Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.volle verbündet hatte, wissen wir aus der indischen Sage. Geriebene Politiker volle verbündet hatte, wissen wir aus der indischen Sage. Geriebene Politiker <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0242" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147889"/> <p xml:id="ID_663" prev="#ID_662" next="#ID_664"> volle verbündet hatte, wissen wir aus der indischen Sage. Geriebene Politiker<lb/> wollen in der betreffenden Episode des „Rcunajcma" nur einen uralten poetischen<lb/> Ausdruck für den Satz finden, daß man Bundesgenossen nehmen müsse, wo man<lb/> dergleichen bekommen könne, und daß man, auch wenn sie einem der Teufel aus<lb/> der Hölle selbst darbiete, sich nicht blöde zeigen dürfe. Wir wollen nicht unter¬<lb/> suchen, ob mit solcher wast- und skrupelloser Bundesgenossenschaft in der Politik<lb/> viel Ersprießliches gewonnen worden ist. Ans geistigem, namentlich auf litera¬<lb/> risch-künstlerischem Gebiete, auf welchem sie in alter und neuer Zeit vies Be¬<lb/> wunderer gefunden hat, läßt sich ihr sicherlich wenig Erfreuliches nachrühmen.<lb/> Was innerlich nicht zusammengehört, was nicht nach gleichem Ziele strebt, was<lb/> im höchsten Sinne nicht eines Glaubens ist, kann durch eine momentane ge¬<lb/> meinsame Losung und selbst durch einen gemeinsamen Feind nicht wahrhaft<lb/> innerlich verbunden werden. Wenn zwei dasselbe sagen, so meinen sie in vielen<lb/> Fälle» keineswegs dasselbe. Der wirkliche Idealismus in der Kunst, welcher<lb/> jederzeit schöpferisch und leistungsfähig ist, hat keinen schlimmern Bundesgenossen<lb/> als jenen wohlmeinenden Dilettantismus, welcher sich idealistisch nennt und wohl<lb/> auch so fühlt. Die große Orgie, welche ein begeisterungsloser, speculativer und<lb/> innerlich verlumpter Bruchtheil der deutschen Literatur oder vielmehr ihrer<lb/> Repräsentanten im letzten Jahrzehnt gefeiert hat und allem Anschein nach weiter<lb/> zu feiern denkt, muß den Vorwand für eine Reihe von Bestrebungen und Be¬<lb/> mühungen abgeben, die armseligste Impotenz und eine schönselige, urkräftige und<lb/> unerquickliche Genügsamkeit als dasjenige hinzustellen, was der deutschen Dich-<lb/> tung der Gegenwart Noth thue. Jede Gährung treibt ihre eignen Blasen empor.<lb/> Der Zug, welcher gegenwärtig durch unser Volk hindurchgeht, das leidenschaft¬<lb/> liche und vollberechtigte Verlangen nach einer Sicherung der höchsten innern<lb/> Güter, nach einer gründlichen Reinigung vom Schlamme der Frivolität und<lb/> blasierten Frechheit, nach dem Wiedergewinn von Idealen, führen auch ihre Ge¬<lb/> fahren mit sich, und die Gegner verfehlen nicht auf dieselben hinzuweisen und<lb/> die Bewegung selbst für das verantwortlich zu machen, was sich an dieselbe<lb/> anhängt und anheftet. Da ist es denn an denen, welche jenes oben charakteri¬<lb/> sierte Verlangen theilen, sich gegen falsche und kompromittierende Bundesgenossen<lb/> in Zeiten zu wahren. Die Abneigung gegen eine renommistisch-materielle Lebens¬<lb/> auffassung und Führung begründet noch keinen echten Idealismus, und die bloße<lb/> Abkehr von den Lieblingsvorstellungen einer grob naturalistischen und sinnlich<lb/> üppigen Kunst hat noch nicht das Geringste mit der Fähigkeit zu schaffen, bessere<lb/> Leistungen an die Stelle der verworfenen und angefochtenen zu setzen. Weil<lb/> dies so empfindlich wahr ist, haben die Vertreter einer schlechten, brutalen oder<lb/> frivolen Literatur- und Kunstrichtung jederzeit eine wirksame Waffe in der Hand.<lb/> Sie greifen Armseligkeiten und geschmacklose Stümpereien, welche mit idealisti-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0242]
volle verbündet hatte, wissen wir aus der indischen Sage. Geriebene Politiker
wollen in der betreffenden Episode des „Rcunajcma" nur einen uralten poetischen
Ausdruck für den Satz finden, daß man Bundesgenossen nehmen müsse, wo man
dergleichen bekommen könne, und daß man, auch wenn sie einem der Teufel aus
der Hölle selbst darbiete, sich nicht blöde zeigen dürfe. Wir wollen nicht unter¬
suchen, ob mit solcher wast- und skrupelloser Bundesgenossenschaft in der Politik
viel Ersprießliches gewonnen worden ist. Ans geistigem, namentlich auf litera¬
risch-künstlerischem Gebiete, auf welchem sie in alter und neuer Zeit vies Be¬
wunderer gefunden hat, läßt sich ihr sicherlich wenig Erfreuliches nachrühmen.
Was innerlich nicht zusammengehört, was nicht nach gleichem Ziele strebt, was
im höchsten Sinne nicht eines Glaubens ist, kann durch eine momentane ge¬
meinsame Losung und selbst durch einen gemeinsamen Feind nicht wahrhaft
innerlich verbunden werden. Wenn zwei dasselbe sagen, so meinen sie in vielen
Fälle» keineswegs dasselbe. Der wirkliche Idealismus in der Kunst, welcher
jederzeit schöpferisch und leistungsfähig ist, hat keinen schlimmern Bundesgenossen
als jenen wohlmeinenden Dilettantismus, welcher sich idealistisch nennt und wohl
auch so fühlt. Die große Orgie, welche ein begeisterungsloser, speculativer und
innerlich verlumpter Bruchtheil der deutschen Literatur oder vielmehr ihrer
Repräsentanten im letzten Jahrzehnt gefeiert hat und allem Anschein nach weiter
zu feiern denkt, muß den Vorwand für eine Reihe von Bestrebungen und Be¬
mühungen abgeben, die armseligste Impotenz und eine schönselige, urkräftige und
unerquickliche Genügsamkeit als dasjenige hinzustellen, was der deutschen Dich-
tung der Gegenwart Noth thue. Jede Gährung treibt ihre eignen Blasen empor.
Der Zug, welcher gegenwärtig durch unser Volk hindurchgeht, das leidenschaft¬
liche und vollberechtigte Verlangen nach einer Sicherung der höchsten innern
Güter, nach einer gründlichen Reinigung vom Schlamme der Frivolität und
blasierten Frechheit, nach dem Wiedergewinn von Idealen, führen auch ihre Ge¬
fahren mit sich, und die Gegner verfehlen nicht auf dieselben hinzuweisen und
die Bewegung selbst für das verantwortlich zu machen, was sich an dieselbe
anhängt und anheftet. Da ist es denn an denen, welche jenes oben charakteri¬
sierte Verlangen theilen, sich gegen falsche und kompromittierende Bundesgenossen
in Zeiten zu wahren. Die Abneigung gegen eine renommistisch-materielle Lebens¬
auffassung und Führung begründet noch keinen echten Idealismus, und die bloße
Abkehr von den Lieblingsvorstellungen einer grob naturalistischen und sinnlich
üppigen Kunst hat noch nicht das Geringste mit der Fähigkeit zu schaffen, bessere
Leistungen an die Stelle der verworfenen und angefochtenen zu setzen. Weil
dies so empfindlich wahr ist, haben die Vertreter einer schlechten, brutalen oder
frivolen Literatur- und Kunstrichtung jederzeit eine wirksame Waffe in der Hand.
Sie greifen Armseligkeiten und geschmacklose Stümpereien, welche mit idealisti-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |