Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.das Recht, auf einer deutschen Tribüne parlamentarische Vorträge zu halten. Begegnen wir in diesen Reden auf dem Gebiete der hohen Politik einer das Recht, auf einer deutschen Tribüne parlamentarische Vorträge zu halten. Begegnen wir in diesen Reden auf dem Gebiete der hohen Politik einer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0405" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/148052"/> <p xml:id="ID_1080" prev="#ID_1079"> das Recht, auf einer deutschen Tribüne parlamentarische Vorträge zu halten.<lb/> Für mich liegen beide Begriffe weit auseinander. Wie aber in der Union die<lb/> deutsche Einheit gesucht werden soll, vermag ich nicht zu verstehen; es ist eine<lb/> sonderbare Einheit, die von Haus aus verlangt, im Interesse dieses Sonder¬<lb/> bundes einstweilen unsere deutschen Landsleute im Süden zu erschießen und zu<lb/> erstechen, welche die deutsche Ehre darin findet, daß der Schwerpunkt aller<lb/> deutscheu Fragen nothwendig nach Warschau oder Paris fällt. Denken Sie sich<lb/> zwei Theile Deutschlands in Waffen einander gegenüber, deren Machtverschieden¬<lb/> heit nicht in dem Grade bedeutend ist, daß nicht eine Parteinahme auf einer<lb/> Seite, auch von einer geringern Macht als Rußland und Frankreich, ein ent¬<lb/> scheidendes Gewicht in die Wagschale legen könnte, und ich begreife nicht, mit<lb/> welchem Rechte jemand, der ein solches Verhältniß selbst herbeiführen will, sich<lb/> darüber beklagen darf, daß der Schwerpunkt der Entscheidung unter solchen<lb/> Umständen nach dem Auslande fällt. Es ist mathematisch nothwendig, und er<lb/> selbst trägt die Schuld." Nachdem der Redner im weitern Verlaufe die Union<lb/> als „zwitterhaftes Product furchtsamer Herrschsucht und zahmer Revolution"<lb/> bezeichnet, fährt er fort: „Ich will auf die Giltigkeit oder Ungiltigkeit der Unions-<lb/> verfassuug hier nicht zurückkommen .... ich habe die Ueberzeugung, daß sie bei<lb/> uns, Gott sei Dank, rechtsgiltig nicht besteht, und wenn sie bestünde, so wäre<lb/> sie nichts anderes, als eine Mediatisirung Preußens, nicht nnter die Fürsten,<lb/> sondern unter die Kammern der kleinen Staaten, und ein Krieg für die Union<lb/> von Preußen geführt, könnte mich nur lebhaft an jenen Engländer erinnern,<lb/> der ein siegreiches Gefecht mit einer Schildwache bestand, um sich in dem<lb/> Schilderhause hängen zu köunen, ein Recht, welches er sich und jedem freien<lb/> Briten vindicierte. Sollten wir trotzdem dahin getrieben werden, für die Idee<lb/> der Union Krieg zu führen, so würde es uicht lange dauern, daß den Unions¬<lb/> männern von kräftigen Fäusten die letzten Fetzen des Unionsmantels herunter¬<lb/> gerissen würden, und es würde nichts bleiben als das rothe Unterfutter dieses<lb/> sehr leichten Kleidungsstückes. Am wenigsten kann ich glauben, daß die Staats¬<lb/> männer, die im Sommer 1848 sich der Freundschaftsbezeugungen einer Handvoll<lb/> Berliner Proletarier nicht erwehren konnten, stark genug sein würden, wenn<lb/> einmal der Brand entzündet ist, im Kampfe mit der Uebermacht die darge¬<lb/> botene Hand der polnischen, italienischen, ungarischen und deutschen Demokraten<lb/> zurückzuweisen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1081" next="#ID_1082"> Begegnen wir in diesen Reden auf dem Gebiete der hohen Politik einer<lb/> Denkweise und einer Sachkenntniß, die schon den großen Realpolitiker bekundet,<lb/> der sich von 1863 an bis heute als Meister auf diesem Gebiete erwies, so<lb/> finden sich in unsrer Sammlung auch nicht wenige Reden desselben, die zwar<lb/> vergleichsweise weniger wichtige Gegenstände behandeln, aber theils durch ihre</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0405]
das Recht, auf einer deutschen Tribüne parlamentarische Vorträge zu halten.
Für mich liegen beide Begriffe weit auseinander. Wie aber in der Union die
deutsche Einheit gesucht werden soll, vermag ich nicht zu verstehen; es ist eine
sonderbare Einheit, die von Haus aus verlangt, im Interesse dieses Sonder¬
bundes einstweilen unsere deutschen Landsleute im Süden zu erschießen und zu
erstechen, welche die deutsche Ehre darin findet, daß der Schwerpunkt aller
deutscheu Fragen nothwendig nach Warschau oder Paris fällt. Denken Sie sich
zwei Theile Deutschlands in Waffen einander gegenüber, deren Machtverschieden¬
heit nicht in dem Grade bedeutend ist, daß nicht eine Parteinahme auf einer
Seite, auch von einer geringern Macht als Rußland und Frankreich, ein ent¬
scheidendes Gewicht in die Wagschale legen könnte, und ich begreife nicht, mit
welchem Rechte jemand, der ein solches Verhältniß selbst herbeiführen will, sich
darüber beklagen darf, daß der Schwerpunkt der Entscheidung unter solchen
Umständen nach dem Auslande fällt. Es ist mathematisch nothwendig, und er
selbst trägt die Schuld." Nachdem der Redner im weitern Verlaufe die Union
als „zwitterhaftes Product furchtsamer Herrschsucht und zahmer Revolution"
bezeichnet, fährt er fort: „Ich will auf die Giltigkeit oder Ungiltigkeit der Unions-
verfassuug hier nicht zurückkommen .... ich habe die Ueberzeugung, daß sie bei
uns, Gott sei Dank, rechtsgiltig nicht besteht, und wenn sie bestünde, so wäre
sie nichts anderes, als eine Mediatisirung Preußens, nicht nnter die Fürsten,
sondern unter die Kammern der kleinen Staaten, und ein Krieg für die Union
von Preußen geführt, könnte mich nur lebhaft an jenen Engländer erinnern,
der ein siegreiches Gefecht mit einer Schildwache bestand, um sich in dem
Schilderhause hängen zu köunen, ein Recht, welches er sich und jedem freien
Briten vindicierte. Sollten wir trotzdem dahin getrieben werden, für die Idee
der Union Krieg zu führen, so würde es uicht lange dauern, daß den Unions¬
männern von kräftigen Fäusten die letzten Fetzen des Unionsmantels herunter¬
gerissen würden, und es würde nichts bleiben als das rothe Unterfutter dieses
sehr leichten Kleidungsstückes. Am wenigsten kann ich glauben, daß die Staats¬
männer, die im Sommer 1848 sich der Freundschaftsbezeugungen einer Handvoll
Berliner Proletarier nicht erwehren konnten, stark genug sein würden, wenn
einmal der Brand entzündet ist, im Kampfe mit der Uebermacht die darge¬
botene Hand der polnischen, italienischen, ungarischen und deutschen Demokraten
zurückzuweisen."
Begegnen wir in diesen Reden auf dem Gebiete der hohen Politik einer
Denkweise und einer Sachkenntniß, die schon den großen Realpolitiker bekundet,
der sich von 1863 an bis heute als Meister auf diesem Gebiete erwies, so
finden sich in unsrer Sammlung auch nicht wenige Reden desselben, die zwar
vergleichsweise weniger wichtige Gegenstände behandeln, aber theils durch ihre
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