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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Beamte, anderntheils durch drei entschiedene Parteimänner, von denen der eure
(Falkenhayn) für klerikal galt, die beiden andern als entschiedene Föderalisten,
der Pole Dunajewski und der Tscheche Prazak. Die Tendenzen Taasfes schienen
sich immer mehr als föderalistisch, slavenfreundlich zu enthüllen, und mit schnei¬
dendem Hohn begrüßten die verfassungstreuen und zum Theil auch die ungari¬
schen Blätter dies "Cabinet der Neutralen."

Wie aber stellten sich nun die deutschen Behörden und die deutsche Bevöl¬
kerung Böhmens zur Aprilverordnung? Das Oberlandesgericht in Prag wies
die Entscheidung über die zur Anwendung kommende Sprache dem betreffenden
Richter zu, gestattete aber den Parteien die Berufung an die Oberbehörde; der
Präsident des Strafgerichts machte seinen Beamten die Befolgung der Verord¬
nung zur Pflicht, wie sich das von selber verstand. Anderer Ansicht war das
Kreisgericht Eger, indem es eine tschechische Klage einfach abwies und mit Be¬
rufung auf die allgemeine Gerichtsordnung die Anwendbarkeit der Sprachenver¬
ordnung auf den vorliegenden Fall überhaupt bestritt, da das Tschechische im Bezirk
Eger nicht Landessprache sei. , Als weiter das Bezirksgericht in Kralowitz an das
in Buchau ein tschechisches Executionsgesuch schickte, wies dies das Schriftstück ab, und
das Oberlandesgericht in Prag entschied zu Gunsten Buchaus, denn die innere
Dienstsprache der Behörde sei die deutsche. So suchten -- um bei diesen Bei¬
spielen stehen zu bleiben -- deutsche Behörden den Wirkungen der Sprachen¬
verordnung sich zu entziehen, tschechische sie auf Verhältnisse anzuwenden, auf
die sie gar nicht berechnet war. Aber im ganzen versteht sich von selbst, daß
sich beide Theile fügten.

Um wieviel tiefer griff aber die Bewegung in der Bevölkerung! Schon
im Mai folgten einander in dichter Reihe die Erklärungen deutscher Bezirks¬
und Stadtvertretungen gegen die Aprilverordnung und ihre Tendenzen; die
Bezirksvertretung in Böhmisch - Kaunitz nannte sie ungesetzlich und ungerecht
zugleich, sprach ihre Entrüstung über die Majorisierung der Verfassungspartei
im Abgeordnetenhause aus und dankte dieser für ihre Haltung. Aehnlich die¬
selben Corporationen in Böhmisch-Leipa und Aussig, die Stadtvertretungen von
Böhmisch - Zwickau, Gabel, Teplitz, Graslitz, Saatz, Tachau, Trautenau. Durch
alle diese Kundgebungen, wie durch die Aeußerungen der Provinzialblätter klang
vor allem der Ruf: "Wir sind deutsche Oesterreicher, und wir wollen es bleiben
bis zum letzten Athemzuge!" Adressen an die verfassungstreuen Abgeordneten
und Petitionen an den Prager Landtag gingen damit Hand in Hand. Damit
war die Frage auch vor dies Forum getragen. Die deutsche Mehrheit des zur
Berathung der Petitionen eingesetzten Ausschusses beantragte, die Petitionen der
Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen, die tschechische Minderheit em-


Beamte, anderntheils durch drei entschiedene Parteimänner, von denen der eure
(Falkenhayn) für klerikal galt, die beiden andern als entschiedene Föderalisten,
der Pole Dunajewski und der Tscheche Prazak. Die Tendenzen Taasfes schienen
sich immer mehr als föderalistisch, slavenfreundlich zu enthüllen, und mit schnei¬
dendem Hohn begrüßten die verfassungstreuen und zum Theil auch die ungari¬
schen Blätter dies „Cabinet der Neutralen."

Wie aber stellten sich nun die deutschen Behörden und die deutsche Bevöl¬
kerung Böhmens zur Aprilverordnung? Das Oberlandesgericht in Prag wies
die Entscheidung über die zur Anwendung kommende Sprache dem betreffenden
Richter zu, gestattete aber den Parteien die Berufung an die Oberbehörde; der
Präsident des Strafgerichts machte seinen Beamten die Befolgung der Verord¬
nung zur Pflicht, wie sich das von selber verstand. Anderer Ansicht war das
Kreisgericht Eger, indem es eine tschechische Klage einfach abwies und mit Be¬
rufung auf die allgemeine Gerichtsordnung die Anwendbarkeit der Sprachenver¬
ordnung auf den vorliegenden Fall überhaupt bestritt, da das Tschechische im Bezirk
Eger nicht Landessprache sei. , Als weiter das Bezirksgericht in Kralowitz an das
in Buchau ein tschechisches Executionsgesuch schickte, wies dies das Schriftstück ab, und
das Oberlandesgericht in Prag entschied zu Gunsten Buchaus, denn die innere
Dienstsprache der Behörde sei die deutsche. So suchten — um bei diesen Bei¬
spielen stehen zu bleiben — deutsche Behörden den Wirkungen der Sprachen¬
verordnung sich zu entziehen, tschechische sie auf Verhältnisse anzuwenden, auf
die sie gar nicht berechnet war. Aber im ganzen versteht sich von selbst, daß
sich beide Theile fügten.

Um wieviel tiefer griff aber die Bewegung in der Bevölkerung! Schon
im Mai folgten einander in dichter Reihe die Erklärungen deutscher Bezirks¬
und Stadtvertretungen gegen die Aprilverordnung und ihre Tendenzen; die
Bezirksvertretung in Böhmisch - Kaunitz nannte sie ungesetzlich und ungerecht
zugleich, sprach ihre Entrüstung über die Majorisierung der Verfassungspartei
im Abgeordnetenhause aus und dankte dieser für ihre Haltung. Aehnlich die¬
selben Corporationen in Böhmisch-Leipa und Aussig, die Stadtvertretungen von
Böhmisch - Zwickau, Gabel, Teplitz, Graslitz, Saatz, Tachau, Trautenau. Durch
alle diese Kundgebungen, wie durch die Aeußerungen der Provinzialblätter klang
vor allem der Ruf: „Wir sind deutsche Oesterreicher, und wir wollen es bleiben
bis zum letzten Athemzuge!" Adressen an die verfassungstreuen Abgeordneten
und Petitionen an den Prager Landtag gingen damit Hand in Hand. Damit
war die Frage auch vor dies Forum getragen. Die deutsche Mehrheit des zur
Berathung der Petitionen eingesetzten Ausschusses beantragte, die Petitionen der
Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen, die tschechische Minderheit em-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/443>, abgerufen am 29.12.2024.