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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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bekannt, daß junge Arbeiter ohne Anhang für die Bedürfnisse ihres Standes
durchschnittlich ein so gutes Auskommen haben, daß sie nur zu oft dadurch
zum Schnaps und Müsstggang verführt werden. Dagegen bietet der alternde
Arbeiter ohne Familie und Kinder fast immer das Bild trostlosen Elends.

Aus den Kreisen der Versicherungskunde hat man die Stummschen obliga¬
torischen allgemeinen Arbeiterpensionskassen gleich nach dem Auftauchen des Ge¬
dankens für unausführbar erklärt. Nach Brentano müßte der Arbeiter, sei es
allein oder mit anderweitiger Zuwendung, jährlich 173 Mark aufbringen, um
der Gefahr entrückt zu werden, der öffentlichen Armenpflege zur Last zu fallen-
Der Satz von 173 Mark würde aber nur gelten für einen Arbeiter, der mit
dem 16. Lebensjahre einzuzahlen anfängt; bei einem Arbeiter, welcher im Alter
von 35 Jahren zu zahlen begänne, würde sich der Betrag jährlich auf 262 Mark
belaufen. Es fehlt freilich die Gegenüberstellung, was dem Arbeiter bei ein¬
tretender Invalidität dafür geleistet werden soll. Brentano scheint -- wenn man
sonst seine Zahlen für zutreffend nehmen will ^ die Bedürfnisse sehr hoch ge¬
stellt zu haben. Die Kassen der Gewerkvereine erheben von ihren Mitgliedern,
allerdings nur für den Krankheits- und Begräbnißfall, nicht mehr als 10 Pfennige
für die Woche. Die Sicherheit der mathematischen Unterlage dieser Kassen mag
dahingestellt bleiben; Professor Heym in Leipzig ist der Meinung, daß die Er¬
höhung um ein Fünftel genügen würde, um völlig ausreichende Sicherheit zu
schaffen. Dies würden jährlich 6 Mark für den Kopf sein. Daß dies irrig ist,
vielmehr etwa 13 Mark angenommen werden müssen, wird aus der nachfolgenden
Aufstellung der Essener Knappschaftskasse hervorgehen. Bei den Fabrikkranken¬
kassen tragen Männer, Weiber und Kinder bei. Bei den preußischen Knapp¬
schaftskassen, welche außer der Krankenunterstützung auch Hilfe für Invalidität
leisten und einiges für Wittwen- und Waisenversorgung thun, beläuft sich der
Beitrag oder die jährliche Einnahme für den Kopf auf 30 -- 35 Mark.

Der Essener Knappschaftsverein zählte nach der von dem Regierungsrathe
Dr. Otto von Mülmann im Jahre 1867 herausgegebenen Statistik des Regie¬
rungsbezirks Düsseldorf (2. Bd. S. 470-472) im ganzen 11620 Mitglieder.
Es ist mit ziemlicher Gewißheit anzunehmen, daß das nachstehende aus der
günstigsten Zeit entnommene Bild der Wirksamkeit dieser Kasse ein vortheilhaf¬
teres ist, als es sich heute gestalten würde, denn der Gesammtbeitrag machte
damals nur etwa 26 Mark für den Kopf aus.

Der Verein hatte folgende Einnahmen:

1. Zinsen...... 23293 Mark 23 Pf.
2. Beiträge der Mitglieder ... 163130 " 26 "
3. Beiträge der Arbeitgeber . . . 141930 " 90 "
4. Disciplinar- und Ordnungsstrafen . 3 333 "39 ""
Zusammen332292 Mark 72 Pfl

bekannt, daß junge Arbeiter ohne Anhang für die Bedürfnisse ihres Standes
durchschnittlich ein so gutes Auskommen haben, daß sie nur zu oft dadurch
zum Schnaps und Müsstggang verführt werden. Dagegen bietet der alternde
Arbeiter ohne Familie und Kinder fast immer das Bild trostlosen Elends.

Aus den Kreisen der Versicherungskunde hat man die Stummschen obliga¬
torischen allgemeinen Arbeiterpensionskassen gleich nach dem Auftauchen des Ge¬
dankens für unausführbar erklärt. Nach Brentano müßte der Arbeiter, sei es
allein oder mit anderweitiger Zuwendung, jährlich 173 Mark aufbringen, um
der Gefahr entrückt zu werden, der öffentlichen Armenpflege zur Last zu fallen-
Der Satz von 173 Mark würde aber nur gelten für einen Arbeiter, der mit
dem 16. Lebensjahre einzuzahlen anfängt; bei einem Arbeiter, welcher im Alter
von 35 Jahren zu zahlen begänne, würde sich der Betrag jährlich auf 262 Mark
belaufen. Es fehlt freilich die Gegenüberstellung, was dem Arbeiter bei ein¬
tretender Invalidität dafür geleistet werden soll. Brentano scheint — wenn man
sonst seine Zahlen für zutreffend nehmen will ^ die Bedürfnisse sehr hoch ge¬
stellt zu haben. Die Kassen der Gewerkvereine erheben von ihren Mitgliedern,
allerdings nur für den Krankheits- und Begräbnißfall, nicht mehr als 10 Pfennige
für die Woche. Die Sicherheit der mathematischen Unterlage dieser Kassen mag
dahingestellt bleiben; Professor Heym in Leipzig ist der Meinung, daß die Er¬
höhung um ein Fünftel genügen würde, um völlig ausreichende Sicherheit zu
schaffen. Dies würden jährlich 6 Mark für den Kopf sein. Daß dies irrig ist,
vielmehr etwa 13 Mark angenommen werden müssen, wird aus der nachfolgenden
Aufstellung der Essener Knappschaftskasse hervorgehen. Bei den Fabrikkranken¬
kassen tragen Männer, Weiber und Kinder bei. Bei den preußischen Knapp¬
schaftskassen, welche außer der Krankenunterstützung auch Hilfe für Invalidität
leisten und einiges für Wittwen- und Waisenversorgung thun, beläuft sich der
Beitrag oder die jährliche Einnahme für den Kopf auf 30 — 35 Mark.

Der Essener Knappschaftsverein zählte nach der von dem Regierungsrathe
Dr. Otto von Mülmann im Jahre 1867 herausgegebenen Statistik des Regie¬
rungsbezirks Düsseldorf (2. Bd. S. 470-472) im ganzen 11620 Mitglieder.
Es ist mit ziemlicher Gewißheit anzunehmen, daß das nachstehende aus der
günstigsten Zeit entnommene Bild der Wirksamkeit dieser Kasse ein vortheilhaf¬
teres ist, als es sich heute gestalten würde, denn der Gesammtbeitrag machte
damals nur etwa 26 Mark für den Kopf aus.

Der Verein hatte folgende Einnahmen:

1. Zinsen...... 23293 Mark 23 Pf.
2. Beiträge der Mitglieder ... 163130 „ 26 „
3. Beiträge der Arbeitgeber . . . 141930 „ 90 „
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[0324] bekannt, daß junge Arbeiter ohne Anhang für die Bedürfnisse ihres Standes durchschnittlich ein so gutes Auskommen haben, daß sie nur zu oft dadurch zum Schnaps und Müsstggang verführt werden. Dagegen bietet der alternde Arbeiter ohne Familie und Kinder fast immer das Bild trostlosen Elends. Aus den Kreisen der Versicherungskunde hat man die Stummschen obliga¬ torischen allgemeinen Arbeiterpensionskassen gleich nach dem Auftauchen des Ge¬ dankens für unausführbar erklärt. Nach Brentano müßte der Arbeiter, sei es allein oder mit anderweitiger Zuwendung, jährlich 173 Mark aufbringen, um der Gefahr entrückt zu werden, der öffentlichen Armenpflege zur Last zu fallen- Der Satz von 173 Mark würde aber nur gelten für einen Arbeiter, der mit dem 16. Lebensjahre einzuzahlen anfängt; bei einem Arbeiter, welcher im Alter von 35 Jahren zu zahlen begänne, würde sich der Betrag jährlich auf 262 Mark belaufen. Es fehlt freilich die Gegenüberstellung, was dem Arbeiter bei ein¬ tretender Invalidität dafür geleistet werden soll. Brentano scheint — wenn man sonst seine Zahlen für zutreffend nehmen will ^ die Bedürfnisse sehr hoch ge¬ stellt zu haben. Die Kassen der Gewerkvereine erheben von ihren Mitgliedern, allerdings nur für den Krankheits- und Begräbnißfall, nicht mehr als 10 Pfennige für die Woche. Die Sicherheit der mathematischen Unterlage dieser Kassen mag dahingestellt bleiben; Professor Heym in Leipzig ist der Meinung, daß die Er¬ höhung um ein Fünftel genügen würde, um völlig ausreichende Sicherheit zu schaffen. Dies würden jährlich 6 Mark für den Kopf sein. Daß dies irrig ist, vielmehr etwa 13 Mark angenommen werden müssen, wird aus der nachfolgenden Aufstellung der Essener Knappschaftskasse hervorgehen. Bei den Fabrikkranken¬ kassen tragen Männer, Weiber und Kinder bei. Bei den preußischen Knapp¬ schaftskassen, welche außer der Krankenunterstützung auch Hilfe für Invalidität leisten und einiges für Wittwen- und Waisenversorgung thun, beläuft sich der Beitrag oder die jährliche Einnahme für den Kopf auf 30 — 35 Mark. Der Essener Knappschaftsverein zählte nach der von dem Regierungsrathe Dr. Otto von Mülmann im Jahre 1867 herausgegebenen Statistik des Regie¬ rungsbezirks Düsseldorf (2. Bd. S. 470-472) im ganzen 11620 Mitglieder. Es ist mit ziemlicher Gewißheit anzunehmen, daß das nachstehende aus der günstigsten Zeit entnommene Bild der Wirksamkeit dieser Kasse ein vortheilhaf¬ teres ist, als es sich heute gestalten würde, denn der Gesammtbeitrag machte damals nur etwa 26 Mark für den Kopf aus. Der Verein hatte folgende Einnahmen: 1. Zinsen...... 23293 Mark 23 Pf. 2. Beiträge der Mitglieder ... 163130 „ 26 „ 3. Beiträge der Arbeitgeber . . . 141930 „ 90 „ 4. Disciplinar- und Ordnungsstrafen . 3 333 „39 „" Zusammen332292 Mark 72 Pfl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/324>, abgerufen am 09.01.2025.