Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.dernde sociale Verhältnisse die in der That vorhandene geistige Belastung her¬ Aus dem Vorhergehenden erhellt gewiß zur Genüge, daß Gymnasiasten Doch angenommen, es ließen alle die soeben berührte:: Mißstände sich hin¬ Bekanntlich treten alljährlich in den einzelnen Provinzen Preußens die dernde sociale Verhältnisse die in der That vorhandene geistige Belastung her¬ Aus dem Vorhergehenden erhellt gewiß zur Genüge, daß Gymnasiasten Doch angenommen, es ließen alle die soeben berührte:: Mißstände sich hin¬ Bekanntlich treten alljährlich in den einzelnen Provinzen Preußens die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0024" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147671"/> <p xml:id="ID_58" prev="#ID_57"> dernde sociale Verhältnisse die in der That vorhandene geistige Belastung her¬<lb/> vorrufen. Hat die Schule die Mittel, diesem hier mehr angedeuteten als er¬<lb/> schöpfend dargestellten Unwesen zu steuern und die unberufenen Ingenia vom<lb/> Gymnasium fern zu halten? Ueber einen guten Rath geht ihre Befugniß nicht<lb/> hinaus, und man muß Lehrer gewesen sein, um zu wissen, wie Eltern oftmals<lb/> es aufnehmen, wenn ihnen über die schwache Anlage ihrer Söhne klarer Wein<lb/> eingeschenkt wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_59"> Aus dem Vorhergehenden erhellt gewiß zur Genüge, daß Gymnasiasten<lb/> geistig überbürdet sein können, ohne daß die Schulerziehung an sich deshalb<lb/> „ungesund und unnatürlich" genannt werden darf. Herr Dr. Hasse gebe ein<lb/> Mittel an die Hand, alle Schüler zu zwingen, nicht bloß ruckweise, sondern con-<lb/> tinuirlich und regelmäßig zu arbeiten, er bringe es dahin, daß kein armer Schüler<lb/> der oberen Classen Privatstunden zu geben braucht, er halte thörichte Eltern<lb/> davon ab, ihre schwächlichen Kinder zu spornen und zu treiben und durch viele<lb/> Nachhilfestunden zu mißhandeln, vor allein aber verschaffe er uns Lehrern die<lb/> Befugniß, diejenigen Knaben vom Gymnasium fern zu halten, die wegen unzu¬<lb/> reichender Begabung nicht hineingehören, er verschaffe für diese schwachen Köpfe<lb/> in genügender Zahl Mittelschulen und Realschulen mit geringeren Lehrzielen,<lb/> dann wird ohne Zweifel ein gut Theil der Klage über Arbeitsüberbürdung in<lb/> den Gymnasien verstummen. Wenn er aber dieses nicht kann, so sei er gerecht<lb/> und unterlasse es, auf Grund vereinzelter und, wenigstens zum Theil, nicht ge¬<lb/> nügend aufgehellter Fälle so schwere Anklagen gegen Anstalten zu erheben, die<lb/> in ihrer Gesammtheit bisher immer als die hauptsächlichsten Förderungsmittel<lb/> der geistigen Gesundheit, nicht aber als die Herde der geistigen Erkrankung der<lb/> Nation gegolten haben. Vielmehr möge er im Verein mit uns Lehrern seinen<lb/> Einfluß dahin richten, daß die soeben angedeuteten Mißstände aufhören oder<lb/> wenigsteus gemildert werden, möge nicht müde werden, die so weit verbreiteten<lb/> Irrthümer und Verkehrtheiten, die unter Schülern und Eltern leider noch so<lb/> vielfach herrschen, zu rügen und zu verscheuchen; wahrlich, niemand wird ihm<lb/> herzlicher dafür danken als wir Lehrer an den Gymnasien.</p><lb/> <p xml:id="ID_60"> Doch angenommen, es ließen alle die soeben berührte:: Mißstände sich hin¬<lb/> wegschaffen, liegt nicht auch dann noch in dem Maße der Schulstunden und in<lb/> der für die Anfertigung der häuslichen Aufgaben von Seiten der Schule in<lb/> Aussicht genommenen Arbeitszeit eine Ueberbürdung der heranwachsenden Jugend?<lb/> Herr Dr. Hasse behauptet es und bezieht sich in seinem in der „Gegenwart"<lb/> abgedruckten Aufsatze auf das Protocoll einer preußischen Directoren-Conferenz.</p><lb/> <p xml:id="ID_61" next="#ID_62"> Bekanntlich treten alljährlich in den einzelnen Provinzen Preußens die<lb/> Directoren der Gymnasien und Realschulen zusammen, um gewisse, von den<lb/> Provinzialschulcollegien gestellte und vorher in den einzelnen Lehrercollegien be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0024]
dernde sociale Verhältnisse die in der That vorhandene geistige Belastung her¬
vorrufen. Hat die Schule die Mittel, diesem hier mehr angedeuteten als er¬
schöpfend dargestellten Unwesen zu steuern und die unberufenen Ingenia vom
Gymnasium fern zu halten? Ueber einen guten Rath geht ihre Befugniß nicht
hinaus, und man muß Lehrer gewesen sein, um zu wissen, wie Eltern oftmals
es aufnehmen, wenn ihnen über die schwache Anlage ihrer Söhne klarer Wein
eingeschenkt wird.
Aus dem Vorhergehenden erhellt gewiß zur Genüge, daß Gymnasiasten
geistig überbürdet sein können, ohne daß die Schulerziehung an sich deshalb
„ungesund und unnatürlich" genannt werden darf. Herr Dr. Hasse gebe ein
Mittel an die Hand, alle Schüler zu zwingen, nicht bloß ruckweise, sondern con-
tinuirlich und regelmäßig zu arbeiten, er bringe es dahin, daß kein armer Schüler
der oberen Classen Privatstunden zu geben braucht, er halte thörichte Eltern
davon ab, ihre schwächlichen Kinder zu spornen und zu treiben und durch viele
Nachhilfestunden zu mißhandeln, vor allein aber verschaffe er uns Lehrern die
Befugniß, diejenigen Knaben vom Gymnasium fern zu halten, die wegen unzu¬
reichender Begabung nicht hineingehören, er verschaffe für diese schwachen Köpfe
in genügender Zahl Mittelschulen und Realschulen mit geringeren Lehrzielen,
dann wird ohne Zweifel ein gut Theil der Klage über Arbeitsüberbürdung in
den Gymnasien verstummen. Wenn er aber dieses nicht kann, so sei er gerecht
und unterlasse es, auf Grund vereinzelter und, wenigstens zum Theil, nicht ge¬
nügend aufgehellter Fälle so schwere Anklagen gegen Anstalten zu erheben, die
in ihrer Gesammtheit bisher immer als die hauptsächlichsten Förderungsmittel
der geistigen Gesundheit, nicht aber als die Herde der geistigen Erkrankung der
Nation gegolten haben. Vielmehr möge er im Verein mit uns Lehrern seinen
Einfluß dahin richten, daß die soeben angedeuteten Mißstände aufhören oder
wenigsteus gemildert werden, möge nicht müde werden, die so weit verbreiteten
Irrthümer und Verkehrtheiten, die unter Schülern und Eltern leider noch so
vielfach herrschen, zu rügen und zu verscheuchen; wahrlich, niemand wird ihm
herzlicher dafür danken als wir Lehrer an den Gymnasien.
Doch angenommen, es ließen alle die soeben berührte:: Mißstände sich hin¬
wegschaffen, liegt nicht auch dann noch in dem Maße der Schulstunden und in
der für die Anfertigung der häuslichen Aufgaben von Seiten der Schule in
Aussicht genommenen Arbeitszeit eine Ueberbürdung der heranwachsenden Jugend?
Herr Dr. Hasse behauptet es und bezieht sich in seinem in der „Gegenwart"
abgedruckten Aufsatze auf das Protocoll einer preußischen Directoren-Conferenz.
Bekanntlich treten alljährlich in den einzelnen Provinzen Preußens die
Directoren der Gymnasien und Realschulen zusammen, um gewisse, von den
Provinzialschulcollegien gestellte und vorher in den einzelnen Lehrercollegien be-
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