher Fahrt zu erreichen, war die äußerste Spitze Libyens im Südosten. Noch war die Südküste Arabiens nicht umsegelt, man ergänzte sie aber nach der be¬ merkten Richtung ihrer Anfänge und ließ sie nordöstlich verlaufen, gerade auf die Mündung des persischen Meerbusens zu. Diesen Meerbusen, der im Norden von Nearchos, im Süden von andern Schiffsführern Alexanders erforscht war, dachte man an der arabischen südlichen, wie an der babylonisch-persischen nörd¬ lichen Küste in gleichmäßiger Rundung ausgebuchtet, die Küste von da bis zum Indus nach den Angaben Nearchs einfach östlich gerichtet. Auch das südliche Indien verlief der Hauptsache nach in gleicher Richtung, nur im äußersten Osten wandte es eine für die allgemeinen Verhältnisse sehr mäßig gedachte Spitze gegen Südost. Von dieser Spitze wandte sich die Küste des östlichen Oceans erst ein wenig nordwestlich, dann von der Wurzel jener Halbinsel direct nach Norden bis zu dem großen Gebirge, der Nordgrenze Indiens. Weiter zog die Küste in sanftem Bogen, den Strabo dem Rücken eines Hackmessers vergleicht, über Norden nach Westen bis zum kaspischen Meere, das heißt, bis zu einem schmalen Meeresarme, durch den man sich den nördlichen Ocean mit einem weit ausge¬ buchteten kaspischen Meerbusen in Verbindung dachte, während Herodot, Aristo¬ teles und noch Autoren der ersten Zeit nach Alexander dieses Meer bestimmt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/454>, abgerufen am 28.12.2024.