Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.die Tiefenunterschiede der einzelnen Abtheilungen des innern Meeres, als deren In Theophrasts naturwissenschaftlichen Werken zeigt sich zuerst eine um¬ Grenzboten IV. 188N. g4
die Tiefenunterschiede der einzelnen Abtheilungen des innern Meeres, als deren In Theophrasts naturwissenschaftlichen Werken zeigt sich zuerst eine um¬ Grenzboten IV. 188N. g4
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0417" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/148064"/> <p xml:id="ID_1106" prev="#ID_1105"> die Tiefenunterschiede der einzelnen Abtheilungen des innern Meeres, als deren<lb/> seichteste man frühzeitig das schwarze Meer und in noch höherm Grade die<lb/> Mäotis erkannt hatte, führten zu der von Aristoteles angebahnten und von<lb/> Strato von Lampsakus weitergeführten Lehre, die Menge der Ströme, welche<lb/> in den früher abgeschlossenen Pontus Euxinus und in die Mäotis mündeten,<lb/> habe durch massenhafte Ablagerung ihrer Sedimente Boden und Niveau dieser<lb/> Meerestheile dermaßen gehoben, daß sich dieselben endlich an der Stelle des<lb/> Bosporus einen gewaltsamen Ausweg in das Mittelmeer gebahnt hätten. Noch<lb/> wirke dieselbe Ursache fort, wie die stetige Strömung des Bosporus zeige. Auch<lb/> das Mittelmeer habe früher einmal die jetzigen Küsten weit überfluthet, dann<lb/> aber die Felsen an der Meerenge von Gibraltar durchbrochen und mit Bloß-<lb/> legung eines großen Theiles ehedem bedeckten Landes seine Ueberfülle nach dem<lb/> westlichen Ocean hin abströmen lassen. Bald suchte man nicht nur nach neuen<lb/> Belegen für die Annahme früherer Ueberfluthung, sondern suchte auch das Maß<lb/> und die Ausdehnung derselben nach Beschaffenheit der anliegenden Länder zu<lb/> bestimmen. Unbestimmbar ist die Zeit des Auftauchens einer gegentheiligen<lb/> Meinung, welche die kühne Hypothese aufstellte, der Ocean sei durch jene Meer¬<lb/> enge hereingebrochen, Herakles habe zum Heile der Menschheit die Felsen ge¬<lb/> sprengt. Obschon manche daran erinnerten, daß noch Homer die Insel Pharus<lb/> eine Tagfahrt vor dem Festlande Aegyptens gelegen sein lasse, so nahm man<lb/> doch im allgemeinen für solche Veränderungen der Erdoberfläche Zeiträume an,<lb/> die das historische Bewußtsein überragten, ging auch weiter zur Annahme großer<lb/> Perioden überwiegender Trockenheit und Hitze, Feuchtigkeit und Muth, die sich<lb/> in den Sagen vom Phasthon und von der großen Fluth wiederspiegelten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1107" next="#ID_1108"> In Theophrasts naturwissenschaftlichen Werken zeigt sich zuerst eine um¬<lb/> fassende Benutzung der neu erworbenen Kenntnisse. Ein andrer Schüler des<lb/> Aristoteles, der hochgeachtete und vielseitige Dicäarch, unternahm zuerst den<lb/> Aufbau der neuen Geographie. Wir wissen von ihm, daß er die Höhen einer<lb/> Anzahl von Bergen in Griechenland gemessen hat, eine Arbeit, die zu dein Satze<lb/> verwandt wurde, daß alle Erhebungen der Erdoberfläche vor der Größe der<lb/> Erdkugel verschwinden müßten, wie auf einem Balle der Staub. Zu seiner Zeit<lb/> entstand die Erdmessung, die oben beschrieben ist, und die Archimedes in seiner<lb/> Sandrechnung als allgemein bekannt voraussetzt. Ob sie von ihm selbst her¬<lb/> rührte, mag dahingestellt bleiben. Er setzte das Verhältniß der Länge der<lb/> Oekumene zur Breite wie 3:2 fest. Wir finden neben andern verstreuten Notizen<lb/> von ihm herrührende Maßangaben über die Lüngenunterschiede zwischen der<lb/> Peloponnes, der Meerenge von Sicilien und den Säulen des Herakles an der<lb/> Meerenge von Gibraltar. Die Oekumene theilte er durch einen Hauptparallelen,<lb/> der im Westen die eben genannten Punkte, im Osten das Taurusgebirae und</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 188N. g4</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0417]
die Tiefenunterschiede der einzelnen Abtheilungen des innern Meeres, als deren
seichteste man frühzeitig das schwarze Meer und in noch höherm Grade die
Mäotis erkannt hatte, führten zu der von Aristoteles angebahnten und von
Strato von Lampsakus weitergeführten Lehre, die Menge der Ströme, welche
in den früher abgeschlossenen Pontus Euxinus und in die Mäotis mündeten,
habe durch massenhafte Ablagerung ihrer Sedimente Boden und Niveau dieser
Meerestheile dermaßen gehoben, daß sich dieselben endlich an der Stelle des
Bosporus einen gewaltsamen Ausweg in das Mittelmeer gebahnt hätten. Noch
wirke dieselbe Ursache fort, wie die stetige Strömung des Bosporus zeige. Auch
das Mittelmeer habe früher einmal die jetzigen Küsten weit überfluthet, dann
aber die Felsen an der Meerenge von Gibraltar durchbrochen und mit Bloß-
legung eines großen Theiles ehedem bedeckten Landes seine Ueberfülle nach dem
westlichen Ocean hin abströmen lassen. Bald suchte man nicht nur nach neuen
Belegen für die Annahme früherer Ueberfluthung, sondern suchte auch das Maß
und die Ausdehnung derselben nach Beschaffenheit der anliegenden Länder zu
bestimmen. Unbestimmbar ist die Zeit des Auftauchens einer gegentheiligen
Meinung, welche die kühne Hypothese aufstellte, der Ocean sei durch jene Meer¬
enge hereingebrochen, Herakles habe zum Heile der Menschheit die Felsen ge¬
sprengt. Obschon manche daran erinnerten, daß noch Homer die Insel Pharus
eine Tagfahrt vor dem Festlande Aegyptens gelegen sein lasse, so nahm man
doch im allgemeinen für solche Veränderungen der Erdoberfläche Zeiträume an,
die das historische Bewußtsein überragten, ging auch weiter zur Annahme großer
Perioden überwiegender Trockenheit und Hitze, Feuchtigkeit und Muth, die sich
in den Sagen vom Phasthon und von der großen Fluth wiederspiegelten.
In Theophrasts naturwissenschaftlichen Werken zeigt sich zuerst eine um¬
fassende Benutzung der neu erworbenen Kenntnisse. Ein andrer Schüler des
Aristoteles, der hochgeachtete und vielseitige Dicäarch, unternahm zuerst den
Aufbau der neuen Geographie. Wir wissen von ihm, daß er die Höhen einer
Anzahl von Bergen in Griechenland gemessen hat, eine Arbeit, die zu dein Satze
verwandt wurde, daß alle Erhebungen der Erdoberfläche vor der Größe der
Erdkugel verschwinden müßten, wie auf einem Balle der Staub. Zu seiner Zeit
entstand die Erdmessung, die oben beschrieben ist, und die Archimedes in seiner
Sandrechnung als allgemein bekannt voraussetzt. Ob sie von ihm selbst her¬
rührte, mag dahingestellt bleiben. Er setzte das Verhältniß der Länge der
Oekumene zur Breite wie 3:2 fest. Wir finden neben andern verstreuten Notizen
von ihm herrührende Maßangaben über die Lüngenunterschiede zwischen der
Peloponnes, der Meerenge von Sicilien und den Säulen des Herakles an der
Meerenge von Gibraltar. Die Oekumene theilte er durch einen Hauptparallelen,
der im Westen die eben genannten Punkte, im Osten das Taurusgebirae und
Grenzboten IV. 188N. g4
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