Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.aus Dresden auf Grund officieller Untersuchungen constatirt hat, daß nämlich Was aber die Frage anlangt, ob Mathematik oder alte Sprachen für die Wir stehen am Schluß. Der Verfasser dieser Zeilen glaubt nachgewiesen Damit soll nicht gesagt sein, daß nun alles ohne Ausnahme in unseren aus Dresden auf Grund officieller Untersuchungen constatirt hat, daß nämlich Was aber die Frage anlangt, ob Mathematik oder alte Sprachen für die Wir stehen am Schluß. Der Verfasser dieser Zeilen glaubt nachgewiesen Damit soll nicht gesagt sein, daß nun alles ohne Ausnahme in unseren <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0031" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147678"/> <p xml:id="ID_79" prev="#ID_78"> aus Dresden auf Grund officieller Untersuchungen constatirt hat, daß nämlich<lb/> „die Schüler der oberen Classen des Gymnasiums zu Dresden täglich 3, die<lb/> Schüler der beiden Realschulen aber täglich 5 — 6 Stunden häusliche Schul¬<lb/> arbeit zu fertigen hätten." Es ist nicht anzunehmen, daß in anderen Ländern<lb/> unter den beiden Arten von höheren Lehranstalten das umgekehrte Verhältniß<lb/> stattfindet.</p><lb/> <p xml:id="ID_80"> Was aber die Frage anlangt, ob Mathematik oder alte Sprachen für die<lb/> Gesundheit des Geistes förderlicher oder weniger gefährlich sind und was von<lb/> beiden die größere geistige Begabung erfordert, fo dürften wohl die Beobach¬<lb/> tungen, die Dr. Hasse an den Bewohnern seiner Irrenanstalt gemacht hat, für<lb/> die endgiltige Beantwortung dieser Frage nicht maßgebend sein. So weit der<lb/> Verfasser dieser Zeilen geistig gesunde Knaben und Jünglinge beobachtet hat, so<lb/> hat sich einerseits unter denen, die sich vorzugsweise für die historisch-sprachlichen<lb/> Fächer interessierten, eine gute Zahl recht geistreicher Köpfe befunden, anderer¬<lb/> seits ist ihm aber auch recht oft die Beobachtung aufgestoßen, daß die mathe¬<lb/> matischen Forderungen des Abiturientenexamens auch befähigteren Schülern eine<lb/> nicht geringe, wenn auch nicht übergroße Bürde gewesen sind. Er ist jedoch<lb/> weit entfernt, diese Frage, ebenso wie die viel ventilirte Frage wegen der Gleich¬<lb/> berechtigung der Realschule erster Ordnung, an dieser Stelle weiter zu verfolgen.<lb/> Herr Dr. Haffe, der ja seinen Vorschlag in der „Gegenwart" nur als „Mitglied<lb/> der menschlichen Gesellschaft" gemacht hat, darf es aber denen, die sich mit<lb/> Schulen und Schülern, nicht bloß als Mitglieder der menschlichen Gesellschaft,<lb/> sondern weil Beruf und Neigung sie dazu auffordert, beschäftigen, nicht allzusehr<lb/> verargen, wenn sie sich von der Nützlichkeit seines Vorschlags nicht sogleich über¬<lb/> zeugen können. Den Versuch, Mathematik und Theologie mit Erfolg zu ver¬<lb/> einigen, hat ja allerdings bereits Blaise Pascal gemacht. Ehe aber nicht Geister<lb/> wie der berühmte Verfasser der Provincialbriefe zahlreicher auftreten, als es<lb/> bisher geschehen, wird es wohl am besten sein, daß man es in dieser Hinsicht<lb/> bei der hergebrachten Praxis läßt und zufrieden ist, wenn die Theologen nicht<lb/> allzu schlechte Mathematiker und die Mathematiker leidlich gute Christen sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_81"> Wir stehen am Schluß. Der Verfasser dieser Zeilen glaubt nachgewiesen<lb/> zu haben, daß die Beobachtungen der Herrn or. Hasse in seiner Irrenanstalt,<lb/> so betrübend sie an sich sind, doch keineswegs zu der Folgerung berechtigen, daß<lb/> die Forderungen des humanistischen Gymnasiums in ihrer Allgemeinheit nach¬<lb/> theilig für die geistige Gesundheit seiner Schüler seien, glaubt auch gezeigt zu<lb/> haben, daß von der vorgeschlagenen Gleichstellung der Realschule mit dein Gym¬<lb/> nasium eine Heilung der vermeintlichen Schäden unserer Jugendbildung nicht<lb/> zu erwarten sein würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_82" next="#ID_83"> Damit soll nicht gesagt sein, daß nun alles ohne Ausnahme in unseren</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
aus Dresden auf Grund officieller Untersuchungen constatirt hat, daß nämlich
„die Schüler der oberen Classen des Gymnasiums zu Dresden täglich 3, die
Schüler der beiden Realschulen aber täglich 5 — 6 Stunden häusliche Schul¬
arbeit zu fertigen hätten." Es ist nicht anzunehmen, daß in anderen Ländern
unter den beiden Arten von höheren Lehranstalten das umgekehrte Verhältniß
stattfindet.
Was aber die Frage anlangt, ob Mathematik oder alte Sprachen für die
Gesundheit des Geistes förderlicher oder weniger gefährlich sind und was von
beiden die größere geistige Begabung erfordert, fo dürften wohl die Beobach¬
tungen, die Dr. Hasse an den Bewohnern seiner Irrenanstalt gemacht hat, für
die endgiltige Beantwortung dieser Frage nicht maßgebend sein. So weit der
Verfasser dieser Zeilen geistig gesunde Knaben und Jünglinge beobachtet hat, so
hat sich einerseits unter denen, die sich vorzugsweise für die historisch-sprachlichen
Fächer interessierten, eine gute Zahl recht geistreicher Köpfe befunden, anderer¬
seits ist ihm aber auch recht oft die Beobachtung aufgestoßen, daß die mathe¬
matischen Forderungen des Abiturientenexamens auch befähigteren Schülern eine
nicht geringe, wenn auch nicht übergroße Bürde gewesen sind. Er ist jedoch
weit entfernt, diese Frage, ebenso wie die viel ventilirte Frage wegen der Gleich¬
berechtigung der Realschule erster Ordnung, an dieser Stelle weiter zu verfolgen.
Herr Dr. Haffe, der ja seinen Vorschlag in der „Gegenwart" nur als „Mitglied
der menschlichen Gesellschaft" gemacht hat, darf es aber denen, die sich mit
Schulen und Schülern, nicht bloß als Mitglieder der menschlichen Gesellschaft,
sondern weil Beruf und Neigung sie dazu auffordert, beschäftigen, nicht allzusehr
verargen, wenn sie sich von der Nützlichkeit seines Vorschlags nicht sogleich über¬
zeugen können. Den Versuch, Mathematik und Theologie mit Erfolg zu ver¬
einigen, hat ja allerdings bereits Blaise Pascal gemacht. Ehe aber nicht Geister
wie der berühmte Verfasser der Provincialbriefe zahlreicher auftreten, als es
bisher geschehen, wird es wohl am besten sein, daß man es in dieser Hinsicht
bei der hergebrachten Praxis läßt und zufrieden ist, wenn die Theologen nicht
allzu schlechte Mathematiker und die Mathematiker leidlich gute Christen sind.
Wir stehen am Schluß. Der Verfasser dieser Zeilen glaubt nachgewiesen
zu haben, daß die Beobachtungen der Herrn or. Hasse in seiner Irrenanstalt,
so betrübend sie an sich sind, doch keineswegs zu der Folgerung berechtigen, daß
die Forderungen des humanistischen Gymnasiums in ihrer Allgemeinheit nach¬
theilig für die geistige Gesundheit seiner Schüler seien, glaubt auch gezeigt zu
haben, daß von der vorgeschlagenen Gleichstellung der Realschule mit dein Gym¬
nasium eine Heilung der vermeintlichen Schäden unserer Jugendbildung nicht
zu erwarten sein würde.
Damit soll nicht gesagt sein, daß nun alles ohne Ausnahme in unseren
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