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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Zahl das höchste Maß, nicht aber das Normalmaß, daß absolut erreicht
werden soll.

In den braunschweigischen Gymnasien ist der Lehrplan im Großen und
Ganzen den preußischen Grundsätzen angepaßt, nur daß hier noch 2 englische
Stunden hinzukommen, die aber in einigen Gymnasien facultativ sind. Bezüg¬
lich der häuslichen Arbeitszeit kaun der Verfasser dieser Zeilen nur von der
Anstalt, an der er selbst thätig ist, urtheilen. Hier aber haben genaue Beob¬
achtungen ergeben, daß die Schüler der unteren Klassen nur 1--2 Stunden,
die der mittleren 2, höchstens 2--3 Stunden, die der oberen etwa 3 Stunden
täglich ans ihre häuslichen Aufgaben zu verwenden haben. Gutem Vernehmen
nach haben aber sorgfältige Untersuchungen, die in Folge der Hassischen An¬
klagen auf Anordnung der obersten Schulbehörde angestellt worden sind, ergeben,
daß auch in den übrigen Gymnasien des Landes eine Ueberbürdung der Gymna¬
siasten durch die Forderungen der Schule nach der Ueberzeugung dieser Behörde
nicht stattfindet.

Sonach ergiebt sich als Maß der durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit
eines preußischen Primaners in Schule und Haus nicht, wie Dr. Hasse irr¬
thümlich in Eisenach gesagt hat, 10, sondern nur 9 Stunden, und diese Summe
darf nur als äußerste Grenze, als Maximalsatz angesehen, als ein Maß, das
nur gestattet, nicht aber unbedingt gefordert wird. In Betreff der badischen
Anstalten konnte auf der oben erwähnten Versammlung zu Dresden der Gym-
nasialdirector Wendt aus Carlsruhe auf Grund officieller Ermittelungen con-
statiren, daß dem badischen Primaner nur 8 Stunden als Maximum täglicher
Arbeitszeit zugemuthet werden, "genau das Maß, das Hufeland angebe,
8 Stunden Arbeit und 16 Stunden für Schlaf und Erholung." Auch für das
Gymnasium, an dem der Verfasser dieser Zeilen thätig zu sein die Ehre hat,
beträgt das Durchschnittsmaß der geistigen Beschäftigung eines Primaners nicht
erheblich mehr als 8 Stunden, ein Maß, das der Schulhygieniker Baginsky
(a. a. O., S. 351) billigt, wenn er für die Prima und Secunda des Gymna¬
siums bei 5--6 täglichen Unterrichtsstunden eine Arbeitszeit von 2^--3 Stunde"
gut heißt. Nach der Meinung und Erfahrung des Verfassers ist es aber auch
wahrlich keine "Unbill" und auch keine "unverzeihliche Zumuthung", wenn man
von einem Primaner verlangt, daß derselbe, um sich wissenschaftlich tüchtig für
den Besuch einer Universität zu machen, täglich 8--9 Stunden sich geistig be¬
schäftigen soll, zumal wenn man bedenkt, daß, wie in dem hiesigen Gymnasium,
eine Unterrichtsstunde nie länger als 45--50 Minuten andauert und zwischen
den einzelnen Lehrstunden jedes Mal eine Pause vou 10--15 Minuten ge¬
macht wird, in der die Schüler das Classenzimmer zu verlassen und auf dein
luftigen Hofe oder auf den geräumigen Corndoren zu promenieren gehalten sind,


Zahl das höchste Maß, nicht aber das Normalmaß, daß absolut erreicht
werden soll.

In den braunschweigischen Gymnasien ist der Lehrplan im Großen und
Ganzen den preußischen Grundsätzen angepaßt, nur daß hier noch 2 englische
Stunden hinzukommen, die aber in einigen Gymnasien facultativ sind. Bezüg¬
lich der häuslichen Arbeitszeit kaun der Verfasser dieser Zeilen nur von der
Anstalt, an der er selbst thätig ist, urtheilen. Hier aber haben genaue Beob¬
achtungen ergeben, daß die Schüler der unteren Klassen nur 1—2 Stunden,
die der mittleren 2, höchstens 2—3 Stunden, die der oberen etwa 3 Stunden
täglich ans ihre häuslichen Aufgaben zu verwenden haben. Gutem Vernehmen
nach haben aber sorgfältige Untersuchungen, die in Folge der Hassischen An¬
klagen auf Anordnung der obersten Schulbehörde angestellt worden sind, ergeben,
daß auch in den übrigen Gymnasien des Landes eine Ueberbürdung der Gymna¬
siasten durch die Forderungen der Schule nach der Ueberzeugung dieser Behörde
nicht stattfindet.

Sonach ergiebt sich als Maß der durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit
eines preußischen Primaners in Schule und Haus nicht, wie Dr. Hasse irr¬
thümlich in Eisenach gesagt hat, 10, sondern nur 9 Stunden, und diese Summe
darf nur als äußerste Grenze, als Maximalsatz angesehen, als ein Maß, das
nur gestattet, nicht aber unbedingt gefordert wird. In Betreff der badischen
Anstalten konnte auf der oben erwähnten Versammlung zu Dresden der Gym-
nasialdirector Wendt aus Carlsruhe auf Grund officieller Ermittelungen con-
statiren, daß dem badischen Primaner nur 8 Stunden als Maximum täglicher
Arbeitszeit zugemuthet werden, „genau das Maß, das Hufeland angebe,
8 Stunden Arbeit und 16 Stunden für Schlaf und Erholung." Auch für das
Gymnasium, an dem der Verfasser dieser Zeilen thätig zu sein die Ehre hat,
beträgt das Durchschnittsmaß der geistigen Beschäftigung eines Primaners nicht
erheblich mehr als 8 Stunden, ein Maß, das der Schulhygieniker Baginsky
(a. a. O., S. 351) billigt, wenn er für die Prima und Secunda des Gymna¬
siums bei 5—6 täglichen Unterrichtsstunden eine Arbeitszeit von 2^—3 Stunde»
gut heißt. Nach der Meinung und Erfahrung des Verfassers ist es aber auch
wahrlich keine „Unbill" und auch keine „unverzeihliche Zumuthung", wenn man
von einem Primaner verlangt, daß derselbe, um sich wissenschaftlich tüchtig für
den Besuch einer Universität zu machen, täglich 8—9 Stunden sich geistig be¬
schäftigen soll, zumal wenn man bedenkt, daß, wie in dem hiesigen Gymnasium,
eine Unterrichtsstunde nie länger als 45—50 Minuten andauert und zwischen
den einzelnen Lehrstunden jedes Mal eine Pause vou 10—15 Minuten ge¬
macht wird, in der die Schüler das Classenzimmer zu verlassen und auf dein
luftigen Hofe oder auf den geräumigen Corndoren zu promenieren gehalten sind,


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[0027] Zahl das höchste Maß, nicht aber das Normalmaß, daß absolut erreicht werden soll. In den braunschweigischen Gymnasien ist der Lehrplan im Großen und Ganzen den preußischen Grundsätzen angepaßt, nur daß hier noch 2 englische Stunden hinzukommen, die aber in einigen Gymnasien facultativ sind. Bezüg¬ lich der häuslichen Arbeitszeit kaun der Verfasser dieser Zeilen nur von der Anstalt, an der er selbst thätig ist, urtheilen. Hier aber haben genaue Beob¬ achtungen ergeben, daß die Schüler der unteren Klassen nur 1—2 Stunden, die der mittleren 2, höchstens 2—3 Stunden, die der oberen etwa 3 Stunden täglich ans ihre häuslichen Aufgaben zu verwenden haben. Gutem Vernehmen nach haben aber sorgfältige Untersuchungen, die in Folge der Hassischen An¬ klagen auf Anordnung der obersten Schulbehörde angestellt worden sind, ergeben, daß auch in den übrigen Gymnasien des Landes eine Ueberbürdung der Gymna¬ siasten durch die Forderungen der Schule nach der Ueberzeugung dieser Behörde nicht stattfindet. Sonach ergiebt sich als Maß der durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit eines preußischen Primaners in Schule und Haus nicht, wie Dr. Hasse irr¬ thümlich in Eisenach gesagt hat, 10, sondern nur 9 Stunden, und diese Summe darf nur als äußerste Grenze, als Maximalsatz angesehen, als ein Maß, das nur gestattet, nicht aber unbedingt gefordert wird. In Betreff der badischen Anstalten konnte auf der oben erwähnten Versammlung zu Dresden der Gym- nasialdirector Wendt aus Carlsruhe auf Grund officieller Ermittelungen con- statiren, daß dem badischen Primaner nur 8 Stunden als Maximum täglicher Arbeitszeit zugemuthet werden, „genau das Maß, das Hufeland angebe, 8 Stunden Arbeit und 16 Stunden für Schlaf und Erholung." Auch für das Gymnasium, an dem der Verfasser dieser Zeilen thätig zu sein die Ehre hat, beträgt das Durchschnittsmaß der geistigen Beschäftigung eines Primaners nicht erheblich mehr als 8 Stunden, ein Maß, das der Schulhygieniker Baginsky (a. a. O., S. 351) billigt, wenn er für die Prima und Secunda des Gymna¬ siums bei 5—6 täglichen Unterrichtsstunden eine Arbeitszeit von 2^—3 Stunde» gut heißt. Nach der Meinung und Erfahrung des Verfassers ist es aber auch wahrlich keine „Unbill" und auch keine „unverzeihliche Zumuthung", wenn man von einem Primaner verlangt, daß derselbe, um sich wissenschaftlich tüchtig für den Besuch einer Universität zu machen, täglich 8—9 Stunden sich geistig be¬ schäftigen soll, zumal wenn man bedenkt, daß, wie in dem hiesigen Gymnasium, eine Unterrichtsstunde nie länger als 45—50 Minuten andauert und zwischen den einzelnen Lehrstunden jedes Mal eine Pause vou 10—15 Minuten ge¬ macht wird, in der die Schüler das Classenzimmer zu verlassen und auf dein luftigen Hofe oder auf den geräumigen Corndoren zu promenieren gehalten sind,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/27>, abgerufen am 28.12.2024.