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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Daß Josef Brandt da, wo er keine polnische Agitationspolitik treibt, auch
ein Meister in frischem, gesundem Colorit sein kann, beweist der "Frühlings¬
gesang der ukrainischen Kosaken" (im Museum zu Königsberg), ein Zug von
Kosaken, welcher unter Anführung seines Hetmans und unter Voraufritt von
Musikanten die Steppe mit Gesang begrüßt. Die phantastischen Gestalten in
ihren abenteuerlichen Costümen heben sich mit scharfer Silhouette von dem
Hintergrunde und dein lichtgrünen Boden der Steppe ab. Wie die Realisten
der modernen Pariser Schule, wie Alma Tadema und seiue Glaubensgenossen,
verzichten auch Josef Brandt und die andern Polen mit ihm auf jede Andeu¬
tung der Luftperspective; mit andern Worten: sie stellen den Einfluß der Luft
auf den Localton und die dadurch bewirkte Veränderung des letztern in ver¬
schiedenen Entfernungen nicht dar. Am resolutesten in dieser Richtung ging
Max Gierymski vor, vielleicht der talentvollste der Münchener Polencvlonie,
der in dem jugendlichen Alter von 28 Jahren durch ein Brustleiden seiner Kunst
entrissen wurde, nachdem er durch ein jetzt der Berliner Nationalgalerie gehö¬
riges Gemälde, "Parforcejagd im vorigen Jahrhundert", die Ehre der Mitglied¬
schaft der Berliner Akademie erreicht hatte. Am 15. October 1846 in Warschau
geboren, studierte er anfangs Mechanik auf einem Polytechnikum seiner Heimat.
Der polnische Aufstand von 1863, den er als Offizier mitmachte, unterbrach
seine Studien. Die Strapazen, welchen er sich während desselben unterziehen
mußte, legten den Keim zu dem Leiden, dem er später erlag. Nach dem Frieden
widmete er sich, unterstützt durch ein Stipendium des Statthalters Grafen
Berg, der Malerei auf der Münchener Akademie, wo er sich anfangs an A.
Wagner, dann an Franz Adam anschloß, der sein ungewöhnliches Talent zur
Entfaltung brachte. Auch der Landschaftsmaler Eduard Schleich gewann einen
bedeutenden Einfluß auf ihn. Schleichs melancholischer Zug harmonierte init
dem des eignen Gemüths, und so entstand seit 1870 eine Reihe stimmungs¬
voller, meist höchst trübseliger Landschaften, welche wie die "Polnische Land¬
straße im Winter", "Zusammenkunft vor der Jagd im Walde", ein "Pistolen¬
duell zu Pferde", "Unangenehmer Besuch bei Mondschein", "Betende Juden an
der Weichsel" u. a. in. durch eine immer mehr zu genrebildlicher Bedeutung
heranwachsende Staffage ausgezeichnet waren. Nachdem er sich von seiner
melancholischen Gemüthsstimmung ziemlich losgerungen und in der oben er¬
wähnten "Parforcejagd" zu einer gesunderen Anschauungs- und Auffassungsweise
durchgedrungen war, machte sein Brustleide", gegen welches er in Rom, Meran
und Reichenhall vergebens Hilfe gesucht hatte, am 16. September 1874 seinem
Leben ein Ende.

Ein dritter Pole, Jan Chelminski, geb. 1851 in Warschau, ebensalls
unter Franz Adam gebildet, ist ganz in derselben Richtung wie Brandt und


Daß Josef Brandt da, wo er keine polnische Agitationspolitik treibt, auch
ein Meister in frischem, gesundem Colorit sein kann, beweist der „Frühlings¬
gesang der ukrainischen Kosaken" (im Museum zu Königsberg), ein Zug von
Kosaken, welcher unter Anführung seines Hetmans und unter Voraufritt von
Musikanten die Steppe mit Gesang begrüßt. Die phantastischen Gestalten in
ihren abenteuerlichen Costümen heben sich mit scharfer Silhouette von dem
Hintergrunde und dein lichtgrünen Boden der Steppe ab. Wie die Realisten
der modernen Pariser Schule, wie Alma Tadema und seiue Glaubensgenossen,
verzichten auch Josef Brandt und die andern Polen mit ihm auf jede Andeu¬
tung der Luftperspective; mit andern Worten: sie stellen den Einfluß der Luft
auf den Localton und die dadurch bewirkte Veränderung des letztern in ver¬
schiedenen Entfernungen nicht dar. Am resolutesten in dieser Richtung ging
Max Gierymski vor, vielleicht der talentvollste der Münchener Polencvlonie,
der in dem jugendlichen Alter von 28 Jahren durch ein Brustleiden seiner Kunst
entrissen wurde, nachdem er durch ein jetzt der Berliner Nationalgalerie gehö¬
riges Gemälde, „Parforcejagd im vorigen Jahrhundert", die Ehre der Mitglied¬
schaft der Berliner Akademie erreicht hatte. Am 15. October 1846 in Warschau
geboren, studierte er anfangs Mechanik auf einem Polytechnikum seiner Heimat.
Der polnische Aufstand von 1863, den er als Offizier mitmachte, unterbrach
seine Studien. Die Strapazen, welchen er sich während desselben unterziehen
mußte, legten den Keim zu dem Leiden, dem er später erlag. Nach dem Frieden
widmete er sich, unterstützt durch ein Stipendium des Statthalters Grafen
Berg, der Malerei auf der Münchener Akademie, wo er sich anfangs an A.
Wagner, dann an Franz Adam anschloß, der sein ungewöhnliches Talent zur
Entfaltung brachte. Auch der Landschaftsmaler Eduard Schleich gewann einen
bedeutenden Einfluß auf ihn. Schleichs melancholischer Zug harmonierte init
dem des eignen Gemüths, und so entstand seit 1870 eine Reihe stimmungs¬
voller, meist höchst trübseliger Landschaften, welche wie die „Polnische Land¬
straße im Winter", „Zusammenkunft vor der Jagd im Walde", ein „Pistolen¬
duell zu Pferde", „Unangenehmer Besuch bei Mondschein", „Betende Juden an
der Weichsel" u. a. in. durch eine immer mehr zu genrebildlicher Bedeutung
heranwachsende Staffage ausgezeichnet waren. Nachdem er sich von seiner
melancholischen Gemüthsstimmung ziemlich losgerungen und in der oben er¬
wähnten „Parforcejagd" zu einer gesunderen Anschauungs- und Auffassungsweise
durchgedrungen war, machte sein Brustleide», gegen welches er in Rom, Meran
und Reichenhall vergebens Hilfe gesucht hatte, am 16. September 1874 seinem
Leben ein Ende.

Ein dritter Pole, Jan Chelminski, geb. 1851 in Warschau, ebensalls
unter Franz Adam gebildet, ist ganz in derselben Richtung wie Brandt und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/379>, abgerufen am 29.12.2024.