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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Oesterreich, im anderen Falle (der 1866 eintrat) durch sich allein die richtige
Stellung gegeben, um Deutschland zu der Macht zu helfen, die ihm in Europa
gehört. Der vorliegende Verfassungsentwurf aber vernichtet das specifische
Preußenthum .... Was uns gehalten hat, war gerade das specifische Preußen-
thum. Es war der Rest des verketzerten Stockpreußenthums, der die Revolution
überdauert hatte, die preußische Armee, der preußische Schatz, die Früchte lang¬
jähriger intelligenter preußischer Verwaltung und die lebendige Wechselwirkung,
die in Preußen zwischen König und Volk besteht----Das Volk, aus dem jene
Armee hervorgegangen ist, dessen wahrster Repräsentant sie ist, hat kein Be¬
dürfniß, sein preußisches Königthum verschwimmen zu sehen in der fauligen
Gährung süddeutscher Zuchtlosigkeit. Seine Treue haftet nicht an einem papier-
nen Reichsvorstand, nicht an einem Sechstel-Fürstenrath, sie haftet an dein
lebendigen und freien Könige von Preußen, dem Erben seiner Väter. Dieses
Volk, meine Herren, was es will, das wollen wir auch. Alle Redner, welche
ich gehört habe, wollen es, nur ans verschiedenem Wege. Wir alle wollen, daß
der preußische Adler seine Fittiche von der Memel bis zum Donnersberge
schützend und herrschend ausbreite, aber frei wollen wir ihn sehen, nicht gefes¬
selt durch einen neuen Regensburger Reichstag und nicht gestutzt an den Flügeln
von jener gleichmachenden Heckenscheere aus Frankfurt, von der wir uns sehr
wohl erinnern, daß sie erst in Gotha zu einem friedlichen Instrument umge¬
schmiedet wurde, während sie wenige Wochen vorher in Frankfurt als drohende
Waffe gegen das Preußenthum und gegen die Verordnungen unsers Königs
geschwungen worden ist. Preußen sind wir, und Preußen wollen wir bleiben.
Ich weiß, daß ich mit diesen Worten das Bekenntniß der preußischen Armee,
das Bekenntniß der Mehrzahl meiner Landsleute ausspreche, und ich hoffe zu
Gott, daß wir auch uoch lange Preußen bleiben werden, wenn dieses Stück
Papier vergessen sein wird wie ein dürres Herbstblatt."

Bei der Adreßdebatte, die am 29. November 1851 in der zweiten Kammer
stattfand, sprach sich Bismarck gegen das Festhalten an der Radowitzschen
Unionsidee und die Rüthlichkeit eines Krieges sür dieselbe aus. Er bemerkte
dabei u. a.: "Die preußische Ehre besteht nach meiner Ueberzeugung nicht darin,
daß Preußen überall in Deutschland den Don Quixote spiele für gekränkte
Kammercelebritäten, welche ihre locale Verfassung für gefährdet halten. Ich
suche die preußische Ehre darin, daß Preußen sich vor allem von jeder schmach¬
vollen Verbindung mit der Demokratie entfernt halte, und daß es in der vor¬
liegenden wie in allen Fragen nicht zugebe, daß in Deutschland etwas geschehe
ohne Preußens Einwilligung----Wenn jemand im Namen der deutschen
Einheit auf die parlamentarische Union hindrängt, so möchte ich ihn verwarnen,
daß er nicht zwei Begriffe mit einander verwechsele, die deutsche Einheit und


Oesterreich, im anderen Falle (der 1866 eintrat) durch sich allein die richtige
Stellung gegeben, um Deutschland zu der Macht zu helfen, die ihm in Europa
gehört. Der vorliegende Verfassungsentwurf aber vernichtet das specifische
Preußenthum .... Was uns gehalten hat, war gerade das specifische Preußen-
thum. Es war der Rest des verketzerten Stockpreußenthums, der die Revolution
überdauert hatte, die preußische Armee, der preußische Schatz, die Früchte lang¬
jähriger intelligenter preußischer Verwaltung und die lebendige Wechselwirkung,
die in Preußen zwischen König und Volk besteht----Das Volk, aus dem jene
Armee hervorgegangen ist, dessen wahrster Repräsentant sie ist, hat kein Be¬
dürfniß, sein preußisches Königthum verschwimmen zu sehen in der fauligen
Gährung süddeutscher Zuchtlosigkeit. Seine Treue haftet nicht an einem papier-
nen Reichsvorstand, nicht an einem Sechstel-Fürstenrath, sie haftet an dein
lebendigen und freien Könige von Preußen, dem Erben seiner Väter. Dieses
Volk, meine Herren, was es will, das wollen wir auch. Alle Redner, welche
ich gehört habe, wollen es, nur ans verschiedenem Wege. Wir alle wollen, daß
der preußische Adler seine Fittiche von der Memel bis zum Donnersberge
schützend und herrschend ausbreite, aber frei wollen wir ihn sehen, nicht gefes¬
selt durch einen neuen Regensburger Reichstag und nicht gestutzt an den Flügeln
von jener gleichmachenden Heckenscheere aus Frankfurt, von der wir uns sehr
wohl erinnern, daß sie erst in Gotha zu einem friedlichen Instrument umge¬
schmiedet wurde, während sie wenige Wochen vorher in Frankfurt als drohende
Waffe gegen das Preußenthum und gegen die Verordnungen unsers Königs
geschwungen worden ist. Preußen sind wir, und Preußen wollen wir bleiben.
Ich weiß, daß ich mit diesen Worten das Bekenntniß der preußischen Armee,
das Bekenntniß der Mehrzahl meiner Landsleute ausspreche, und ich hoffe zu
Gott, daß wir auch uoch lange Preußen bleiben werden, wenn dieses Stück
Papier vergessen sein wird wie ein dürres Herbstblatt."

Bei der Adreßdebatte, die am 29. November 1851 in der zweiten Kammer
stattfand, sprach sich Bismarck gegen das Festhalten an der Radowitzschen
Unionsidee und die Rüthlichkeit eines Krieges sür dieselbe aus. Er bemerkte
dabei u. a.: „Die preußische Ehre besteht nach meiner Ueberzeugung nicht darin,
daß Preußen überall in Deutschland den Don Quixote spiele für gekränkte
Kammercelebritäten, welche ihre locale Verfassung für gefährdet halten. Ich
suche die preußische Ehre darin, daß Preußen sich vor allem von jeder schmach¬
vollen Verbindung mit der Demokratie entfernt halte, und daß es in der vor¬
liegenden wie in allen Fragen nicht zugebe, daß in Deutschland etwas geschehe
ohne Preußens Einwilligung----Wenn jemand im Namen der deutschen
Einheit auf die parlamentarische Union hindrängt, so möchte ich ihn verwarnen,
daß er nicht zwei Begriffe mit einander verwechsele, die deutsche Einheit und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/404>, abgerufen am 29.12.2024.