Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.403 789 Lst. H. Polle (Die deutschen Gewerkvereine) führt die Kasse der 403 789 Lst. H. Polle (Die deutschen Gewerkvereine) führt die Kasse der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0352" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147999"/> <p xml:id="ID_956" prev="#ID_955" next="#ID_957"> 403 789 Lst. H. Polle (Die deutschen Gewerkvereine) führt die Kasse der<lb/> Oää-töllon« an, welche im Jahre 1867 387 990 Mitglieder in 3671 Zweig¬<lb/> vereinen besaß, bei 6 900000 Mark Jahresbeiträgen und 39 Millionen Mark<lb/> Kassenvermögen. Was die englischen Versicherungsgesellschaften (außer der ?ru-<lb/> ctsntml), die ?hart I^its assurlmcs und die Lritisb worliman's assurWos be¬<lb/> trifft, so ist wohl zu unterscheiden, daß dieselben nicht im Sinne einer allge¬<lb/> meinen Arbeiterversicheruug operieren, sondern nur einzelne Unterabtheilungen,<lb/> wie Lebens- und Unfallversicherung und Altersversorgung pflegen, daß sie aber<lb/> jedenfalls äußerst wählerisch und vorsichtig bei der Aufnahme ihres Versicheruugs-<lb/> materials verfahren. Wenn Lor. v. Stein (Handbuch der Verwaltungslehre,<lb/> S. 885) meint, es sei der einzig richtige Standpunkt, die Versicherungen der nicht¬<lb/> besitzenden Klassen mit denen- der besitzenden zu vereinigen, und Brentano<lb/> (Arbeiterversicherung, S. 203) dies deu bereits bestehenden Versicherungsanstalten<lb/> überweisen möchte, so ist dagegen zu sagen, daß die Aufgabe endgiltig von der<lb/> Privatindustrie schon aus dem einen Grunde nicht richtig gelöst werden kann,<lb/> weil dieselbe auf Geschäftsgewinu ausgeht und ausgehen muß, ein Gesichtspunkt,<lb/> der hier am allerwenigsten zu passen scheint. Allerdings wird es nöthig sein,<lb/> allmählich noch andere Kreise von Interessenten in diese allgemeine Versicherung<lb/> hineinzuziehen, und die Deckung der wandelbaren Unsicherheitsrate von den ein¬<lb/> zelnen schwächern Bestandtheilen der Nation auf die Allgemeinheit zu übertragen.<lb/> Es existieren eine Menge Gewerbe, deren Mitglieder durch ihren Beruf uicht<lb/> nur keinen besondern Gefahren ausgesetzt siud, sondern die auch einen ver-<lb/> hültnißmäßig sehr auskömmlichen Verdienst haben. Alle gehören zu der großen<lb/> Genossenschaft der sich gegenseitig ergänzenden industriellen Arbeit. An diese<lb/> Bevorzugten und Wohlhabenden hat sich die niedere Arbeiterbevölkerung in<lb/> ihren Bestrebungen zur Verbesserung ihres Looses allerdings anzulehnen, deun<lb/> in ihrer Verbindung und Gegenseitigkeit liegt ein organisches Gesetz, als Ge¬<lb/> gensatz zu der wirthschaftlichen Geschlossenheit und zeitlichen Uebermacht das Ca¬<lb/> pitals. Die obligatorische Abeiterversicherung läßt sich jedoch vorläufig nur auf<lb/> bestehende Organisationen anwenden. Zunächst ist der Staat selbst, besonders durch<lb/> die Verstaatlichung der Bahnen, der größte Arbeitgeber der Nation geworden.<lb/> Demnächst würden Bergwerke, Fabriken, größere Etablissements, bestehende Ver¬<lb/> bünde und Innungen hinzukommen. Der Pauperismus ist aber auf diese Ver¬<lb/> bände nicht allein beschränkt, sondern er findet sich in allen Gewerken, welche<lb/> bis jetzt noch nicht in Vereinen zusammengeschlossen sind. Der Staat kann die<lb/> Mühe der Organisierung dieser zu Innungen ihnen selbst überlassen. Der mäch¬<lb/> tigste Impuls zur Bildung von Innungen und nach Innungen organisierten<lb/> Versicherungskassen wird dadurch hauptsächlich gegeben, daß mit dem Zusammen¬<lb/> schlüsse der Innung besondere Vortheile geboten werden. Solche Vortheile be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0352]
403 789 Lst. H. Polle (Die deutschen Gewerkvereine) führt die Kasse der
Oää-töllon« an, welche im Jahre 1867 387 990 Mitglieder in 3671 Zweig¬
vereinen besaß, bei 6 900000 Mark Jahresbeiträgen und 39 Millionen Mark
Kassenvermögen. Was die englischen Versicherungsgesellschaften (außer der ?ru-
ctsntml), die ?hart I^its assurlmcs und die Lritisb worliman's assurWos be¬
trifft, so ist wohl zu unterscheiden, daß dieselben nicht im Sinne einer allge¬
meinen Arbeiterversicheruug operieren, sondern nur einzelne Unterabtheilungen,
wie Lebens- und Unfallversicherung und Altersversorgung pflegen, daß sie aber
jedenfalls äußerst wählerisch und vorsichtig bei der Aufnahme ihres Versicheruugs-
materials verfahren. Wenn Lor. v. Stein (Handbuch der Verwaltungslehre,
S. 885) meint, es sei der einzig richtige Standpunkt, die Versicherungen der nicht¬
besitzenden Klassen mit denen- der besitzenden zu vereinigen, und Brentano
(Arbeiterversicherung, S. 203) dies deu bereits bestehenden Versicherungsanstalten
überweisen möchte, so ist dagegen zu sagen, daß die Aufgabe endgiltig von der
Privatindustrie schon aus dem einen Grunde nicht richtig gelöst werden kann,
weil dieselbe auf Geschäftsgewinu ausgeht und ausgehen muß, ein Gesichtspunkt,
der hier am allerwenigsten zu passen scheint. Allerdings wird es nöthig sein,
allmählich noch andere Kreise von Interessenten in diese allgemeine Versicherung
hineinzuziehen, und die Deckung der wandelbaren Unsicherheitsrate von den ein¬
zelnen schwächern Bestandtheilen der Nation auf die Allgemeinheit zu übertragen.
Es existieren eine Menge Gewerbe, deren Mitglieder durch ihren Beruf uicht
nur keinen besondern Gefahren ausgesetzt siud, sondern die auch einen ver-
hültnißmäßig sehr auskömmlichen Verdienst haben. Alle gehören zu der großen
Genossenschaft der sich gegenseitig ergänzenden industriellen Arbeit. An diese
Bevorzugten und Wohlhabenden hat sich die niedere Arbeiterbevölkerung in
ihren Bestrebungen zur Verbesserung ihres Looses allerdings anzulehnen, deun
in ihrer Verbindung und Gegenseitigkeit liegt ein organisches Gesetz, als Ge¬
gensatz zu der wirthschaftlichen Geschlossenheit und zeitlichen Uebermacht das Ca¬
pitals. Die obligatorische Abeiterversicherung läßt sich jedoch vorläufig nur auf
bestehende Organisationen anwenden. Zunächst ist der Staat selbst, besonders durch
die Verstaatlichung der Bahnen, der größte Arbeitgeber der Nation geworden.
Demnächst würden Bergwerke, Fabriken, größere Etablissements, bestehende Ver¬
bünde und Innungen hinzukommen. Der Pauperismus ist aber auf diese Ver¬
bände nicht allein beschränkt, sondern er findet sich in allen Gewerken, welche
bis jetzt noch nicht in Vereinen zusammengeschlossen sind. Der Staat kann die
Mühe der Organisierung dieser zu Innungen ihnen selbst überlassen. Der mäch¬
tigste Impuls zur Bildung von Innungen und nach Innungen organisierten
Versicherungskassen wird dadurch hauptsächlich gegeben, daß mit dem Zusammen¬
schlüsse der Innung besondere Vortheile geboten werden. Solche Vortheile be-
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