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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Blatte, welches den nationalen Standpunkt überall, wo es irgend angeht, mit
großer Schärfe hervorkehrt, und für dessen Politik der nationale Gesichtspunkt
den wesentlichsten Maßstab bildet. Auffallen aber mußte es, daß diese reichs-
ländische Korrespondenz sich gerade in einer Zeitung fand, welche die Herrschaft
des Feldmarschalls v. Maule uffel mit offener Freude begrüßt, seinen Siegeszug
durch die Reichslande mit minutiöser Genauigkeit verfolgt und die bedeutsamen
Auslassungen des neuen Statthalters auf diesem Zuge mit sympathischer An¬
erkennung besprochen hatte.

Kaum war diese Correspondenz in der "Badischen Landeszeitung" erschienen
und hatte eine Reihe weiterer Klagen aus anderen Theilen Elsaß-Lothringens
und -- wie das Blatt wenigstens versicherte -- zahlreiche Zustimmungs- und
Aufmunterungsschreiben an die Redaction zur Folge gehabt, so nahm sich auch
die übrige Presse der Angelegenheit an; besonders der "Pfälzer Courier" trat
mit großer Schärfe gegen den Statthalter ans; bald genug folgten auch die
professionellen Oppositivnsblätter, darunter obenan einige Berliner, und selbst
die "Kölnische Zeitung" trat in die Reihen der Gegner des Statthalters und
that sich darin sogar vor den übrigen an Schärfe und Energie hervor. Das
Wunderbarste war, daß man dabei die Politik des Statthalters in einen
schroffen Gegensatz zu der früher geübten brachte und gänzlich den Umstand
aus den Augen verlor, daß man als das hervortretende Moment in der Möller-
schen Verwaltung die Schwäche bezeichnet hatte. Plötzlich war -- wie wir
das in der öffentlichen Polemik schon so oft wahrgenommen -- der früher
heftig angegriffene Zustand zu einem musterhaften geworden, und der Maun,
den fast die gesammte Presse als Regenerator des Deutschthums willkommen ge¬
heißen hatte, wurde in die Acht erklärt und galt der ganzen Angriffsfront
als Preisgeber des nationalen Gedankens, am meisten denen, welchen der na¬
tionale Gedanke sonst am wenigsten bei der Beurtheilung innerer wie äußerer
Angelegenheiten bestimmend zu sein pflegt; wobei denn, so weit diese Angriffe
nicht auf reichsländischen Korrespondenzen beruhten -- und selbst diesen merkte
man die landesunkuudigen, meist norddeutschen Beurtheiler oft genug an --
sondern lediglich redactionelle Arbeiten waren, gar wunderbares Zeug zustande
kam, das allen, denen die wahre Sachlage bekannt war, ein Lächeln abnöthigte.
Trotzdem wurden diese Angriffe mit Eifer nachgedruckt; sind doch Elsaß-Lothrin¬
gen für die norddeutsche Presse insgesammt und selbst für einen Theil der süd¬
deutschen Blätter, trotz der deutschen Reichsgrenze, eine vollständige tsrrg, in-
evAnits.. Man bedachte weder die geschichtliche Vergangenheit dieser Provinzen,
noch kannte man Land und Leute in ihrer charakteristischen Eigenart, noch auch
hatten, an, wie das in Folge dessen selbstverständlich ist, auch nur ein annähern¬
des Verständniß für die dortigen Verhältnisse, die ja vollständig abnorm sind


Blatte, welches den nationalen Standpunkt überall, wo es irgend angeht, mit
großer Schärfe hervorkehrt, und für dessen Politik der nationale Gesichtspunkt
den wesentlichsten Maßstab bildet. Auffallen aber mußte es, daß diese reichs-
ländische Korrespondenz sich gerade in einer Zeitung fand, welche die Herrschaft
des Feldmarschalls v. Maule uffel mit offener Freude begrüßt, seinen Siegeszug
durch die Reichslande mit minutiöser Genauigkeit verfolgt und die bedeutsamen
Auslassungen des neuen Statthalters auf diesem Zuge mit sympathischer An¬
erkennung besprochen hatte.

Kaum war diese Correspondenz in der „Badischen Landeszeitung" erschienen
und hatte eine Reihe weiterer Klagen aus anderen Theilen Elsaß-Lothringens
und — wie das Blatt wenigstens versicherte — zahlreiche Zustimmungs- und
Aufmunterungsschreiben an die Redaction zur Folge gehabt, so nahm sich auch
die übrige Presse der Angelegenheit an; besonders der „Pfälzer Courier" trat
mit großer Schärfe gegen den Statthalter ans; bald genug folgten auch die
professionellen Oppositivnsblätter, darunter obenan einige Berliner, und selbst
die „Kölnische Zeitung" trat in die Reihen der Gegner des Statthalters und
that sich darin sogar vor den übrigen an Schärfe und Energie hervor. Das
Wunderbarste war, daß man dabei die Politik des Statthalters in einen
schroffen Gegensatz zu der früher geübten brachte und gänzlich den Umstand
aus den Augen verlor, daß man als das hervortretende Moment in der Möller-
schen Verwaltung die Schwäche bezeichnet hatte. Plötzlich war — wie wir
das in der öffentlichen Polemik schon so oft wahrgenommen — der früher
heftig angegriffene Zustand zu einem musterhaften geworden, und der Maun,
den fast die gesammte Presse als Regenerator des Deutschthums willkommen ge¬
heißen hatte, wurde in die Acht erklärt und galt der ganzen Angriffsfront
als Preisgeber des nationalen Gedankens, am meisten denen, welchen der na¬
tionale Gedanke sonst am wenigsten bei der Beurtheilung innerer wie äußerer
Angelegenheiten bestimmend zu sein pflegt; wobei denn, so weit diese Angriffe
nicht auf reichsländischen Korrespondenzen beruhten — und selbst diesen merkte
man die landesunkuudigen, meist norddeutschen Beurtheiler oft genug an —
sondern lediglich redactionelle Arbeiten waren, gar wunderbares Zeug zustande
kam, das allen, denen die wahre Sachlage bekannt war, ein Lächeln abnöthigte.
Trotzdem wurden diese Angriffe mit Eifer nachgedruckt; sind doch Elsaß-Lothrin¬
gen für die norddeutsche Presse insgesammt und selbst für einen Theil der süd¬
deutschen Blätter, trotz der deutschen Reichsgrenze, eine vollständige tsrrg, in-
evAnits.. Man bedachte weder die geschichtliche Vergangenheit dieser Provinzen,
noch kannte man Land und Leute in ihrer charakteristischen Eigenart, noch auch
hatten, an, wie das in Folge dessen selbstverständlich ist, auch nur ein annähern¬
des Verständniß für die dortigen Verhältnisse, die ja vollständig abnorm sind


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/43>, abgerufen am 28.12.2024.